Berlin: Kleine Täuschungsmanöver
Das Brandenburger Tor ließ er in München bauen: Ost-Berlin gab Billy Wilder keine Drehgenehmigung Manchmal brauchte er die Stadt als Kulisse – dann wurden die Aufnahmen später in den Film einmontiert
Ein unruhiger Flug, die DC-3 schwankt in den Wolken. Die Kongressabgeordneten, entsandt, die Moral der US-Truppen in Berlin zu prüfen, hängen gebannt an den Fenstern, unter ihnen eine Ruinenwüste. „Als ob Ratten an einem alten Roquefort genagt hätten“, sagt einer – schon hastet der Vorsitzende der Delegation, unpässlich seit dem Start, würgend zur Toilette.
Der erste Berliner Drehort Billy Wilders als Regisseur: der Himmel, im Spätsommer 1945. Als US-Colonel war er zurückgekehrt, um beim Neuaufbau des deutschen Films mitzuhelfen. Samt Kameramann unternahm Wilder einen Flug über die Stadt, drei Jahre später verwendete er die Aufnahmen in der Eingangsszene zu „Eine auswärtige Affäre“, seiner Dreiecksgeschichte um Liebe, Schuld und Schwarzmarkt, mit einem Hallodri in US-Uniform (John Lund), dessen unzureichend entnazifizierter Freundin (Marlene Dietrich) und einer sittenstrengen Abgeordneten aus Iowa (Jean Arthur).
Die Idee zu „A Foreign Affair“ – so der Originaltitel – hatte Wilder bereits 1945, doch erst im August 1947 begann er in Berlin mit den Dreharbeiten. Die Dietrich, alles andere als eine Nazifreundin, konnte er zu ihrer Rolle erst nach dem Ende der bis September dauernden Außenaufnahmen überreden. Eine altes Foto zeigt das Filmteam auf dem Kurfürstendamm, die Gedächtniskirche im Hintergrund. Die dort entstandenen Aufnahmen wurden wie die vom Brandenburger Tor, von der Siegessäule, dem Sowjetischen Ehrenmal und dem Zoobunker mittels Hintergrundprojektion in den Film einmontiert, Schauspieler brauchte Wilder in Berlin nicht. Doch auch die Studioaufnahmen in Hollywood erreichten erstaunliche Authentizität. Das fiktive Nachtlokal „Lorelei“ treffe „das Leben in der ,Femina‘ mit photographischer Treue“, wurde in der „Filmwoche“ geschwärmt. Dieses Zentrum des Fraternisierens zwischen GIs und „Frauleins“ hatte Wilder 1945 kennengelernt. In einem ersten Entwurf des Films berichtet er von Begegnungen mit „Drei-Zigaretten-Hürchen in der Femina-Bar“. Sie lag in der Nürnberger Straße in Schöneberg, dort, wo sich heute das Hotel Ellington befindet, in dem ein Femina-Saal an die alte Vergnügungsstätte erinnert.
Als Autor hatte Wilder damals schon Erfahrung mit dem Drehort Berlin – etwa 1930 mit „Menschen am Sonntag“ oder der ersten Verfilmung von „Emil und die Detektive“. So dürfte er in der Nähe gewesen sein, als Erich Kästner im Juli 1931 auf der Terrasse seines geliebten Café Josty an der heutigen Bundesallee/Ecke Trautenaustraße saß und eine Begegnung hatte, die „ein bisschen unheimlich“ war. „Am Nebentisch saß ein Kerl im steifen Hut. Die Ohren standen ihm ab. Er fraß wie ein Scheunendrescher. Mitunter blickte er sich scheu um. War das nicht Herr Grundeis, der vor zwei Jahren meinen kleinen Emil bestohlen hatte?“ Es war der Schauspieler Fritz Rasp. Kästner war in die Verfilmung des eigenen Romans geraten.
Auch für Wilder sollten sich Fiktion und Wirklichkeit mischen: 1961 bei „Eins, zwei, drei“. Politisch-geografischer Mittelpunkt der Komödie war das Brandenburger Tor, Aufnahmen zeigen die Vorbereitung von Horst Buchholz’ legendärer Motorradfahrt von West- nach Ost-Berlin, am Auspuff den Ballon mit der Parole „Russki go home“. Nur auf der Westseite konnte gedreht werden, die Genehmigung für den Pariser Platz hatte die Volkspolizei widerrufen. So musste Wilder das Tor in München nachbauen. Kurz danach wurde es ohnehin geschlossen.
Wenngleich Mauer und Tor das Schicksal des Films bestimmten und er so erst in den achtziger Jahren ein Erfolg wurde – wichtigster Handlungsort war doch die „Coca-Cola Erfrischungsgetränke GmbH Niederlassung Berlin-Lichterfelde“ in der Hildburghauser Straße 224–232, wie dort noch immer in verwitterten Lettern steht. Seine Intrigen spann James Cagney alias C. R. MacNamara von einem im Studio nachgebauten Büro aus, doch drei Tage lang war auch die reale Verwaltungszentrale Drehort. Heute ist sie heruntergekommen, verlassen seit 1992, die Wege zugewuchert, die Fassaden beschmiert. Hollywood, hier? Kaum vorstellbar.
Die nächsten Folgen:
Die wilden Fünfziger: Fr., 3. August
Der Kalte Krieg: Di., 7. August
Badetag: Fr., 10. August
Wendezeit: Di., 14. August
Kulisse Berlin: Fr., 17. August
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