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Zärtliche Annäherung. Pantomime-Künstler des Pilotprojekts "fair.kiez" an der Warschauer Straße in Friedrichshain im Einsatz.
© dpa / Jörg Carstensen

Partylärm in Berlin: Pantomine in Kreuzberg - bringt das was?

Seit Wochen laufen die Schauspieler abends durch die Partymeilen und wollen spielerisch für Ruhe sorgen. Kurz vor Schluss wird's mal Zeit für eine erste Bilanz.

Ein typisches Berlin-Wochenende: Seit Freitag läuft das Bergmannstraßenfest in Kreuzberg, Neukölln feiert an 30 Orten „48 Stunden Neukölln“, und auf der angesagten Partymeile rund um Schlesisches Tor, Warschauer und Revaler Straße tummeln sich die Touristen und Nachtschwärmer sowieso. Zwischen Lärm, Remmidemmi und mehr als angeheiterten Gestalten ziehen weißgekleidete und -geschminkte Menschen durch die Straßen, betrachten mit schmerzverzerrter Mimik einen festgetretenen Kaugummi auf der Straße und versuchen mit Fingerzeig auf Passanten den „Täter“ zu ermitteln. Seit Mai streifen Pantomimen durch den Szenekiez und gestikulieren gegen Lärm und Dreck. Mit Erfolg?

Die Reaktionen wechseln zwischen Sarkasmus und Begeisterung

Organisiert wurden die Pantomimen über die Clubcommission, der rund 150 Clubs und Partyveranstalter angehören. Sie sollen Passanten mit eindeutiger Gestik und Mimik sensibilisieren, nachts nicht laut gröhlend durch die Straßen zu ziehen, Abfall nicht achtlos auf den Boden zu werfen und sich nicht mit voller Blase in den Hauseingängen erleichtern. Das Projekt mit 25 Künstlern läuft noch bis Ende Juli, im August wird ausgewertet. Lutz Leichsenring, Pressesprecher der Clubcommission, verweist auf positive Beispiele mit Pantomimen gegen Straßenlärm in Barcelona oder Paris. Das Projekt wird vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der Tourismusgesellschaft Visit Berlin und dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga mitgetragen. Der zuständige Wirtschaftsstadtrat Peter Beckers (SPD) sagt, die Reaktionen in Berlin auf die pantomimischen Darstellungen wechseln zwischen „purer Ironie und Sarkasmus bis hin zu Begeisterung“. Beckers will das nächtliche Schauspiel auf der Friedrichshain-Kreuzberger Partymeile auch als „ Teil eines ganzen Straußes von Maßnahmen“ verstanden wissen.

Bürgermeisterin fordert ein "stadtverträgliches Tourismuskonzept"

Laut Leichsenring hat das Planungsbüro „coopolis“ in einer Studie Analysen und Vergleiche von 37 Aktivitäten in 21 europäischen Großstädten erstellt. Darunter waren Plakatkampagnen, elektronische Dezibel-Anzeigen oder Mediatoren. Die Gesamtkosten für Studie und Projekt belaufen sich auf 120.000 Euro. 60.000 Euro werden mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) finanziert. Die andere Hälfte wird von Visit Berlin, Dehoga, Clubcommission und Bezirk getragen. Die Pantomimen sind laut Leichsenring freitags und sonnabends ab 21 Uhr bis 2 oder 3 Uhr nachts unterwegs und kommen auf einen Stundenlohn von etwa 20 Euro. Die Pantomimen in Berlin sollen weder Polizei noch Ordnungsamt ersetzen. Charmant und freundlich sollen sie gegen lärmende Partygänger und Vermüllung vorgehen.

Die Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) will mehr Aktivitäten als die Pantomime, die sie ein wenig süffisant als „süß“ bezeichnet. „Wir brauchen ein Konzept für einen stadtverträglichen Tourismus“, sagt Herrmann, „und das gerade für die Partymeile.“ Herrmann hatte schon vergangenes Jahr ihren Ärger wegen mangelnder Initiative von Seiten des Landes kundgetan und forderte einen „Verhaltenskodex“ für junge Partygänger.

Der Bezirk lässt schon mal XXL-Mülltonnen aufstellen

Der Bezirk wolle nun nicht mit Sanktionen auf das nächtliche Remmidemmi reagieren. Sie habe erste Gespräche mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde geführt. „Wir wollen gemeinsam neue Ideen entwickeln für ein Konzept“, sagt Herrmann. Beim Tourismus müsse man auf Qualität, nicht nur auf Quantität achten. Rund fünf Millionen Touristen pro Jahr würden in den Bezirk kommen.
Nun plant Friedrichshain-Kreuzberg gemeinsam mit BSR, zwischen Schlesischem Tor und Revaler Straße sehr große Mülleimer hinzustellen, die vom Partyvolk nicht mehr übersehen werden können. Und damit nicht mehr in Hauseingänge gepinkelt wird, sollen auf der Partymeile mobile Toiletten aufgestellt werden – mit kostenloser Benutzung.

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