Band von Jonas Poppe: Oum Shatt - Orient und Surfersound in Prenzlauer Berg
Jonas Poppe, Sohn der DDR-Bürgerrechtler Gerd und Ulrike Poppe, will Pop und Politik nicht vermischen. Mit der Band Oum Shatt mixt er dafür orientalische Harmonien und Surfersound.
Jonas Poppe nimmt eine Parisienne aus dem Softpack, zündet sie lässig an, Rauch steigt auf. Man fühlt sich direkt wie in einem französischen Arthouse-Film. Graue Stoffhose, weißes Shirt, darüber eine schwarze Jacke, den Kragen leicht hochgestellt, eine braune Locke fällt ihm immer wieder in die Stirn. „Wenn ich Filmmusik machen würde, käme ich in eine Art Zwiespalt“, sagt Poppe. „Weil ich dem Regisseur raten würde, die meiste Musik rauszunehmen.“
Jonas Poppe, 36, macht zwar keine Filmmusik, mit seiner Band Oum Shatt allerdings schreibt er Songs, die mit szenischen Texten und Platz für Atmosphäre seine Liebe zum Film andeuten lassen. Rauchend sitzt er nun also so unverschämt lässig im „Café Butter“ in Prenzlauer Berg. Poppe, in Ost-Berlin geboren, ist seit vielen Jahren in der Musikszene aktiv: Erst mit seinen Bands Sitcom Warriors und Kissogram, immer wieder als DJ und nun seit circa vier Jahren mit Oum Shatt. Einem Band-Kollektiv, in dem er gemeinsam mit seinen Kollegen Chris Imler, Jörg Wolschina und Richard Murphy orientalische Harmonien mit Surfersound verbindet, hochgelobt als Sound, den man so noch nicht gehört hat. Im Mai kam das gleichnamige Debütalbum raus, seit ein paar Wochen sind sie auf Tour, am 9. Oktober in der Kantine am Berghain.
Kaputtes Ostberlin
Prenzlauer Berg ist sein Kiez, hier ist er aufgewachsen, es hat ihn nie weggezogen. „Das kaputte Ost-Berlin der 90er – das hat mich als junger Tunichtgut sehr geprägt“, sagt Poppe. „Früher konnte man in Berlin noch zu angemessenen Konditionen wohnen, ohne Jobs machen zu müssen, die man nicht machen wollte.“ Und immer noch sei „gepflegtes Slackertum“, wie er es nennt, in Berlin eher akzeptiert als in anderen Metropolen. Akzeptiertes Schluffisein könnte man sagen. Dabei gilt das doch für ihn gar nicht, so aktiv wie er in den vergangenen Jahren war – musikalisch, nicht politisch.
Als Kind der DDR-Bürgerrechtler Gerd und Ulrike Poppe war Politik allgegenwärtig im Elternhaus. „Manchmal auch zum Leidwesen von uns Kindern“, sagt er und lacht. „Die Atmosphäre war ständig politisiert, zu Kindergeburtstagen ist gern mal über die Situation in der DDR gesprochen worden“, erinnert er sich. „Aber gerade damals war es natürlich besonders wichtig, darüber zu sprechen.“
Damals politisch gewesen zu sein, sei etwas anderes als heute: „Was politische Freiheiten angeht, geht es Deutschen heute verhältnismäßig gut; das birgt allerdings auch die Gefahr der Trägheit“, sagt Poppe. „Die Flüchtlingsfrage ist vor allem auch eine moralische und nicht nur pragmatische, verwaltungstechnische Frage. Nur hat Moral einen negativen Beigeschmack, vielleicht brauchen wir hier ein neues Wort.“
Mit seiner Band will Poppe erst mal nicht explizit politisch zu sein: „Ich finde es manchmal gefährlich, Pop und Politik zu sehr zu mischen“, sagt er. „Gerade Realpolitik ist ja oft sehr unästhetisch.“ Die Kunst tue gut daran, sich ab und an davon zu befreien: „Pop lebt unter anderem von guten Slogans, Realpolitik wird durch Slogans meist banalisiert“, sagt Poppe. Mit Oum Shatt wolle er in keine Fahrwasser geraten: „Persönlich positioniere ich mich, aber nicht unbedingt mit der Band. Ich würde nicht für Parteien auftreten.“ Dass das Debütalbum von Oum Shatt unpolitisch ist, habe außerdem persönliche Gründe: „Ich wollte ein paar Love-Songs schreiben“, sagt Poppe.
„Pop und Politik lieber nicht mischen – in den zwölf Songs des Debütalbums von Oum Shatt mischen die Bandmitglieder dafür verschiedene Stile mühelos. Hier treffen türkische Harmonien auf entspannten Surfersound – ohne dabei die Grenze zur Weltmusik zu überschreiten: „Es ist ein ständiger Prozess, Klischees zu vermeiden oder sie eben zu ironisieren“, sagt Poppe. „Ich sehe das alles nicht so bierernst.“
Anadolu-Psychedelic Rock
Zu orientalischer Musik kam Poppe vor zehn Jahren; da entdeckte er die griechische Rembetiko-Musik, einen Musikstil der zwanziger und dreißiger Jahre, der aus der Verbindung griechischer und osmanischer Volksmusik hervorging. Seit diesem Fund sei die Begeisterung für arabische Harmonien, türkischem Anadolu-Psychedelic Rock und deren Vertreter da gewesen. Baris Manco oder Cem Karaca zum Beispiel. „Klar ist das eine Art von Eskapismus“, sagt er. „Weil mir die allgegenwärtige, immer zugängliche und überbordende Musik zu viel wurde.“ Er habe nach neuen Formen gesucht.
Der Bandname – eine Anlehnung an die ägyptische Sängerin Umm Kulthum und einen Wüstenort der Halbinsel Sinai – sei auch der Versuch, den Sound eines Schlagzeuges lautmalerisch darzustellen.
Was die Situation in der Türkei angeht, wirkt er persönlich bewegt und wird ernst: „Ich habe entfernte Bekannte in der Türkei, Künstler, die sind sehr verunsichert.“ Mit seiner alten Band Kissogram war Poppe vor fünf Jahren in Istanbul auf Tour: „Schon damals habe ich Menschen kennengelernt, die die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben darüber, was Erdogan da veranstaltet.“ Der Bezirk Beyoglu, ein Viertel in Istanbul, das für seine Kunstszene, Livemusik und Bars beliebt ist, sei so ein Beispiel dafür, sagten ihm seine Bekannten. „Ich sehe jetzt nicht die Gefahr, dass es so wird, wie in manchen arabischen Ländern, wo Musik ja schon fast verboten ist“, sagt Poppe. „Aber langsam geht es in eine ungemütliche Richtung.“
Selbst war Poppe übrigens noch nie in einem arabischsprachigen Land, es steht definitiv auf seiner Liste. Und nach Istanbul? „Unbedingt, so bald wie möglich wieder“, sagt er und drückt die Zigarette aus. Langsam kommt die Sonne aus den grauen Wolken und scheint auf die Bänke des Cafés. „Jetzt erst recht.“ Da will Poppe dann bald persönlich mit Oum Shatt auf der Bühne stehen. So viel Politik muss sein.
Am 9. Oktober spielt Oum Shatt in der Kantine am Berghain, Am Wriezener Bahnhof, Friedrichshain. Eintritt 13,90 €. Weitere Infos: www.facebook.com/OumShatt
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