Berlins Liegenschaftspolitik: Nußbaums großer Grundstücksdeal
Finanzsenator Ulrich Nußbaum will künftig regelmäßig prüfen, ob Behörden landeseigene Gebäude noch brauchen – oder ob sie gewinnbringend verkauft werden können. Die Bezirke befürchten, dass damit stadtentwicklungsrelevante Entscheidungen über ihren Kopf hinweg entschieden werden.
Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos; für SPD) will die Verfügungsgewalt von Bezirken und Ämtern über deren selbst genutzte Grundstücke beschneiden, damit der Liegenschaftsfonds schneller auf landeseigene Flächen zugreifen und diese verkaufen kann. Dazu plant Nußbaum ein von seiner Verwaltung geführtes machtvolles Supergremium: den „Portfolioausschuss“. Dem mit weit reichenden Kompetenzen ausgestatteten Gremium sollen Bezirke, Senatsverwaltungen sowie Behörden wie Polizei oder Feuerwehr alle fünf Jahre bis ins Detail Rechenschaft über die Nutzung ihrer Immobilien geben – und bei geringer Auslastung Ämter oder Schulen gegebenenfalls schließen, damit durch den Verkauf der Gebäude Geld in die Landeskasse fließt.
Das 13 Seiten starke Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, ist Nußbaums Vorschlag für die seit langem angekündigte neue Liegenschaftspolitik. Sie soll dazu beitragen, das im rot-schwarzen Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel zu erreichen, neue Wohnungen zu moderaten Mieten zu bauen. „Wir gehen davon aus, dass die Mitzeichnungen der Stadtentwicklungs- und der Wirtschaftsverwaltungen bald vorliegen und der Senat gemeinsam das Liegenschaftskonzept beschließen kann“, sagte Nußbaums Sprecherin Kathrin Bierwirth. Es gehe um den Verkauf von Flächen, die für die Stadt unrentabel seien. Senatssprecher Richard Meng sagte: „Diese Senatsvorlage ist in Vorbereitung, da gibt es keinen großen Streit“. Die Ressorts seien dabei, „eine gemeinsame Haltung zu formulieren.“
Aus dem Haus von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) heißt es dagegen, dass es keinen neuen Stand gebe. Mehrere Senatsverwaltungen sollen ihre Mitzeichnung des Konzeptes abgelehnt und auf Korrekturen gedrängt haben. Auch innerhalb der SPD gibt es noch Abstimmungsbedarf, in der Fraktion und in der Partei. Nun rechnet man mit einem entsprechend veränderten Konzept.
Unruhe löste der vorliegende Entwurf am Mittwoch auch im Rat der Bezirksbürgermeister aus. Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, wertet die Machtfülle des geplanten Supergremiums als Eingriff in die bezirkliche Selbstverwaltung: Denn allein der „Portfolioausschuss entscheidet“ nach Nußbaums Konzept abschließend darüber, ob der Bezirk oder die Behörde „den Nachweis des aktuellen oder künftigen Bedarfs“ erbracht hat – und ob ein Schul- oder Amtsgebäude „wirtschaftlich voll und flächenoptimiert ausgenutzt“ wird. Diese Entscheidung des Supergremiums soll dann auch „von den (im Verfahren) beteiligten Verwaltungen verbindlich anerkannt werden“. Die Bezirke fürchten, dass damit letztlich die Mitglieder des Portfolioausschusses darüber entscheiden, ob ein Gebäude des Landes oder des Bezirks geschlossen wird.
Direktvergabe nur, wenn sie sich für das Land auszahlt
Allerdings „bietet der Finanzsenator auch an, für den Wohnungsbau Grundstücke kostenlos direkt an die städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu vergeben“, hieß es in der Finanzverwaltung weiter. Auch bei Grundstücksvergaben an private Baugenossenschaften sei eine Direktvergabe möglich. Dieser Vorschlag könnte die Gespräche beleben. Denn davon steht in dem Konzept noch nichts. Und dies wäre ein Schritt, um den Koalitionsvertrag von Rot-Schwarz mit Leben zu erfüllen: Demnach sollen landeseigene Flächen zu einem günstigen Preis direkt vergeben werden dürfen, um Wohnungsbau zu fördern oder auch kulturelle Projekte (etwa im Fall des „Holzmarkts“ im Mediaspree-Gebiet) sowie die Ansiedlung von Firmen.
Nußbaum schlägt ferner eine Methode vor, um die Höhe der „Subvention“ bei solchen Direktvergaben zu ermitteln. Grob gesagt besteht die Subvention aus der Differenz des Erlöses aus einer Direktvergabe zum tatsächlichen Wert des Grundstückes. Dieser ist für Nußbaum der Betrag, der bei einer Vergabe durch einen freien Wettstreit aller Bieter erzielt werden könnte.
Legitim ist eine Direktvergabe für die Finanzverwaltung dann, wenn der Käufer ein „Äquivalent“ für den Preiserlass bieten würde: etwa mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze, durch Investitionen, die sich durch Umsätze und Steuern für das Land auszahlen. In Senatskreisen ist zu hören, dass damit eine nachvollziehbare Grenze gezogen werden soll, damit das Land nicht bei jedem Wunsch aus Bezirken und Senatsverwaltungen auf Geld verzichten muss. Nußbaums Kriterien sollen „Direktvergaben unter Potenzialwert“ klar regeln.