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In Lichtenberg und Neukölln muss der Berliner besonders lange auf einen Arzttermin warten.
© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Gesundheitspolitik in Berlin: Neukölln und Lichtenberg wollen eigene Praxen - Kolat stimmt zu

Gesundheitssenatorin Dilek Kolat begrüßt die Idee aus den beiden Bezirken, Ärztemangel durch eigene Praxen zu bekämpfen.

Im Senat, unter Ärzten und Krankenkassen-Experten wird seit der Offensive aus Lichtenberg und Neukölln rege debattiert. Am Montag hatten die zwei Bezirksämter eine Idee vorgestellt: Eigene Praxen – also von den Bezirken betrieben – sollen Senioren, Kindern, Dauerkranken helfen, die in ärmeren Kiezen wochenlang auf Termine warten. „Der neue Vorstand wird sich die Verteilung genau anschauen“, sagte eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) am Dienstag. „Aber wir müssen uns an Bundesrichtlinien halten – und auch die Krankenkassen reden mit.“

Der KV müssen alle niedergelassenen Mediziner angehören, die gesetzlich Versicherte versorgen. Weil die KV nach Bundesrichtlinien die Stadt als ein Versorgungsgebiet einstuft, können die Ärzte weitgehend frei entscheiden, wo sie sich niederlassen. Das hat dazu geführt, dass auf 100 000 Neuköllner nicht mal sechs niedergelassene Orthopäden kommen, auf ebenso viele Lichtenberger knapp sieben Orthopäden – auf 100 000 Bewohner in Charlottenburg-Wilmersdorf jedoch 14 Orthopäden.

Senat unterstützt kommunale Versorgungszentren

Der Neuköllner Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) und der Lichtenberger Bürgermeister Michael Grunst (Linke) hatten angeregt, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen. Damit sind – grob vereinfacht – Polikliniken gemeint, also Praxen, die sich in einem Haus zusammenschließen und weitere Ärzte anstellen. Wenn diese MVZ den Bezirken gehörten, könnten sie auch besser auf den Bedarf reagieren.

„Eine bessere ambulante Versorgung, die Mitwirkung der Bezirke im gemeinsamen Landesgremium und die Einrichtung kommunaler MVZ stehen als Ziel bereits in der Koalitionsvereinbarung“, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD). Sie begrüßt die Initiative aus Lichtenberg und Neukölln.

Die Richtlinien werden vom Bund gemacht

Noch entscheidet letztlich der Gemeinsame Bundesausschuss, der sogenannte G-BA, über die Richtlinien, nach denen Praxen angesiedelt werden. Mitglied in dem mächtigen Gremium sind Vertreter der Kassenärzte, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Versicherungen. Der GB-A hatte 2013 die Richtlinien modifiziert, seitdem spielen demografische Faktoren – etwa Alter und Armut – eine Rolle. Nur so konnte der frühere Gesundheitssenator mit der KV vereinbaren, dass Praxen lediglich aus wohlhabenden Vierteln in ärmere Kieze ziehen dürfen – und nicht umgekehrt. Zudem gibt es in Berlin ein von Kolat erwähntes Landesgremium aus Akteuren des Gesundheitswesens, das bei der Verteilung berät. Liecke und Grunst werden demnächst mit der KV und Kolat sprechen.

Ärztekammer: Zentralisierung ist keine Lösung.

Mehr Ärzte in arme Kieze, das möchte auch Günther Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer. Er sehe aber nicht in den Versorgungszentren die Lösung. „Bislang ist die Effizienz der freien Arztpraxis unübertroffen“, sagte Jonitz. „Gerade mit Blick auf die hohe Motivation und persönliche Verantwortlichkeit.“ Es sei aber richtig, dass in Lichtenberg und Neukölln mehr Praxen gebraucht würden. „Das Problem ist die Bedarfsberechnung, sie ist willkürlich und überholt.“ Der Kammer gehören alle Ärzte, auch in den Kliniken, an.

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