Autoverkehr in Berlin: Parkhäuser leer, Parkplätze voll
Während in den Straßen immer mehr Autos um eine Lücke konkurrieren, sind viele Parkhäuser leer. Doch es gibt neue Ideen gegen den Platzmangel.
Samstagsgetümmel am Potsdamer Platz: Die Läden sind gut besucht, die kleinen Straßen um die Arkaden völlig zugeparkt, teils auch die Halteverbote und Fußgängerfurten. Wer hier suchend herumkurvt, handelt nach objektiven Maßstäben völlig irrational: Die Parkhäuser direkt darunter sind nicht einmal zur Hälfte belegt, obwohl alles für sie spricht: Kurze Wege, Wetterschutz, und billiger als auf der Straße ist es auch: Unten sind pro Stunde zwei Euro fällig, oben drei. Ähnlich ist das Bild am Hauptbahnhof zum Ferienende: Während oben das übliche Chaos und Gehupe tobt, ist die untere der beiden öffentlichen Parkhausetagen völlig leer und die obere nur zur Hälfte belegt.
Doch auch die meisten Wohngebiete haben ein Problem: Während die Anwohner abends vergeblich um den Block kurven, lassen die Discounter ihre Schranken herunter – und sperren riesige Flächen, die die Not schlagartig lindern könnten. Die wachsende Stadt verschärft das Problem: Seit 2010 hat sich der Berliner Pkw-Bestand laut Kraftfahrtbundesamt um 72.000 Autos vermehrt. Besserung ist nicht in Sicht, denn auch der Trend, aufs eigene Auto zu verzichten, ist schon seit 2011 gebrochen. Seitdem steigt der Autobestand sowohl absolut als auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl.
80.000 Parkplätze vor Discountern, 50.000 in Parkhäusern
Das Problem gehört zu den vielen unerledigten des alten Senats: die 2011 vereinbarte „Strategie Parken in Berlin“ wurde laut Stadtentwicklungsverwaltung von der CDU im Senat blockiert und deshalb nicht verabschiedet. Doch auf eine Anfrage des Grünen Stefan Gelbhaar hin bekannte auch die SPD-geführte Stadtentwicklungsverwaltung Defizite: Zwar wurden 100.000 Stellplätze in stadtweit 200 Parkhäusern erfasst, von denen die Hälfte rund um die Uhr geöffnet ist. Aber zur Auslastung und zum Potenzial von Discountern weiß die Verwaltung nichts.
Der neue Senat muss sich also entweder mit immer massiver zugeparkten zweiten Reihen, Radstreifen, Fußgängerfurten und Kreuzungen abfinden – oder das Thema anpacken. Der Stadtplaner Tim Lehmann hat mit seinem Institut für urbane Mobilität ein Konzept mit dem Titel „130.000 bessere Parkplätze für Berlin“ verfasst, das er als Diskussionsbeitrag beisteuern will. Die Summe ergibt sich aus von ihm ermittelten 80.000 Parkplätzen vor Discountern und 50.000 freien in den Parkhäusern. Letztere sollten Langzeitparkern zur Verfügung stehen – über Kooperationen und neue Geschäftsmodelle, die die Verwaltungen mit den privaten Betreibern aushandeln könnten.
Lehmann setzt darauf, dass die bisherigen Laternenparker sich schnell daran gewöhnen würden, auf Parkplatzsuche, Vogelkot und Laub auf den Scheiben und Vandalismusgefahr zu verzichten. Und ein kurzer Fußweg zum nächsten Parkhaus dauere auch nicht länger als die bisherige Suche nach einer Lücke. Zugleich würde es auf der Straße luftiger.
Die Discounter-Parkplätze würde Lehmann für Nachtparker gewinnen: „Den Läden geht es ja nicht darum, öffentlichen Raum zu blockieren. Die wollen nur freie Plätze für ihre Kunden.“ Bisher gibt es aber keine Handhabe, um auf diese meist privaten Grundstücke zuzugreifen.
Viele Investoren bauen Parkplätze zu
Für Haupt- und Einkaufsstraßen sieht Lehmanns Konzept Kurzzeitparkplätze für Einkäufer und Lieferanten vor: Statt einem (dann ins Parkhaus umgezogenen) Dauerparker könnten in drei Tagen je nach erlaubter Parkzeit 20 bis 250 andere den Stellplatz nutzen. Sein Konzept soll „ein Angebot an Autofahrer sein, aber auch den Zusammenhang beleuchten, wie viele Kunden ein Langzeitparker vor einem Laden fernhalten kann“.
Der Pankower Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) berichtet, dass die Investoren in der Innenstadt längst täten, was die Politik bisher unterlasse – und den knappen Platz besser ausnutzten. Ob in der Pappelallee, der Winsstraße oder der Pasteurstraße: Überall würden „Kaufhallen“ durch mehrstöckige Neubauten mit Wohnungen über dem Supermarkt und Tiefgarage ersetzt.
Die Investoren „haben festgestellt, dass sie so große Parkplätze eigentlich nur Gründonnerstag und vor Heiligabend brauchen“. Rewe sei „noch ein bisschen dinosauriermäßig unterwegs. Aber auch die werden es sich nicht ewig leisten, ungenutzte Platingrundstücke in ihren Büchern zu haben und ihren Kunden hektarweise kostenlose Parkflächen zur Verfügung zu stellen.“
Vorerst müsse zumindest Parkraum etwa für Gehbehinderte erhalten bleiben, aber perspektivisch rechnet Kirchner damit, dass die Lieferdienste weiter wachsen. Was fürs Bezirksamt bedeute, den Kampf um die Freigabe der Radstreifen zu verschärfen. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Leute mobil sind“, resümiert Kirchner die Rolle der Verwaltung, „aber nicht dafür, dass jeder mit seiner Kiste 15 Quadratmeter öffentlichen Raum in Beschlag nimmt.“