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Martin Hikel wurde von der Neuköllner SPD als Giffey-Nachfolger nominiert.
© imago/photothek/SPD Berlin
Update

Nachfolger von Franziska Giffey: Neuköllner SPD nominiert Martin Hikel als Bezirksbürgermeister

Der Berliner Bezirk Neukölln wird vermutlich bald von einem 31-jährigen Mathelehrer regiert. Der kündigt an, Franziska Giffeys "pragmatischen und problemorientierten Kurs" fortzusetzen.

Die Neuköllner SPD hat den Weg frei gemacht für einen Nachfolger von Franziska Giffey an der Spitze des Bezirksamtes. Der Kreisparteiverband hat den Fraktionsvorsitzenden der SPD in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Martin Hikel, am Donnerstag einstimmig für das Amt des Bezirksbürgermeisters nominiert. Das teilte die Neuköllner SPD am Freitag mit.

Damit könnten die Bezirksverordneten  auf ihrer Sitzung am Mittwoch, 21. März, über den Wahlvorschlag abstimmen. Hikel soll Franziska Giffey nachfolgen, die in dieser Woche Familienministerin in der großen Koalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geworden ist.

Hikel kündigte nach seiner Nominierung an, den „pragmatischen und problemorientierten Kurs“ fortzusetzen, für den die SPD 2016 gewählt und der von Giffey verkörpert worden sei. „Wir setzen in Neukölln auf eine Politik der reichenden und unterstützenden Hand, die auch klare Stoppsignale sendet“, sagte er.

Wichtigster politischer Schwerpunkt in Neukölln bleibe die Bildung. Der Bildungserfolg dürfte nicht von der sozialen Herkunft abhängig sein. „Deshalb müssen die besten Schulen in die härtesten Kieze“, sagte Hikel. Zugleich kündigte er klare Kante in der Integrationspolitik an. Wer sich „gegen unser friedliches Miteinander stellt, kann nicht mit unserer Unterstützung rechnen“, sagte der SPD-Politiker. „Klare Grenzen müssen hier gezogen werden.“ Dabei helfe die enge Zusammenarbeit zwischen Justiz, Polizei, Ordnungs- und Gewerbeamt.

Müllsheriff für "Ordnungsbewusstsein"

Daneben will er die Anti-Müll-Strategie fortsetzen und mithilfe von Müllsheriffs ein „Ordnungsbewusstsein für unsere Stadt“ durchsetzen. Angesichts steigender Einwohnerzahlen warnte Hikel vor einem Verkehrschaos in der Stadt und forderte eine Verlängerung der U7.

Giffey, die noch SPD-Kreisvorsitzende ist, sagte Hikel ihre Unterstützung zu. Er mache seit sieben Jahren Bezirkspolitik in Neukölln. Sie sei fest davon überzeugt, dass Hikel ein guter Bezirksbürgermeister werde.

Und doch fragen sich viele: Martin wer? Die meisten werden ihn nicht kennen, den höchstwahrscheinlich nächsten Bürgermeister von Neukölln, den wahrscheinlich auch höchsten, denn der Mann misst 2,08 Meter. Hikel ist Mathelehrer in Zehlendorf, engagiert bei den Jusos und in der Neuköllner SPD, und er tritt wahrlich kein leichtes Erbe an.

Denn es geht um Neukölln. Halb Problembezirk, halb Hipsterkiez, vor allem im Norden, kleinbürgerlich geordnet in den südlichen Ortsteilen wie Britz, Buckow und Rudow. Bundesweit bekannt geworden durch Langzeitbürgermeister und Klartext-Redner Heinz Buschkowsky. Berüchtigt durch Kriminalität, Bildungsferne, Integrationsprobleme, weniger bekannt für seine lieblicheren Ecken. 330.000 Einwohner auf 44 Quadratkilometern Fläche. Neukölln soll jetzt von einem 31-jährigen Mathelehrer regiert werden.

Selbstironisch und lustig

Allzu staatstragend kommt er auf seiner privaten Facebook-Seite nicht daher, er ist durchaus selbstironisch und lustig, sein letzter Eintrag ist allerdings vom vorletzten Sommer. Die offizielle Facebook-Seite des Kandidaten ist aktueller, hier geht es um Politik in Neukölln, außerdem twittert Hikel.

Sein Erbe ist nicht nur schwer, weil Neukölln viele Probleme hat, sondern weil die bisherige Bürgermeisterin Franziska Giffey, Buschkowskys politisches Ziehkind, sehr schnell einen eigenen Stil entwickelt hat und damit ungeheuer beliebt geworden ist. Die 39-Jährige hat ein einnehmendes Wesen und jede Menge Charme, hinter denen sich enorme Durchsetzungskraft verbirgt.

Folgerichtig rückt sie ins neue Kabinett auf und wird Bundesfamilienministerin. Sie kennt sich mit Verwaltung und Europa bestens aus, und sie hinterlässt einen vergleichsweise gut laufenden Bezirk, von dem noch nicht zu lesen war, dass irgendein Amt tagelang schließen musste, um Rückstände abzuarbeiten.

"Noch bin ich nur ein Kandidat"

Wie wird Hikel klarkommen? Er erbt ein Riesenportfolio mit, unter anderem Finanzen, Wirtschaft, Personal, Ordnung, Bauen und hat keine Verwaltungserfahrung. Das werten viele als Manko. Am Montagnachmittag meldet er sich, nach der Schule. Er ist erst mal vorsichtig. „Noch bin ich nur ein Kandidat“, sagt er, und dass er sich noch nicht so prominent äußern wolle. Ein paar Statements könne er aber schon abgeben.

Grundsätzlich verfolge er die Linie von Franziska Giffey weiter, sagt Hikel. Genau deshalb sei Franziska Giffey und sei die SPD ja von den Bürgern gewählt worden, und dann müssten die Bürger auch bekommen, was sie gewählt haben. „Ihre Linie ist es, auf Menschen zuzugehen und das Recht durchzusetzen, um die Schwächeren zu schützen“, sagt er. „Das ist auch meine Linie.“

Allerdings scheint sich genau in dieser Begründung bereits ein etwas anderes Weltbild anzudeuten. Giffey machte nicht den Eindruck, sie setze das Recht durch, „um die Schwächeren zu schützen“, sondern weil sie sich als Spitze einer Exekutiven ansah und das Exekutieren, also Umsetzen von Recht und Gesetz, als ihre Aufgabe. Manche im Bezirk verbinden mit Hikel einen Linksruck.

Hikel befürwortet Schwerpunkteinsätze

Hikel befürwortet ebenfalls die unter Giffey gestarteten gemeinsamen Schwerpunkteinsätze von Ordnungsamt, Polizei, Zoll, Staatsanwalt vor Ort, ebenso die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und des Drogenhandels, denn: „Es ist falsch, sich an anderen zu bereichern oder sie in Abhängigkeit zu bringen.“ Hikel legt außerdem Wert darauf, die Durchsetzung von Recht und Gesetz „nicht nur auf einer Seite zu sehen“, sprich: Auch gegen den Terror von rechts müsse vorgegangen werden.

Die CDU beäugt den Neuen durchaus interessiert. Gelingt es ihm, Kurs zu halten, oder kommt die große Chance der CDU, doch noch den Bürgermeister zu stellen? Vizebürgermeister Falko Liecke (CDU) hat sich jedenfalls schon öfter als Law-and-Order-Mann profiliert, und es ist kein Geheimnis, dass er den Job als Bezirksbürgermeister gerne übernähme.

„Herr Hikel wird viel Kraft aufwenden müssen, um in die Themen reinzukommen“, sagt Liecke. Das wisse er aus eigener Erfahrung. „Ich erwarte von ihm eine klare Haltung zur Bekämpfung der Drogenkriminalität, der kriminellen Clans und der organisierten Kriminalität, aller Formen von Extremismus, und dass er auch radikale Moscheen wie die Al-Nur-Moschee im Auge behält.“ Das, sagt Hikel, habe er vor.

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