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Ein Radweg in Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt gilt als fahrradfreundlichste Stadt Europas.
© Norbert Michalke

Expertise aus Kopenhagen: Dänische Firma soll neue Radwege in Berlin planen

Bis Mitte der 2020er Jahre will die Firma Ramboll mit den neuen Strecken fertig sein. Geschätzte Kosten: ein bis zwei Millionen Euro pro Kilometer.

Berlin wird wie Kopenhagen? Das war bislang nur ein frommer Wunsch Berliner Radfahrer. Doch Berlin könnte zumindest ein Stück weit tatsächlich wie Kopenhagen werden. Nach Informationen des Tagesspiegels hat die dänische Firma Ramboll die Ausschreibung des Senats für sechs der geplanten Radschnellverbindungen (RSV) gewonnen.

Zwei andere Firmen teilen sich die vier restlichen Strecken, bekanntlich will Berlin zunächst zehn RSV bauen. Ramboll ist ein international tätiges Unternehmen im Bereich Ingenieur- und Planungsberatung mit 15.000 Mitarbeitern, 2000 davon im Bereich Verkehr.

„Wir haben in Kopenhagen in den letzten 40 Jahren jeden zweiten Radweg und viele Ingenieurbauwerke geplant“, sagte der Berliner Ramboll-Chefplaner Torsten Perner. Diese Erfahrung bringe man nach Berlin mit. „In Dänemark kennt uns jeder“, sagt Perner – in Berlin wird man Ramboll kennenlernen.

Teltow führt. Am weitesten ist die Nummer 6 Richtung Teltow gediehen, hier liegt die Vorzugsvariante bereits vor.
Teltow führt. Am weitesten ist die Nummer 6 Richtung Teltow gediehen, hier liegt die Vorzugsvariante bereits vor.
© Illustration: Tsp/Krohn

Die Sprecherin von Ramboll, Ulrike Boy, formuliert es so: „Wir glauben an die Kraft der Pedale. Wenn Radwege da sind, werden die Leute aufs Rad steigen.“ Es werde also die selbe Entwicklung wie in Kopenhagen geben. Dort werden bereits 43 Prozent aller Fahrten mit dem Rad erledigt, 62 Prozent der Menschen fahren mit dem Rad zur Arbeit. In Berlin sind es nur 13 Prozent aller Fahrten.

Torsten Perner hat die Zahlen alle im Kopf: Auf mehreren Straßen und Brücken sind 30.000 bis 50.000 Radfahrer pro Tag unterwegs. In Berlin werden solche Zahlen vom Autoverkehr erreicht, zum Beispiel auf der vielspurigen Bismarckstraße. Diese könnte Teil des Radschnellweges 5 werden, der West-Route. „Für 40.000 Autos brauchen wir keine vier Autospuren“, sagt Perner – eine könnte also für einen breiten Radweg entfallen und damit die Kapazität der Straße deutlich erhöhen – denn Radfahrer benötigen viel weniger Platz.

Aufgabe von Ramboll ist es jetzt, eine Vorzugsroute für die RSV zu finden, also abzuwägen, ob durch die Bismarckstraße geradelt wird oder eine ruhige Parallelstraße. Die Machbarkeitsstudien für die drei Wege nach Spandau (5, 7 und 8) sollen im Sommer dieses Jahres fertig sein.

Dazu wird vor allem der Nutzen für den Radfahrer gewertet, und zwar mit einem Punktesystem, aber auch die Kosten für Umbauten an Kreuzungen und Ampeln oder die Zahl der im Weg stehenden Bäume. 15 Planer arbeiten im Berliner Büro, sie werden unterstützt von den vielen Kollegen in Kopenhagen.

Ramboll denkt groß, typisch Kopenhagen eben. Wenn ein Kanal oder eine Bahnstrecke im Weg ist, werde die Trasse eben aufgeständert oder eine Brücke gebaut, sagt Perner. Etwa ein bis zwei größere Ingenieurbauwerke müssen wohl pro Radschnellweg gebaut werden. Die Kosten schätzt Perner deshalb auf ein bis zwei Millionen Euro pro Kilometer. Der Senat hatte zu Beginn wesentlich niedrigere Summen genannt.

Im Vergleich zu 150 Millionen pro Kilometer A100 sei es geradezu billig, heißt es bei Ramboll. Die Kosten für Radschnellwege seien in etwa sieben Jahren in Kopenhagen volkswirtschaftlich abgezahlt, durch Zeitgewinn und Umweltentlastung.

Die Hafenbrücke in Kopenhagen hat 5 Millionen Euro gekostet, gut angelegtes Geld, sagt Perner. Nicht ohne Grund reisen Stadt- und Verkehrsplaner so gerne in die dänische Hauptstadt. Die Unfallzahlen sind dort dank getrennter Radwege und weniger Autoverkehr drastisch gesunken. Und weil die Wege so gut sind, fährt in Kopenhagen kein Radfahrer auf dem Fußweg, berichtet Perner, der selbst eine Zeitlang dort gelebt hat. Dort sei die Entwicklung zur Fahrradstadt „Konsens von links bis rechts“ in der Politik.

„Mitte der 20er Jahre sind die Wege fertig“

In Berlin nicht. Ramboll rechnet mit Widerstand, ist aber optimistisch: „Die Entwicklung ist nicht mehr zurückzudrehen“, sagt der Berliner Planer, auch wenn dafür Parkplätze und Fahrspuren für Autos wegfallen. Wenn die Leute sehen, dass auf einer Parkspur pro Tag 10.000 Radfahrer fahren können, seien die Vorteile doch offensichtlich, sagt Perner.

Etwas wird es aber noch dauern. Wie berichtet, soll laut Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) im Jahr 2024 die Teltowkanalroute (6) als erste RSV fertig sein. Wie in Dänemark üblich will Ramboll „integriert“ planen, das heißt zum Beispiel, sich von Beginn an mit den Planern des Siemens-Campus zusammenzusetzen.

Bislang war nur die Rede von der Siemensbahn zur Anbindung des 600-Millionen-Euro-Projektes. Natürlich benötige der Campus auch eine leistungsfähige Radanbindung, sagt Perner. Rambolls Prognose: „Mitte der 20er Jahre sind die Wege fertig“. Berlin ist dann Kopenhagen.

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Jörn Hasselmann

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