Oberste Datenschützerin kritisiert Lernraum Berlin: Online-Lernplattform für Schüler hat ein Sicherheitsproblem
Berlins oberste Datenschützerin fordert Nachbesserungen bei der landeseigenen Online-Lernplattform für Schüler. Doch die Bildungsverwaltung ist untätig.
Was, wenn die Zahl der Corona-Infektionen wieder steigt und Schulen geschlossen werden müssen – einzeln oder sogar allesamt? Für die Bildungsverwaltung ist die Sache klar: Mit dem „Lernraum Berlin“ werde allen Schulen ein kostenfreies Lernmanagementsystem zur Verfügung gestellt und so die digitale Über- und Vermittlung von Lerninhalten ermöglicht, selbst wenn niemand im Klassenraum sitzt. Das erklärte sie jüngst auf Anfrage des AfD-Abgeordneten Tommy Tabor.
Jedoch: Ohne weiteres einsetzbar ist die Online-Lernplattform aus Sicht der Berliner Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk nicht. Wegen zahlreicher Hinweise auf Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wollte Smoltczyk die Lernplattform schon im Februar daraufhin überprüfen.
Damals hatte sie die Bildungsverwaltung, die den „Lernraum“ in Eigenregie entwickelt hat und betreibt, gebeten, die dafür notwendigen Informationen zu übermitteln. Ende Mai monierte Smoltczyk dann, diese noch immer nicht erhalten zu haben. Sie müsse deshalb davon ausgehen, dass der Lernraum Berlin nicht DSGVO-konform betrieben werde.“
Viel geändert hat sich daran ihrer Darstellung zufolge bis heute nicht. Zwar habe die Bildungsverwaltung auf erneute Nachfrage hin Mitte Juni geantwortet.
Allerdings erhielt das Schreiben im Wesentlichen die Bitte, die Frist zur Bereitstellung von Unterlagen „bis nach Ende den Sommerferien zu verlängern“. „Wichtige obligatorische Unterlagen“ würden bis heute fehlen, erklärte Smoltczyk. Die bislang von der Bildungsverwaltung vorgelegten Dokumente seien für eine Prüfung längst nicht ausreichend und ungeeignet, Zweifel an der Plattform auszuräumen.
Erhebliche Mängel bezüglich der Löschung von Daten
Diese wiederum sind groß. Smoltczyk geht weiter davon aus, dass der Lernraum „derzeit nicht entsprechend der Vorgaben der DSGVO betrieben“ wird. Darüber hinaus würden die wenigen vorliegenden Unterlagen „auf zum Teil erhebliche Mängel bezüglich der Löschung von Daten im Zusammenhang mit dem Lernraum“ hinweisen.
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Hinzu kommt, dass Smoltczyk zuletzt von der Nutzung der in den Lernraum eingebundenen Videokonferenzlösung „Webex“ abgeraten hatte. Sie kritisierte, von der Senatsverwaltung nicht vorab in das Vorhaben eingebunden worden zu sein.
Ein vernichtendes Zeugnis für die Bildungsverwaltung, die beim Lernraum Berlin schon länger mit Smoltczyk über Kreuz liegt. Schließlich startete die Entwicklung der Plattform bereits 2004 – lange bevor sich andere Länder auf den Weg zum digitalen Lernen machten.
Ausreichend Zeit zur Kooperation wäre also gewesen. Sprecherin Iris Brennberger erklärte dazu: „Mit der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit steht die Senatsverwaltung in direktem Kontakt. Die Anforderungen an den Lernraum Berlin werden konkretisiert, Dokumente wurden bereits bereitgestellt und weitere sind zusätzlich noch in der Erstellung.“ Die aufgezeigten Probleme würden untersucht und „entsprechende Lösungskonzepte werden erstellt.“
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Unklar bleibt, warum das erstens so lange dauerte und zweitens nicht die Sommerferien – also die benutzungsfreie Zeit für den Lernraum – zu Anpassungen genutzt werden. Smoltczyk zufolge hatte ihre Behörde „ausdrücklich darauf hingewiesen“, dass die Ferienzeit besonders für Änderungen im Sinne des Datenschutzes geeignet sei, weil „zu dieser Zeit Beeinträchtigungen für die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte vermieden werden können.“
Die Chance blieb ungenutzt und es passt ins Bild, dass das pädagogische Team hinter dem Lernraum Berlin Tagesspiegel-Informationen zufolge erst Ende Mai über das Prüfverfahren informiert wurde. Während Brennberger erklärt, „die Mitarbeitenden im Lernraum müssen nicht sofort informiert werden, wenn ein Prüfverfahren eingeleitet wird“, ist intern von einem „Kommunikationsdesaster“ die Rede. Lösungen lägen längst vor, das Team sei offen für „Diskussionen“. Wichtig sei aber auch, neben dem Datenschutz die pädagogischen Aspekte des Lernraums nicht aus den Augen zu verlieren.
120.000 Accounts und 25.000 aktive Nutzer
Trotz alledem läuft es mit dem Lernraum Berlin scheinbar besser als mit dem Rest der Digitalisierung an Berliner Schulen. Im Juni 2020 gab es laut Bildungsverwaltung etwa 120.000 Accounts im Lernraum Berlin. Täglich gebe es etwa 25.000 aktive Nutzer. Das ist zwar nur ein Bruchteil der etwas 400.000 Schüler und Lehrer in der Stadt, dennoch stieg die Zahl der Lernraum-Profile mit Ausbruch der Corona-Krise im März rapide an.
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Ganz anders als die Zahl abgerufener Mittel aus dem Digitalpakt-Schule. Mehr als 250 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt stehen dem Land Berlin zu, um den Anschluss der Schulen an das Breitband-Netz oder die Einrichtung von W-Lan in den Gebäuden voranzutreiben. Einer dem Tagesspiegel vorliegenden Auflistung zufolge wurden bislang 4,05 Millionen Euro abgerufen (Stand 10. Juli).
Im Bezirk Neukölln wurden bislang überhaupt keine Mittel abgerufen. Dirk Stettner, bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, erklärte dazu: „Leider versagt die rote Bildungspolitik sogar beim Bundesgeld ausgeben vollständig.“
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