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Neuer Glanz. Rechtzeitig zum 70. Jubiläum wurde der Delphi Filmpalast runderneuert.
©  promo/Daniel Horn

70 Jahre Delphi Filmpalast: Ohne Unterhose im Kalten Krieg

Billy Wilders „Eins, Zwei, Drei“ war im Delphi ein Riesenerfolg. Jetzt feiert das Kino in der Kantstraße damit seinen 70. Geburtstag.

Seit sich die Filmindustrie vom leicht entzündlichen Zelluloid als Rohstoff für ihre Streifen verabschiedet hat, sind Kinoabende eigentlich keine feuergefährlichen Veranstaltungen mehr. Wenn zur Premiere allerdings Fackeln eingesetzt werden...

Das war im Herbst 1963, im Delphi Filmpalast an der Kantstraße 12 a: Für den Start des monumentalen Sandalenfilms „Cleopatra“ hatte sich Kinobesitzer Walter Jonigkeit etwas Besonderes ausgedacht. Warum müssen Studenten immer nur Weihnachtsmänner spielen? Jonigkeit steckte sie als eine Art Miet-Römer in Lederwämse und ließ sie abends vor seinem Kino mit lodernden Fackeln Spalier stehen. Leider fing dabei ein Baum Feuer, ein Löschzug musste anrücken. Aber egal: Was für eine tolle Reklame, so schwärmte Jonigkeit noch Jahrzehnte später von seinem Geniestreich.

Bei dem Feuerspektakel war das Kino noch keine 15 Jahre alt, erst 1949 war es auferstanden aus Ruinen, im wahrsten Sinne des Wortes. Bombenkrieg und Straßenkampf hatten dem alten Tanzpalast aus den Zwanzigern böse zugesetzt, und es musste wohl schon ein schlauer Kinofuchs wie Jonigkeit kommen, um das darniederliegende Baujuwel der kultivierten Unterhaltung wieder aufzupäppeln. Erfahrung hatte er ja schon genug, sein erstes Kino, kurz „Kamera“ genannt, wurde bereits 1932 Unter den Linden eröffnet, gegenüber dem heutigen Café Einstein. Sein simpler Reklametrick: Nach der Vorstellung die abgerissenen Eintrittskarten sammeln und in der S-Bahn auf die Sitze legen: „Die Kamera – das Haus des guten Films“ – das hat gewirkt.

Der Trick mit dem "River Kwai"-Marsch

Ebenso wie die kleine Bestechungskampagne, mit der er 1958 die damals in den Tanzlokalen der Stadt noch üblichen Kapellen dazu bewegte, den „River Kwai“-Marsch zu spielen. Der war als „Colonel Bogey March“ seit dem Ersten Weltkrieg bekannt, wurde aber dank David Leans Kriegsfilm „Die Brücke am Kwai“, dort gepfiffen von den im Felde besiegten, doch ungebrochenen Briten, plötzlich zum Ohrwurm: Allein in Deutschland 13 Wochen auf Platz 1 der Hitparade. Neben den Oscars, mit denen der Film überschüttet worden war, ein weiterer Anreiz, ins Kino zu gehen. Und Jonigkeit hatte mit seiner Tanzkapellenkorruption Erfolg: Der Film lief in seinem Kino – und in keinem anderen in Berlin – ganze 41 Wochen lang.

Verspäteter Erfolg. Ganze 43 Wochen lief Billy Wilders "Eins, Zwei, Drei" (mit Horst Buchholz als strammer Jungkommunist Otto Ludwig Piffl) Mitte der achtziger Jahre im Delphi Filmpalast.
Verspäteter Erfolg. Ganze 43 Wochen lief Billy Wilders "Eins, Zwei, Drei" (mit Horst Buchholz als strammer Jungkommunist Otto Ludwig Piffl) Mitte der achtziger Jahre im Delphi Filmpalast.
© imago images / United Archives

Es gehört viel Anekdotenhaftes zur Geschichte des Delphi, die nun schon 70 Jahre währt. Ein Jubiläum, das an diesem Sonntag mit einer Doppelvorführung von Billy Wilders Komödie „Eins, Zwei, Drei“ gefeiert wird (um 12.30 Uhr digital in der US-Originalversion, um 15 Uhr in der deutschen Fassung als 35-mm-Kopie). Weitgehend kurz vor dem Mauerbau 1961 gedreht, war der Film damals ein Flop. Die Kommunisten tragen nicht mal Unterhosen? „Kein Wunder, wenn sie den Kalten Krieg gewinnen“ – über solche Späße mochte damals niemand lachen. Als der Film 1985 im Delphi wiederaufgeführt wurde, dafür um so mehr Menschen: 43 Wochen lief „Eins, Zwei, Drei“ vor vollem Saal. Da hatte das Haus schon einige Hochs und Tiefs hinter sich. Seine Geschichte begann mit dem nicht mehr ganz taufrischen Film „Lord Nelsons letzte Liebe“ mit Vivien Leigh und Laurence Olivier, 1941 in Großbritannien gedreht, aber mit einer Toptechnik und auf Berlins größter Leinwand in einem prachtvoll wiederhergestellten Haus vorgeführt. Und allein die Platzanweiserinnen und die Pagen! Die einen zentimetergenau gleich groß, die anderen gleich klein, und der Türsteher ein Zwei-Meter-Riese. 1169 Plätze waren zu füllen, das klappte anfangs recht gut, und drei Jahre nach dem Start war das Delphi sogar Festivalkino der zweiten Berlinale.

In den Siebzigern hätte man das Kino fast abgerissen

1972 drohte allerdings das Ende: Der Mietvertrag lief aus und der Bezirk Charlottenburg, nun Besitzer des Hauses, dachte an Abriss, wie ja ohnehin damals viele Altbausubstanz dran glauben musste. Zu diesem Kinotod kam es zum Glück doch nicht, auch das Fernsehen vermochte dem Delphi nur zu schaden, nicht, es zu vernichten. Jonigkeit half sich mit teilweise recht freizügigen Filmen, holte sich schließlich den Kinobetreiber Georg Kloster vom Yorck-Kino und den Filmproduzenten Claus Boje als Partner ins Boot und mit ihnen wieder anspruchsvolle Filme auf die Leinwand.

Ursprünglich war der Delphi Filmpalast ein Tanzlokal.
Ursprünglich war der Delphi Filmpalast ein Tanzlokal.
© Promo/Jan Bitter

Den 60. Geburtstag seines Kinos hatte Jonigkeit noch erlebt, am 25. Dezember 2009 starb er im Alter von 102 Jahren. Heute ist das Delphi Teil der Yorck-Kinokette, seit 1981 wieder Berlinale-Kino, Spielstätte der Forum-Sektion. In der filmfestfreien Zeit steht es für anspruchvolles Arthouse-Kino, samt gelegentlichem Premierenglamour - wie erst am Dienstagabend bei "Lara", mit Corinna Harfouch in der Titelrolle. Bei Bedarf sind im Delphi sogar noch 70-mm-Kopien abspielbar, nach solchen Kinos muss man in Deutschland mittlerweile lange suchen. Und seit zwei Jahren gibt es sogar einen Ableger: das Delphi Lux.

Das Delphi selbst wurde rechtzeitig zu seinem 70. Geburtstag runderneuert, mit komplett ausgetauschter Bestuhlung, bei der die Zahl der Sitze zugunsten der Beinfreiheit von 780 auf 670 Plätze verringert wurde. Es gibt eine neue Wandbespannung im Saal, einen neuen roten Vorhang und zuletzt ein im historischen Stil wiederhergestelltes Foyer. Für Billy Wilders Ost-West-Spaß der ideale Rahmen, wenn auch Filmfigur Otto Ludwig Piffl, Jungkommunist aus Ost-Berlin, dargestellt vom jugendlich forschen Horst Buchholz, über so viel Pracht wohl nur gelästert hätte: „Kapitalismus ist wie ein toter Hering im Mondschein! Er glänzt, aber er stinkt!“

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