Spitzenkandidaten für Berlin-Wahl: Parteibasis rupft das grüne Spitzen-Kleeblatt
Berlins Grüne haben ihre vier Spitzenkandidaten für die Berlin-Wahl bestimmt. Ramona Pop, als Nummer eins gesetzt, holte ein schlechtes Ergebnis
Grün ist die Harmonie: Mit einem großen grünen Ballonherz steht das gerade frisch gewählte Spitzenquartett vor dem Podium. Viele kleine Ballons mit dem Schriftzug „Mehr Gefühl für Berlin“ fliegen durch den schummerigen Kinosaal. Applaus für die drei Frauen und den einen Mann, die jetzt gemeinsam die Berliner Grünen in den Wahlkampf für die Abgeordnetenhauswahl führen sollen. Schnell gingen die Wahlen für die ersten vier Listenplätze im großen Saal des Kinos Kosmos an der Frankfurter Allee über die Bühne: Der Weg für die Fraktionschefinnen Ramona Pop und Antje Kapek sowie für die Landesvorsitzenden Bettina Jarasch und Daniel Wesener ist monatelang vorbereitet worden, die Absprachen, wer auf welchem Platz kandidieren soll, wurden lange vorher getroffen.
Entscheidung vor den Landtagswahlen
Die Berliner Grünen bestimmen ihre Kandidaten einen Tag, bevor in Baden-Württemberg gewählt wird und dort wieder einmal grüne Geschichte geschrieben werden kann. Der dortige Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht in seinem Bundesland derart unangefochten an der Spitze, dass er es schaffen kann, seine Grünen zur stärksten Partei zu machen. Und das in Baden-Württemberg, das eigentlich auf ewig in der Hand der CDU zu sein schien. Kretschmann, das ist das Gesicht der Grünen im Südwesten Deutschlands.
Renate Künast scheiterte 2011
Eine solche personelle Fokussierung gibt es in Berlin nicht. Die Grünen hatten sie bei den Wahlen 2011 versucht. Die damalige Spitzenkandidatin Renate Künast war mit dem Anspruch angetreten, Regierende Bürgermeisterin zu werden und SPD-Amtsinhaber Wowereit abzulösen. Der Versuch scheiterte krachend. Danach folgten heftige Zerwürfnisse und Schuldzuweisungen. Ein Jahr dauerte es, bis vor allem die Fraktion im Abgeordnetenhaus sich wieder gefangen hatte. Seitdem macht man offensiv auf Team und Zusammenarbeit, damit die Parteiflügel im Gleichgewicht gehalten werden. Hier gibt es auch in der öffentlichen Wahrnehmung niemanden, der einen solchen Führungsanspruch stellen könnte. Aber ganz so harmonisch läuft es eben doch nicht. Das muss gerade Ramona Pop erfahren. Sie hat länger als die anderen drei Spitzenleute schon Führungsverantwortung inne und steht seit 2009 an der Spitze der Fraktion. Deswegen war es in dieser Konstruktion folgerichtig, dass sie den ersten Listenplatz erhält. Zumindest öffentlich wurde das in den vergangenen Monaten in der Partei nicht infrage gestellt.
Schlechtes Ergebnis für Romona Pop
Aber das Herz der Basis vermag sie an dem Tag nicht zu erobern. Sie erzielt das schlechteste Ergebnis der vier. Nur gut 60 Prozent der zur Landesmitgliederversammlung gekommenen knapp 800 Grünen geben Pop ihre Stimme. Nur zum Vergleich: Spitzenkandidatin Renate Künast vor fünf Jahren erzielte mehr als 90 Prozent. Und auch Pop selber konnte 2011 ein besseres Ergebnis erreichen, damals erhielt sie bei ihrer Kandidatur für den zweiten Platz hinter Künast 66 Prozent.
Ihre Mitstreiter treffen den Nerv der Mitglieder auf jeden Fall besser als sie. Am besten schneidet die Landesvorsitzende Bettina Jarasch ab, die knapp 78 Prozent der anwesenden Parteimitglieder bei der Kandidatur für Platz drei von sich überzeugen kann. Antje Kapek (Platz 2) und Daniel Wesener (Platz 4) erhalten jeweils rund 73 Prozent. Und Wesener hat dabei noch einen Gegenkandidaten aus Spandau, der dem Landesvorsitzenden nach den dortigen Querelen im Kreisverband in den vergangenen Monaten und dem Eingreifen des Landesvorstandes zumindest einen Denkzettel verpassen möchte.
Die Basis redet mit
Bei den Grünen müssen sich die Kandidaten traditionell der Mitgliederbasis stellen. Deswegen stimmt die Landesmitgliederversammlung, die eigentlich mindestens 15 Prozent der Mitglieder umfassen muss, über die Listenplätze ab. Das Quorum wird an diesem Tag nicht ganz erreicht, deswegen gilt das Mitgliedervotum nicht als Wahl, sondern als Stimmungsbild. Aus rechtlichen Gründen bestätigen die Parteitagsdelegierten anschließend das Ergebnis. Das ist laut Wahlrecht so vorgeschrieben.
Pop scheint es geahnt zu haben, dass sie nicht mit der vollen Unterstützung der Parteimitglieder rechnen kann und mehr als ein Drittel ihr nicht folgen wird. In ihrer kurzen Bewerbungsrede hat sie an die Gemeinsamkeit der Partei appelliert und wies auf die Chancen der Grünen hin, „wenn wir uns nicht auseinanderdividieren lassen“. Nach der Wahl gibt sie sich alle Mühe, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
Keine sozialistischen Ergebnisse
„Sozialistische Ergebnisse gibt es bei uns nicht“, sagt sie. Man wisse doch auch, wie das Verhältnis zwischen Grünen und ihrem Führungspersonal aussehen kann: „Das ist öfter mal keine Liebesgeschichte.“ Ihr Ergebnis will Pop nicht zu stark bewerten. „Ich freue mich auf den Wahlkampf.“ Das Team werde sich jetzt darauf konzentrieren. Das gemeinsame Ziel jedenfalls eint sie: ein Ende der rot-schwarzen Koalition.
Sonntag geht's weiter
Die Grünen werden ihre Kandidatenaufstellung am Sonntag fortsetzen. Insgesamt wollen sie 45 Plätze wählen. Die derzeitige Fraktion hat 29 Mitglieder. Umfragen sehen die Grünen derzeit bei 17 bis 19 Prozent, 2011 lagen sie bei rund 17 Prozent. Bei der Liste müssen zwei Quoten beachtet werden. Jeder ungerade Platz muss an eine Frau gehen, jeder dritte Platz an einen Neuling im Parlament. Die Plätze fünf bis elf belegen: Anja Schillhaneck, Stefan Taschner, Canan Bayram, Stefan Gelbhaar, Fatos Topac, Benedikt Lux und Stefanie Remlinger. Inhaltliche Fragen spielen an diesem Wochenende keine große Rolle. Über das Wahlprogramm wird eine Landesdelegiertenkonferenz der Grünen im April abstimmen.