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Besonders die Weihnachtseinkäufe können im Advent für Stress sorgen.
© Tim Brakemeier

Tipps für entspannte Weihnachtszeit in Berlin: O du stressige – wie Sie im Advent gelassen bleiben

Jetzt beginnt die turbulente Weihnachtszeit, Geschenkkäufe und Familientreffen stehen an. Wie es anders gehen kann.

Bis zum Totensonntag ließ es sich mit etwas Aufwand noch verdrängen. Aber jetzt ist es nicht mehr zu leugnen: Weihnachten naht und löst bei nicht wenigen Menschen Beklemmungen oder gar Panik aus. „Jetzt geht er wieder los, der Weihnachtsstress“, sagt die 56-jährige Elfriede K. aus Schöneberg.

Jedes Jahr kommen ihre vier erwachsenen Kinder mit Partnern und Enkeln über die Feiertage zu ihr. Sie putzt, kocht, kauft ein und hofft wie jedes Jahr, dass sich alle gut verstehen, was wie jedes Jahr auch diesmal nicht eintreten wird.

Martin T. aus Neukölln findet es „ätzend“, dass sich in seiner Firma alle Gespräche nur noch um die bevorstehenden Weihnachtsfeiern drehen, auf die er so gar keine Lust habe. Aber weil er sich nicht traut, dies seinen Kollegen zu sagen, wird er wie jedes Jahr am Ende doch hingehen.

Miriam K. (34 und alleinerziehend) weiß jetzt schon, dass der Weihnachtsbesuch mit ihrer sechsjährigen Tochter bei den Eltern und Geschwistern in Süddeutschland alles andere als harmonisch werden wird. „Wie jedes Jahr werden sie meine Geschenke abgehoben finden und ich ihre spießig, ganz abgesehen von den endlosen Fragen, ob ich nicht doch vielleicht einen Partner haben sollte...“

Was die Weihnachts- und damit natürlich auch die Vorweihnachtszeit für viele Menschen so stressig macht, sind die riesigen Erwartungshaltungen, die damit verbunden sind, sagt Bastian Roet vom Berufsverband Deutscher Soziologen. Der Berliner hält wenig von gut gemeinten praktischen Ratschlägen wie die Geschenke schon im August zu kaufen oder die halbwüchsigen Kinder beim Plätzchenbacken oder Weihnachtsbaumschmücken mit einzubeziehen.

Unerfüllbare Vorstellungen vom Fest

„Das Kernproblem besteht doch nicht darin, dass wir ein wenig mehr Arbeit haben“, sagt er. „Vielmehr wissen wir aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre, dass wir die hochgesteckten Erwartungen auch mit dem besten Willen der Welt nicht erfüllen können: Weihnachten soll ein Fest der Familie sein, friedlich, harmonisch, mit viel Zeit für Gemeinsames und Individuelles.

Aber die Beziehungen der Menschen, die da für einige Zeit zusammenkommen, weil sie zu einer Familie gehören, sind nunmal nicht nur harmonisch. Es sind verschiedene Persönlichkeiten, sie haben unterschiedliche Interessen und Standpunkte, was eigentlich ganz normal ist.“

Auch das von der Werbung so verlockend dargestellte Geschenke-Aussuchen nahezu allein in leeren Geschäften, wo freundliche Verkäufer einen in aller Ruhe beraten, ist spätestens ab dem ersten Weihnachts-Einkaufs-Wochenende reine Illusion, sagt Roet.

Aber Filme, Bücher, Lieder schüren Vorstellungen vom Fest, die kaum jemand erfüllen kann.

Rebellion gegen Weihnachtsidylle

Auch der Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité in Mitte, Andreas Heinz, sieht die Ursache für den Weihnachtsstress, den jeder Mensch allerdings anders empfinde, in den überzogenen Erwartungshaltungen. Ein neues Phänomen sei dies freilich nicht: „Schon in meiner Kindheit musste Weihnachten alles perfekt laufen. Als Jugendliche haben wir in den 70er Jahren dagegen rebelliert. Wir wollten diese Idylle nicht. Unsere Kinder wiederum sehen das, glaube ich, wieder etwas entspannter.“

Heinz ist skeptisch, was einfache Ratschläge angeht. „Natürlich kann man vorher vereinbaren, was man sich schenkt, um Enttäuschungen zu vermeiden“, sagt er. „Aber dadurch gehen auch die Spannung und die Vorfreude verloren. Die ja irgendwie auch dazugehören.“´

Psychologen und Soziologen empfehlen daher vor allem Gelassenheit und soziale Interaktion, um den Weihnachtsstress zu minimieren. Am wichtigsten sei, sich zu Beginn der Weihnachtszeit klarzumachen, was man selbst von dieser Zeit erwartet und was man anderen in dieser Zeit geben möchte, sagt Bastian Roet.

Ehrlichkeit bewahrt vor Frust

Danach sollte man herausfinden, ob das mit den Interessen jener übereinstimmt, mit denen man das Fest verbringt: „Ich würde Euch gern am ersten Feiertag zum Essen einladen, habe aber keine Lust, selbst zu kochen. Könntet Ihr Euch vorstellen, dass wir gemeinsam essen gehen?“ Bei unterschiedlichen Auffassungen, sollte man nach einem Kompromiss suchen, der allen gerecht wird.

Auch wenn es schwerfällt – Ehrlichkeit vor dem Fest erspart viel Frust dabei oder danach: Also beispielsweise klar kommunizieren, dass man es gut fände, wenn die hochprozentigen Sachen am Heiligen Abend nicht getrunken werden, weil das mit Sicherheit im Streit endet. Wichtig ist auch, sich klarzumachen, dass jetzt noch Geschenke zu kaufen selten Spaß macht. Gegebenenfalls also online bestellen oder sich über Alternativen zu materiellen Gaben Gedanken machen. Zumal heute eigentlich fast jeder hat, was er braucht. Da es beim Fest auch darum geht, zu zeigen, dass man an den anderen denkt und ihm Zeit widmet, ist es nicht verkehrt, einfach mal dessen Partner zu fragen, wenn man sich beim Geschenk nicht sicher ist.

In jeder Familie gibt es einen schrulligen Onkel

Hilfreich ist auch, sich nicht vom vermeintlichen Stress anderer anstecken zu lassen. Der diene manchem nur dazu, in der Öffentlichkeit kundzutun, wie toll er sich doch um seine Eltern kümmert oder was für ein verantwortungsvoller Familienmensch ist. Gelassenheit ist immer gut. In jeder Familie gibt es einen schrulligen Onkel oder eine geschwätzige Tante. Weihnachten kann man trainieren, die Menschen so anzunehmen, wie sie sind. Und zu akzeptieren, dass es Dinge gibt, die uns mit ihnen verbinden und Dinge, die uns von ihnen unterscheiden.

Wer Probleme mit dem Alleinsein hat, sollte am besten ein Netzwerk suchen, wo er selbst auch etwas tun kann, sagt Andreas Heinz: „So kann man beispielsweise bei der Tafel ganz unkompliziert helfen und wird dort auch gerade an den Festtagen oft gebraucht.“ Bei sehr festgefahrenen Ritualen muss manchmal der Knopf einfach auf Reset gestellt werden.

Elfriede K. könnte also durchaus zwei Monate vor dem nächsten Weihnachtsfest verkünden, dass es dieses Jahr anderswo stattfinden muss, weil sie sich nach der überstandenen Krankheit im Dezember eine Kur oder einen Urlaub mit der besten Freundin gönnt.

Gegen den oft unnötigen eigenen Stress hilft letztlich auch, einmal an jene zu denken, für die das bevorstehende Weihnachten wirklich zum Kraftakt wird, wie der Kabarettist Torsten Sträter all jenen, die jetzt schon keine Lust auf Weihnachten haben, kürzlich bei „Nuhr im Ersten“ riet. An jene beispielsweise, die gerade einen lieben Menschen verloren haben, wie die Familien Walter Freiwalds und Fritz von Weizsäckers. „Das können wir uns bei allem Stress und Kokolores auch mal ins Gedächtnis rufen“, sagte Sträter. „Oma Beate ist anstrengend. Und Onkel Jürgen ist ein Idiot. Zweifellos. Aber sie sind da.“

Sandra Dassler

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