zum Hauptinhalt
Vor allem auf dem Land gibt es zu wenige niedergelassene Ärzte.
© dpa

Rezept gegen Ärztemangel: Rechtsgutachten: Landarztquote ist möglich

Wer sich verpflichtet, später mal als Landarzt zu arbeiten, bekommt leichter einen Medizinstudienplatz. Rechtsgutachter haben dieses Rezept gegen den Ärztemangel in strukturschwachen Regionen jetzt durchgewunken. Doch die Politik ziert sich.

Die Idee geistert schon eine Weile durch die Gesundheitspolitik, als ihr Vater gilt ein gewisser Philipp Rösler. Um dem besorgniserregenden Medizinermangel in strukturschwachen Regionen zu begegnen, empfahl der damalige Gesundheitsminister den Universitäten eine „Landarztquote“. Wer sich verpflichtet, eine Zeit lang in der unterversorgten Provinz zu arbeiten, bekäme demnach bevorzugt einen Studienplatz.

Dass das Röslersche Rezept wieder in der Versenkung verschwand, lag unter anderem an verfassungsrechtlichen Bedenken. Doch die scheinen nun ausgeräumt. In einem vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegebenen Gutachten kommen die Rechtswissenschaftler Mario Martini und Jan Ziekow aus Speyer zu dem Schluss, dass sich eine solches „Zuteilungsregime“ durchaus „verfassungskonform ausgestalten“ ließe - wie der Informationsdienst "Tagesspiegel Politikmonitoring" dokumentiert.

Wer zur Bundeswehr will, bekommt jetzt schon leichter einen Studienplatz

Schon jetzt biete das Hochschulrecht ja bei der Verpflichtung auf einen späteren Einsatz bei der Bundeswehr oder im öffentlichen Gesundheitsdienst die Möglichkeit eines privilegierten Zugangs zum Medizinstudium. Dem Bund stehe es zu, diese Praxis auf künftige Ärzte in unterversorgten Regionen zu erweitern, so die Gutachter. Jedoch müssten auch andere Bewerber weiterhin eine „realistische Chance“ auf ein Medizinstudium haben, ihre Wartezeit müsse „zumutbar“ bleiben. Und: Die Verpflichtungserklärung dürfe „kein Tauschgeschäft für unzureichende fachliche Eignung sein“.

Damit ist die politische Debatte wieder eröffnet. Die Landarztquote sei „verfassungsrechtlich nicht angreifbar“, jubelt die CSU-Gesundheitspolitikerin Emmi Zeulner. Nun sollte die Politik die Landarztquote„zeitnah umsetzen“, drängt die Abgeordnete. Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung auf dem Land müsse „endlich aktiv und vorausschauend angegangen werden“.

Unterstützung kommt von den Bildungspolitikern ihrer Partei. Das Gutachten sei „im Ergebnis eindeutig“, freut sich der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Albert Rupprecht. Und aus der Sicht der zuständigen Berichterstatterin Katrin Albsteiger geht es nun nur noch darum, „konkrete Vorschläge zur Einführung einer Quote zu entwickeln“.

Späterer Rückzieher soll bis zu 150.000 Euro Strafe kosten

Verfassungskonform sei die Sache aber nur, wenn die bevorzugten Studenten später tatsächlich mal in unterversorgten Gebieten arbeiteten, mahnen die Gutachter. Wer sein Versprechen breche, müsse also sanktioniert werden. Für rechtlich bedenkenlos halten die Rechtswissenschaftler hierfür Vertragsstrafen von bis zu 150.000 Euro sowie „eine acht- bis zehnjährige Bindung der Nachwuchsärzte“. Gleichzeitig müsse man ihnen aber auch ein Wahlrecht einräumen, „in welchem von mehreren als unterversorgt festgestellten Gebieten sie sich niederlassen wollen“.

Bei alledem lassen Martini und Ziekow keinen Zweifel, dass sie eine Landarztquote für die wirkungsvollste Art der Problemlösung halten. „Grundrechtlich weniger einschneidende“ Maßnahmen wie Vergütungsanreize und Stipendien, die Anwerbung ausländischer Mediziner, mehr Studienplätze oder auch ein Pflichtjahr in ländlichen Gebieten seien „weniger effektiv“, schreiben sie.

Funktionäre warnen vor Ärzten zweiter Klasse

Das Dumme ist nur: Die Ärztefunktionäre halten von der Idee herzlich wenig. Eine derartige Quote berge „zumindest in der Wahrnehmung Dritter – die Gefahr eines Arztes zweiter Klasse“, warnt der Hartmannbund. Vor der Aufnahme des Studiums könne doch keiner „sicher wissen, für welche Fachrichtung und Lebensplanung er sich nach Erhalt der Approbation entscheiden möchte“, heißt es bei der Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund. Die Festlegung erfolge zu einem Zeitpunkt, an dem Studienbewerber „das breite Spektrum ärztlicher Tätigkeiten eigentlich noch kaum aus eigener Erfahrung kennen“ könnten, warnt der Verband der Deutschen Hochschulmedizin.

Entsprechend skeptisch geben sich die Gesundheitsexperten der Koalition. Sie wolle, „dass sich junge Leute aus Überzeugung und mit Herzblut für den Einsatz im ländlichen Raum entscheiden“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Maria Michalk (CDU), dem Tagesspiegel. Man müsse die jungen Menschen in Uni-Fakultäten und Praxiseinrichtungen für den Landarztjob begeistern, fordert sie. „Das ist in jedem Fall besser als wenn Studenten möglicherweise aus rein finanziellen Erwägungen Verpflichtungen eingehen.“

Außerdem: "Wer zwangsweise vielleicht fünf Jahre an eine Region gebunden wird, bleibt nicht automatisch für immer dort." Nötig seien auch bessere Rahmenbedingungen, etwa bei Wohnumfeld, Infrastruktur oder Kinderbetreuung

Lauterbach: Junge Menschen nicht zum Lügen verleiten

„Nicht überzeugt“ ist auch Karl Lauterbach (SPD). Festlegungen auf derart lange Zeit seien nicht sehr verlässlich – zumal angehende Medizinstudenten bei ihrer Verpflichtung „noch gar keine Ahnung“ vom Arztberuf hätten. Außerdem dürfe man keinen durch die erhöhte Chance auf einen Studienplatz zum Lügen verleiten, warnt er.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hält sich ebenfalls bedeckt. Die Meinungsbildung dazu sei noch nicht abgeschlossen, lässt er einen Sprecher ausrichten. Klar ist nur: Bis zum Sommer will er einen „Masterplan“ fertig haben, der unter anderem eine gezieltere Auswahl von Studienplatzbewerbern und die Stärkung der Allgemeinmedizin an den Universitäten vorsieht. Darin könnte dann eine Landarztquote für Medizinstudenten enthalten sein. Oder auch nicht.

Zur Startseite