Berlin-Friedrichshain: Neben der O2-Arena entstehen zwei Wohntürme
Zwei Hochhäuser mit 420 Wohnungen nach Wilhelm Buschs Max und Moritz benennen? Ein launiges Projekt an der Media-Spree in Berlin tut es einfach.
Max und Moritz – wie kommt man auf diesen Namen für zwei Türme? „Das passt zu Friedrichshain und dieser etwas rebellischen Ecke der Stadt“, sagt Stephan Allner. Auch auf die Initiative „Media-Spree versenken“ spiele der Name an, „nur eben positiv“. Diesem ersten Streich könnte bald ein zweiter folgen. Den neuen Platz, der zwischen den beiden 95 und 85 Meter hohen Wohnhäusern entsteht, wollen die Investoren nach der Gegenspielerin des aufsässigen Duos benennen: „Witwe Bolte“. Sagt jedenfalls ein Mitarbeiter der Wohnkompanie, und meint es tatsächlich ernst. Das passe jedenfalls zur Gender-Quote, den der Bezirk beschlossen hat in der Sache: Bis die erreicht ist, müssen alle neuen Straßen und Plätze nach Frauen benannt werden.
Bis zu 8000 Euro kostet der Quadratmeter im Hochhaus am Spreeufer in Berlin
Weniger kiezverträglich sind die Preise: Wer den schönen Blick über Berlin „bis zur Stadtgrenze“ täglich haben will, bezahlt dafür bis zu 8000 Euro je Quadratmeter. Verkauft wird die Hälfte der 420 Wohnungen – allesamt im Moritz – die andere Hälfte wird vermietet. Mindestens neun Euro je Quadratmeter plus Nebenkosten kostet das im Monat und das ist der „subventionierte“ Preis, wie die Verantwortlichen sagen: Um Baukosten und Gewinne zu finanzieren, mietet man die oberen Etagen für 14 Euro je Quadratmeter. Wer ganz oben im Moritz wohnen will, wird erst mal vertröstet: Die Wohnungen werden vorerst nicht verkauft – mal sehen, was noch geht beim Kaufpreis.
Mode unter Hochhaus-Architekten in Berlin ist heute das frühe 20. Jahrhundert
Nie Gesehenes hat Architekt Tobias Nöfer mit seiner dennoch gefälligen Verkleidung des Stahlbetons nicht entworfen. Aber das strebte er wohl auch nicht an: Das Shell-Haus am Landwehrkanal, wo früher der „Dschungel“ an der Nürnberger Straße war oder der Ephraim-Palais beamt sein Projektor als beispielhafte Wohntürme an die Leinwand. Das frühe 20. Jahrhundert ist zurzeit Mode in der Zunft, vom Art Deco am Potsdamer Platz bis zur Neuen Sachlichkeit.
Draußen an der Mühlenstraße blitzen die Handy-Kameras schon um elf Uhr Morgens um die Wette: An der East-Side-Gallery drängen sich die Touristen. Hinter der Mauer wächst der graue Beton in die Höhe: „Living Levels“ nennt ihn der unter Stasiverdacht geratene Investor Maik Uwe Henkel, der das dementiert. Mit dem Bezirk streitet er darüber, wie viel Mauer noch weg darf, damit die Kunden ihr Auto bequem auf den früheren Todesstreifen lenken können.
Schräg gegenüber glänzt der Mercedes-Stern auf dem Dach des Bürohauses. Die schwarze Verkleidung wirkt wie der Klavierlack auf ganz günstigen technischen Geräten. Auf den Simulationen vor Baubeginn sah die „Vertriebszentrale“ des Autokonzerns freundlicher aus. Max und Moritz, die bei Wilhelm Busch gerne anecken, hat der Baumeister weiche runde Formen verordnet, sogar bei den Balkonen. Streifen aus Sandstein zwischen den Geschossen heben sich hell und freundlich von den Loggien ab. Die gebaute Wirklichkeit soll in etwa drei Jahren zu besichtigen sein.
Proteste der Iniative „Mediaspree versenken!“ gegen das Projekt sind auf dem Areal und im Netz nicht zu erkennen. Die letzten Aufrufe richteten sich gegen die Pläne von Agromex zur Schließung von Baulücken südlich der Mühlenstraße. Auch gegen den Abriss von Mauerteilen wurde erfolgreich mobilisiert. „Die Initiative hat insgesamt viel erreicht“, sagt Michael Kötter von der Anschutz-Gruppe fast schon anerkennend. Die Firma hat die O2-Arena gebaut und der „Wohnkompanie“ das 10000 Quadratmeter große Max und Moritz-Grundstück verkauft. Wohnkompanie-Chef Allner sagt: „Wir liegen in Sichtweite von Mediaspree, aber nicht im Protestgebiet“. Ganz richtig ist das zwar nicht. Andererseits liegen die Türme fernab vom umkämpften Uferstreifen und vom nächstgelegenen Wohnblock getrennt durch die Bahntrasse.
Stören können die künftigen Bewohner der 420 neuen Wohnungen, die Besucher der Restaurants, Cafés und Läden in den Erdgeschossen der aus Blöcken herauswachsenden Türmen niemanden wirklich. Eher noch könnten der eine oder andere den streunenden Touristen die Freude einer Begegnung mit echten Berlinern bereiten. Und vielleicht entsteht unter den Bögen des S-Bahn-Viadukts ein ähnlich buntes Treiben wie am Savigny-Platz. Denn auf der angrenzenden Brache steht bereits der Rohbau mit weiteren 260 neuen Mietwohnungen und ein paar hundert Meter weiter kommt noch ein neues Wohnquartier: das Postareal.