Die Berlin-Bewerbung: Nur buntes Licht reicht nicht für Olympia!
Der Fernsehturm strahlt, die BVG plakatiert, die IHK trommelt: Mit ordentlich Glitzer wollen die Stadtvermarkter das Feuer der Olympialeidenschaft entzünden. Stattdessen müssten sie Sorgen begegnen – und Bürger früher beteiligen. Ein Kommentar.
Alles so schön bunt hier. In diesen Tagen leuchtet also der Fernsehturm – mal grün, mal rot, mal magenta. Echt hübsch! Die Touristen freuen sich – tolles Fotomotiv. Tausendfach fotografieren sie die Leuchtschriftbotschaft: „Wir wollen die Spiele“. Die soll eigentlich den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) erreichen, der im März darüber entscheidet, ob sich Berlin oder Konkurrent Hamburg für die Austragung von Olympia 2024 bewerben kann. Berlin erhält den Zuschlag für eine offizielle Kandidatur nur dann, wenn „wir“ die Spiele auch wirklich wollen.
Während Hamburg seit Monaten die Bevölkerung auf Olympia einstimmt, sind die Berliner Organisatoren erst vor zwei Wochen aufgewacht und haben ihre Kampagne gestartet. Viel Zeit bleibt nicht: Die Stimmung in der Bevölkerung wird vom DOSB in der letzten Februarwoche mittels Forsa-Umfrage erforscht. Unseren Olympiakämpfern scheint die Zeit davor zu knapp, auf Argumente zu setzen. Stattdessen gilt die Devise: Wenn wir alle nur oft genug lesen, dass wir die Spiele wollen, wollen wir sie auch. Und dann glaubt das auch der mächtige Sportbund.
Deswegen färben die Berlin-Werber also den Fernsehturm ein, das Brandenburger Tor, das Olympiastadion, lassen die BVG auf Plakaten Frauen vor den Karren (respektive einen Bus) spannen, IHK-Leute in Jogginghosen in die Luft springen oder Kinder mit den olympischen Ringen posieren. Alles versehen mit dem Mantra „Wir wollen die Spiele!“. Mit so naheliegenden Begründungen wie „... weil wir das Sommermärchen erfunden haben“ oder „... weil Berlin jede Hürde nehmen kann“. Weißte Bescheid!
Meint irgendjemand im Senat, bei den Berlin-Werbern oder bei den Kampagnen-Organisatoren, nur mit ordentlich viel Leuchtmitteln und tausenden Plakaten mit dem immer gleichen Motto könnte so etwas wie eine Olympiastimmung in dieser Stadt entstehen? Während eine verbindliche Bürgerbefragung erst für September angedacht ist?
Dass Werbung allein nicht mehr zieht, haben die Erfahrungen mit Volksentscheiden gezeigt
Beleuchtung statt Beteiligung – das ist eine Strategie aus dem letzten Jahrtausend! Dass Werbung allein nicht mehr zieht, müssten die Fürsprecher eigentlich wissen. Nicht zuletzt nach den letzten Erfahrungen mit Volksentscheiden, etwa zur Zukunft des Tempelhofer Felds. Da zeigte sich bereits: Selbst wenn die Stadt noch so zugekleistert ist und die Kritiker oder Projektgegner bei der Materialschlacht nicht ansatzweise mithalten können: Wir, die Bürger, nicken nicht einfach ab. Im Gegenteil: Wenn die mit dem Zugang zu Macht und Infrastruktur beim Marketing die Muskeln spielen lassen, weckt das heute eher den Widerspruchsgeist.
Daneben ist das Ganze auch noch halbherzig: Mal im Ernst – eine Kampagne, die nicht einmal Chefsache des neuen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller ist, sondern für die gerade einmal sein Senatskanzleichef bürgt, soll mich überzeugen? Und die Mehrheit der Berliner? Wenn schon das Stadtoberhaupt sich der Sache nicht mit Haut und Haaren zu verschreiben traut, warum sollten wir das tun? Oder erkennen Sie ein Gesicht in der Stadt, das mit Enthusiasmus für die Olympia-Bewerbung eintritt?
Aber woher sollte der auch kommen? Berlin wird profitieren, sagen unsere Olympia-Planer und hantieren dabei selbstverständlich mit Finanzkonzepten. Klar steht dort unter dem Strich ein positives Ergebnis. Das wundert mich nicht. Aber glauben Sie, dass auch nur eine Zahl, die heute genannt wird, 2024 Bestand haben wird? Bei einem Projekt, das zu diesem jetzigen Zeitpunkt erst vage geplant sein kann?
Ich brauche nur ganz dezent auf die Skandalprojekte BND-Zentrale, Staatsoper und natürlich unsere grandiose Airportruine zu verweisen – bei denen Finanzrahmen und Zeitpläne immer wieder korrigiert wurden. Derartige Baustellen, mit denen die Politiker nicht fertig werden, hat die Stadt zuhauf. Eine davon ist das monströse ICC, das im vergangenen Jahr in den Tiefschlaf versetzt wurde, aus dem es vielleicht niemals mehr aufgeweckt wird. Dort prangt jetzt das größte Olympiabanner, 48 Meter breit: „Wir wollen die Spiele“. Passt irgendwie – oder?
Dieser Text erschien in der Rant-Rubrik auf den Mehr-Berlin-Seiten des gedruckten Tagesspiegels.
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