RAW-Gelände Friedrichshain: Neue Pool-Bar: "Mediterrane Leichtigkeit" statt Techno
Das Friedrichshainer RAW-Gelände bekommt eine Pool-Location. Unterdessen hält ein Eigentümerwechsel das Areal in Atem.
Der Weg zur Oase führt vorbei an Dealern und Uringeruch, über Scherben, Müll und Schlaglöcher. Zwischen dem Club Astra und einem Getränkegroßhandel soll es sein – das nächste große Ding auf dem Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks, kurz RAW. Auch von außen sieht man zunächst kaum, dass im Inneren seit mehr als einem Jahr gewerkelt wird. Wie eh und je schmücken Graffiti und Street-Art die Backsteinmauern der Halle, ein riesiges Monster mit Dutzenden Augen und Armen starrt in Richtung Revaler Straße – rau, dreckig, typisch RAW-Gelände.
Auf der anderen Seite der Mauer nimmt eine neue Version des Gebietes Gestalt an. Da, wo bis Mitte der 90er Jahre Züge repariert wurden, erstreckt sich nun zwischen hellen Bodenplatten, Sand und makellosen Holzbohlen ein strahlend weißes Schwimmbecken, etwa 22 mal 10 Meter. Haubentaucher ist der Name des Clubs, der alles zugleich sein will: Biergarten, Eventlocation, Bar und natürlich Pool – auf mehr als 7000 Quadratmetern. Noch sind nur ein wenig Regenwasser und Dreck im Bassin, zur Eröffnung am 30. April soll aber alles fertig sein. Dann stehen unter den verbliebenen Metallstreben des abgetragenen Dachs Tische, Hängematten und Schaukeln für Gäste bereit, an den Seiten gibt es Stände für Bier, Pizza und vegane Speisen, rund um den Pool werden Liegestühle aufgestellt. Kleine Konzerte, Tango-Kurse, Yoga, sogar Whirlpool-Kino – für die vier Macher ist vieles denkbar.
Kontrastprogramm zum restlichen RAW?
„Raue Berliner Urbanität trifft auf mediterrane Leichtigkeit der 60er Jahre“ – darunter will es das Inhaber-Team, das in fast gleicher Besetzung auch hinter der mittlerweile geschlossenen Strandgut-Bar an der East Side Gallery steckte, nicht machen. Das Farbkonzept ist genau durchkomponiert, die verputzten Backsteinmauern wurden freigelegt, Bambus und Olivenbäume sollen für viel Grün sorgen – Kontrastprogramm zum Rest-RAW?
„Als wir 2011 vom damaligen Eigentümer das Angebot bekommen haben, hier was zu machen, war das Gebiet nicht unsere erste Wahl“, erzählt Jan Denecke, einer der Inhaber. Zu weit weg erschien die Spree, zu groß das Drogengeschäft vor der Haustür. Als sich die Truppe schließlich doch dafür entschied, dem Hallenkorpus mit einem Hotel neues Leben einzuhauchen, schoben Bezirk und Senat dem Vorhaben einen Riegel vor. Also kehrten die vier Männer zurück zu ihren Strandbar-Wurzeln und konzipierten den Haubentaucher. Der Eintrittspreis soll sich im gemäßigten Rahmen bewegen, mehr als fünf Euro werden die Inhaber wohl vorerst nicht nehmen. Günstiger als in den umliegenden Clubs wird es damit allemal.
Argwöhnische Blicke auf den Neuzugang
„Wir unterscheiden uns von den meisten Etablissements hier auch dadurch, dass wir ein reines Tagesgeschäft sind“, sagt Denecke. Vormittags sollen sich die Tore öffnen, die Besucher können nur bis etwa Mitternacht bleiben. „Deshalb sind wir keine Konkurrenz zu den umliegenden Clubs – am ehesten zur Neuen Heimat, aber der Kontakt ist sehr gut, man hilft sich gegenseitig“, sagt Haubentaucher-Mitinhaber Azar Moorad. Bei den Nachbarn am östlichen Ende des RAW-Geländes wird seit vergangenem Sommer ein wöchentlicher Streetfood-Markt veranstaltet, dem nicht zuletzt aufgrund recht happiger Getränkepreise oft vorgeworfen wird, ein Spielplatz für Hipster und Yuppies zu sein. Dass der alteingesessene MIKZ-Club der Neuen Heimat im vergangenen November weichen musste, erregte außerdem in der Berliner Musikszene einigen Unmut.
Der Haubentaucher hat zwar keinen Verein oder Club verdrängt, muss aber kurz vor der Eröffnung auch damit rechnen, argwöhnisch beäugt zu werden. „Es gibt hier Leute, die das nicht toll finden und Angst haben“, sagt Christoph Casper vom RAW-Kulturensemble, einem Zusammenschluss von Anwohnern und Kulturschaffenden, die sich für mehr Bürgerbeteiligung bei der Nutzung aussprechen, zum Thema Haubentaucher. „Wir wollen nicht gottgleich festlegen, wer hier gut und böse ist. Aber durch das Eintrittsgeld wird der Zugang zu der Fläche beschränkt und das ist unbefriedigend.“
Ein Gelände, viele Meinungen
Eine Kiez-Umfrage des Kulturensembles hatte Ende 2014 ergeben, dass sich die Anwohner auf dem RAW-Gelände mehr Grünflächen und Räume für Vereine, Workshops und Bandproben wünschten. Beim Haubentaucher selbst will man von Kritik bisher nichts gehört haben. Im Gegenteil: Die Nachbarn würden sich freuen, dass tagsüber etwas geboten werde. „Es ist eine Aufwertung für das ganze Gelände“, sagt Azar Moorad.
Schon seit Ende der 90er Jahre wird im Kiez über die Nutzung der Gebäude und Flächen diskutiert, seit 2007 spitzte sich die Lage zu. Damals verkaufte ein Tochterunternehmen der Bahn das gesamte Areal für 4 Millionen Euro an die Firma R.E.D. Berlin Development, die verstärkt Gastronomie und Clubs ansiedelte. Wegen eines internen Streits spaltete sie sich 2012 in die von isländischen Investoren getragene BNRE Investment und die deutsche R.E.D. auf. Zwischenzeitlich gab es Pläne, auf dem östlichen Teil und in der Mitte Wohnungen zu bauen – ein Vorhaben, das im Kiez, unter einigen Lokalpolitikern und nicht zuletzt bei den aktuellen Mietern des RAW-Geländes auf wenig Gegenliebe stieß.
Neuer RAW-Eigentümer, alte Probleme?
Nun wurde bekannt, dass die Isländer ihr Stück des Geländes – den Löwenanteil von 51000 Quadratmetern im westlichen Areal – für 20 Millionen Euro an die Göttinger Kurth Immobilien GmbH verkauft haben. Die neuen Eigentümer haben sich vor zwei Wochen kurz bei den Mietern vorgestellt. „Uns hat man gesagt, dass alles beibehalten werden und dass es im Großen und Ganzen auf dem RAW-Areal keine Änderungen geben soll“, sagt Moorad. Auf Anfrage teilt das Unternehmen mit, dass „die bisherige kulturelle Nutzung auf dem Gelände auch in Zukunft erhalten beziehungsweise ausgebaut“ werde. Auch die denkmalgeschützten Altbauten blieben bestehen.
Christoph Casper vom Kulturensemble steht dem Eigentümerwechsel skeptisch gegenüber. „Es besteht die Gefahr, dass das Areal geschliffen und weiter kommerzialisiert wird.“ Denn warum sollte die Firma das Gelände nicht in ihrem Sinne nutzen?