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Die Praxen sind ungleich in der Stadt verteilt. Die Bezirke Lichtenberg und Neukölln wollen eigene Medizinische Versorgungszentren einrichten.
© imago/Hake

Streit um Ärzte in Berlin: Lichtenberg und Neukölln wollen eigene Arztpraxen

Weil es an Medizinern in Berlin mangelt, kündigen Lichtenberg und Neukölln an, die Versorgung selbst zu steuern. Das Sagen hat die Kassenärztliche Vereinigung.

Als Falko Liecke am Montag im Lichtenberger Ratssaal das Wort ergreift, ist das ungewöhnlich. Liecke ist CDU-Mann und Gesundheitsstadtrat in Neukölln – kündigte aber zusammen mit den Lichtenberger Linken an, die medizinische Versorgung in Berlin reformieren, einige würden sagen: revolutionieren zu wollen. Liecke, der Lichtenberger Bürgermeister Michael Grunst (Linke) und die Gesundheitsstadträtin Katrin Framke erklärten: Die Bezirke sollten eigene Praxen betreiben. Hausärzte als kommunale Angestellte? Sind niedergelassene Ärzte nicht selbstständige Freiberufler? Brauchen die Bezirke überhaupt mehr Praxen?

"Da bleibt nur die berüchtigte Fünf-Minuten-Medizin"

Berlin ist besser mit Ärzten versorgt als viele andere Bundesländer. Doch die Praxen sind ungleich in der Stadt verteilt. Je ärmer ein Bezirk, desto weniger Ärzte. Zudem wächst Berlin. In Lichtenberg und Neukölln herrscht außerhalb der Kliniken zuweilen fachärztlicher Notstand. Unterversorgung wird in der Branche durch die statistische Marke von 75 Prozent angezeigt: Demnach liegt der Versorgungsgrad bei Frauenärzten in Neukölln bei 60 Prozent, der von Psychotherapeuten in Lichtenberg bei 82 Prozent. Und selbst in Fällen, wonach ein Kiez als ausreichend versorgt gilt, berichten Mediziner anderes. Im Ratssaal sitzt am Montag auch Steffen Lüder. Der Kinderarzt praktiziert am Prerower Platz, ein Hochhausviertel am Stadtrand: „Letzten Montag kamen in sechseinhalb Stunden 82 Kinder in die Praxis. Da bleibt kaum mehr als die berüchtigte Fünf-Minuten-Medizin.“

Immer wieder Streit um Ärzte - nicht alle Berliner Kieze haben genug Praxen.
Immer wieder Streit um Ärzte - nicht alle Berliner Kieze haben genug Praxen.
© Tsp

Die Versorgung allein der Branche zu überlassen, hat offenbar zu fehlenden Fachärzten, weiten Wegen für Senioren, langem Warten auf Termine geführt. Das Problem ist bekannt – schon der frühere Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) hatte deshalb mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) verhandelt. Der öffentlich-rechtlichen KV müssen alle rund 9000 in Berlin niedergelassenen Mediziner angehören, sie verteilt Praxiszulassungen nach Rücksprache mit den Krankenkassen. Der Staat darf da nur ausnahmsweise reinreden.

"Die Bezirke sollten beim Bedarf an Praxen mitreden"

Czaja einigte sich mit der KV darauf, dass Praxen nur in Bezirke umziehen dürfen, die schlechter versorgt sind. Seitdem wurden rund 200 Praxen verlegt – offenbar reicht das nicht. „Mit kommunalen Ärztezentren können wir besser reagieren“, sagte Liecke. „Ich denke vor allem an Kinderärzte.“ In Neukölln gebe es derzeit 24 Kinderärzte, fünf mehr wären wohl nötig. Die Lichtenberger Gesundheitsstadträtin Framke sagte: „Wir wissen am besten, wo Praxen gebraucht werden.“ Und ihr Bezirksbürgermeister Grunst forderte generell mehr Mitsprache der Bezirke: „Bei der Genehmigung der Klinikbetten wird der Bedarf in den Bezirken berücksichtigt – warum nicht bei den Praxen?“

Die drei Politiker favorisieren für die kommunalen Praxen die Rechtsform des Medizinischen Versorgungszentrums, MVZ genannt. Diese MVZs sollten dem Bezirk gehören, unterlägen also anders als private Praxen den Weisungen der Stadträte. Vorher müsste der KV-Zulassungsausschuss ihnen die Arztsitze genehmigen. Weil junge Mediziner zunehmend eine Anstellung der Selbstständigkeit vorziehen, gehen Kenner davon aus, dass viele tatsächlich für die Bezirke arbeiten wollen. Der KV-Vorstand äußerte sich auf Anfrage nicht dazu.

Liecke zufolge ist gerade am Klinikum Neukölln ein MVZ nötig, fast 90 Prozent der Patienten aus der Rettungsstelle sind dort keine Notfälle – sondern bräuchten schlicht eine Praxis. Framke sagte, ein eigenes MVZ müsste zuerst nach Nord-Hohenschönhausen. Anlass der Forderungen ist eine Studie des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung im Auftrag der beiden Bezirksämter. Für Präventionsberatung und Hygienekontrollen bleiben unabhängig davon die Gesundheitsämter zuständig.

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