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Sanierte Wohnungen in Berlin sind teuer - in der Statistik aber noch teurer als tatsächlich.
© dpa

Mieten in Berlin: Neue Zweifel am offiziellen Mietspiegel

Ein Forscher findet "eklatante Mängel" im Berliner Mietspiegel. Und stellt überraschend fest: Die Mieten sind in der Statistik tendenziell zu hoch angesetzt.

Was unterscheidet eigentlich eine Wohnung in einem stuckveredelten Mietshaus aus der Gründerzeit in guter Lage von Reinickendorf mit einer im selben Jahr errichteten Wohnung gleicher Größe und Ausstattung in ebenfalls guter Lage von Charlottenburg? Ist doch klar, die eine liegt mittenmang, die andere am Rand der Innenstadt, weshalb die eine begehrter ist als die andere. Würde man meinen. Doch der Mietspiegel kennt diesen Unterschied so jedenfalls nicht – und deshalb attackieren Grundeigentümer und nun auch der Verfasser des Münchener Mietspiegels das Berliner Instrument zur Befriedung des Wohnungsmarktes. Da die Immobilienpreise immer stärker anziehen, gerät auch der Senat unter Druck, bezahlbaren Wohnraum in der Innenstadt zu schaffen.
Goeran Kauermann heißt der Mann ist Statistikprofessor an der Uni in München und will sich keineswegs als Handlanger der Immobilienbranche missverstanden wissen. Einige von diesen zerren in Berlin seit gut einem Jahr ihre Mieter vor Gericht, wo sie teils drastische Mieterhöhungen durch Attacken auf den Mietspiegel durchsetzen wollen. „Uns fielen aber eklatante Mängel beim Berliner Mietspiegel auf“, sagt der Forscher aus München. Und diese müssten abgestellt werden, um ein wirklich unangreifbaren Mietspiegel zu erstellen.

Auch der Mieterverein findet den Ansatz falsch

Werbung für den eigenen Ansatz ist dabei. Zumal der Mann den Münchener Mietspiegel nach einer anderen Methode erstellt hat und sich in Berlin um den Mietspiegel-Auftrag bewarb – vergeblich. Einfach wegwischen lässt sich die Kritik aber auch nicht.
„Methodisch falsch“ nennt Kauermann die Ermittlung der ortsüblichen Miete. Denn der Mittelwert im Mietspiegel gebe die Durchschnittsmiete von Wohnungen mit „Sondermerkmalen“ wie Parkett oder Einbauküche ebenso an wie von Wohnungen ohne diese. Wer auf dieser Grundlage die ortsübliche Durchschnittsmiete einer konkreten Wohnung mit hochwertigem Parkett ermitteln will, erhebt dann einen entsprechenden Aufschlag für dieses Sondermerkmal. Der Fehler dabei: Der Aufschlag für die gut ausgestatteten Wohnung fließt dadurch doppelt ein in den Mietspiegel: einmal weil die gut ausgestattete Wohnung bei der Errechnung der ortsüblichen Miete berücksichtigt wird, ein zweites Mal durch den Aufschlag im konkreten Fall – ein Abschlag für Wohnungen ohne dieses Sondermerkmal bleibe hingegen aus, sagt Kauermann: „Dadurch sind die Mieten tendenziell zu hoch, besonders bei einfachen Wohnungen ohne Sondermerkmalen“.
Der Chef des Berliner Mietervereins stimmt der Kritik zu: „Ja, für die Wohnungen mit Sondermerkmalen müssten niedrigere Tabellenwerte angesetzt werden“, sagt Reiner Wild. Das werde der Mieterverein auch vorschlagen bei der Erstellung des Mietspiegels 2017. Die Umsetzung sei aber nicht ganz einfach. (Der letzte Mietspiegel von 2015 ist online abrufbar beim Land Berlin.)

Rot heißt: angespannte Preislage. Der Mietspiegel 2015 ist laut Landgericht doch gültiges Vergleichsinstrument.
Rot heißt: angespannte Preislage. Der Mietspiegel 2015 ist laut Landgericht doch gültiges Vergleichsinstrument.
© Soeren Stache/dpa

Kauermann stößt sich auch an der Einteilung von Wohnungen in der Stadt in Baujahr-Klassen, Größe, Ausstattung sowie drei Lagen (einfach, mittel, gut) und die Ermittlung der zulässigen Mieten auf Grundlage einer Tabelle mit diesen Kriterien. So unterscheide der Mietspiegel aber nicht zwischen guter City-Lage und guter Grünlage. In München sei das anders, dort unterscheide der Mietspiegel eine „Wohnlage Innen“ von einer „Wohnlage Außen“ und in jedem dieser zwei unterschiedlichen Bereiche gebe es wiederum verschiedene Lage-Bewertungen (einfach, gut, gehoben).

Bisher war der Mietspiegel aber gerichtsfest

Aber muss die City wirklich immer besser und teurer sein als – sagen wir: – Westend, Grunewald oder Dahlem? Und gibt es nicht auch Innenstadt-Lagen außerhalb des S-Bahn-Ringes, zum Beispiel in Steglitz? „Ja, Berlin ist durch die Stadtteillagen komplizierter als München“, sagt der Chef des Berliner Mietervereins Reiner Wild. Deshalb wurde in die Wohnlagenbestimmung des Berliner Mietspiegels auch ein neues Kriterium einbezogen: die „Zentrenlage“. Die Schloßstraße in Steglitz wäre eine solche, zumal deren Seitenstraßen ähnlich urban sind wie jene von Kantstraße oder Ku’damm etwa.
Diese Grundsatzkontroverse zum Mietspiegel wird Wild zufolge „seit Jahrzehnten“ geführt: Hamburg und Berlin nutzen den Tabellenmietspiegel, München und Frankfurt den „Regressionsmietspiegel“. Bei letzterem werden die Durchschnittsmieten auf Grundlage einer größeren Anzahl von Merkmalen der Wohnungen gebildet, beim Berliner Mietspiegel dagegen gibt es eine Einteilung nach den genannten vier Grundmerkmalen und die weitere Ausstattung der Wohnungen anschließend als Zuschlag oder Abschlag herangezogen. Was besser ist – auch darüber streiten die Gelehrten.
Die Zweifel daran, dass der Berliner Mietspiegel nicht gerichtsfest sein könnte, zerstreuen sich aber nach heftigen politischen Debatten zusehends. Nach dem Erfolg eines Vermieters in erster Instanz vor dem Landgericht bei der Bekämpfung des Mietspiegels aus dem Jahr 2009 kassierten die Vermieter bei ihren Attacken auf die Mietspiegel 2013 und 2015 zuletzt Niederlagen. Tenor der Amtsgerichte in Wedding und Charlottenburg: Der Berliner Mietspiegel ist qualifiziert und kann zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden – zur Begründung von Mieterhöhungen oder eben zu deren Abwehr.

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