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Auf dem Videostandbild einer Überwachungskamera an der JVA Plötzensee ist am 28.12.2017 der Ausbruch von vier Inhaftierten zu sehen.
© Senatsverwaltung für Justiz Berlin/dpa

Fahndung in Berlin: Nach der Flucht aus der JVA Plötzensee: die wichtigsten Fragen und Antworten

Vier Straftäter flohen am Donnerstag aus dem Gefängnis in Plötzensee, am Freitag wurde ein weiterer Ausbruch bekannt. Was ging schief - und sind Berlins Gefängnisse unsicher?

Wie wird nach den Flüchtigen gesucht?

Ganz im Verborgenen. Eine Öffentlichkeitsfahndung wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Die vier Männer sind auch nicht als gefährlich eingestuft, sodass vor ihnen nicht gewarnt werden muss. Ziel- und Intensivfahnder des LKA haben die Suche übernommen. Es waren spektakuläre Ausbrüche von Gewalttätern in den 80er und 90er Jahren, die damals ein Anlass waren, eine solche spezielle Dienststelle bei der Polizei aufzubauen.

Am Freitag wurde zudem bekannt, dass am Donnerstagabend ein fünfter Gefangener nicht von seiner Arbeit in den offenen Vollzug zurückkehrte. Dieser sollte bis August 2018 eine nicht gezahlte Geldstrafe in der JVA Plötzensee absitzen. Auch er wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Solche „Entweichungen“ gibt es jährlich einige Dutzend, echte Fluchten nur alle paar Jahre.

Wer sind die Geflüchteten? 

Die Justiz nannte diese Details:  

W.: geboren 1979, Deutscher. In der JVA Plötzensee seit September 2017 zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe wegen Diebstahls und anschließenden Verbüßung von Freiheitsstrafen wegen Diebstahls bis September 2018.

L.: geboren 1992, Deutscher. In der JVA Plötzensee seit April 2017 zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen Diebstahls mit Waffen und zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen Diebstahls sowie einer Ersatzfreiheitsstrafe bis September 2018.

Y.: geboren 1987, Staatsangehörigkeit ungeklärt. In Plötzensee seit August 2017 zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen Wohnungseinbruchdiebstahls bis März 2018. Im Anschluss war Untersuchungshaft wegen Diebstahls mit Waffen angeordnet.

A.: geboren 1990, Staatsangehörigkeit ungeklärt. In Plötzensee seit Juli 2017 zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen schwerer Körperverletzung bis Oktober 2020.

Was ging schief bei dem Ausbruch?

Die wichtigste ungeklärte Frage ist: Wie kamen die Vier in den Heizungsraum? Dessen Tür sollte abgeschlossen sein, wie jede Tür im Gefängnis. Ob die Ausbrecher einen Schlüssel entwendeten, sich einen Nachschlüssel fertigten oder die Tür einfach offen stand, ist unklar. Ein Insider erinnerte daran, dass sich vor etwa drei Jahren Häftlinge Kopien der Anstaltsschlüssel gefertigt hatten.

Im Heizungsraum war es dann leicht, mit Vorschlaghammer und Trennschleifer den Betonpfosten zwischen den Lüftungsschlitzen zu zerstören. Hammer und Flex gehören zum Werkzeug in der Kfz-Werkstatt. Dort ist immer Lärm, das Hämmern fiel nicht auf. Und dann hatten die vier Ausbrecher Glück, dass auf der Straße kein Passant vorbei kam, als sie sich erst durch die Öffnung ins Freie zwängten und dann unter dem Zaun hindurch in die Freiheit krabbelten. Erst 40 Minuten später wurde das bemerkt.

Aus diesem aufgebrochenen Lüftungsschacht in der JVA Plötzensee entkamen am Donnerstag vier Männer.
Aus diesem aufgebrochenen Lüftungsschacht in der JVA Plötzensee entkamen am Donnerstag vier Männer.
© AFP/John MacDougall

Sind Berlins Gefängnisse also unsicher?

Nein. Sie sind in den vergangenen Jahren immer besser gesichert worden. Durch Elektronik, mehr und höhere Zäune, feinmaschige Gitter vor den Fenstern und anderes. Dennoch wird immer diese Weisheit gelten: Es gibt keinen ausbruchsicheren Strafvollzug. Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht, Routine schleicht sich ein. Plötzensee gilt als Justizvollzugsanstalt mit mittlerer Sicherheit. Tegel und Moabit sind noch besser gesichert – dort sitzen gefährliche Gewalt- und Sexualtäter sowie Terroristen.

Gibt es strukturelle Mängel?

Nein. Sonst würden ja ständig Häftlinge ausbrechen. Problematisch sind allerdings der Personalmangel und der hohe Krankenstand, aktuell ist zudem Urlaubszeit. Drei Bedienstete in der Werkstatt seien definitiv zu wenig, sagt ein Insider aus Plötzensee. Die Beamten müssen einerseits als Kfz-Mechaniker die Arbeit kontrollieren andererseits auf die Gefangenen aufpassen.

Auch die Alarmzentrale sei mit zwei Beamten für 30 Monitore unterbesetzt. Wie berichtet, bemerkten sie die Flucht auf den Bildern nicht. Bei dieser Außenkamera wird bei Bewegungen kein automatischer Alarm ausgelöst.

Muss der Justizsenator zurücktreten?

Nein. Auch wenn die CDU dies am Donnerstag forderte und es so viele Ausbrecher lange nicht mehr gab. In den elf Jahren von 2006 bis 2016 gab es nur sechs Fluchten. Was die CDU unterschlug: In der Amtszeit von ihrem Senator Thomas Heilmann verschwanden 2014 ein Mordverdächtiger und ein Betrüger aus dem hochgesicherten Moabit.

Vor Jahrzehnten sind zwei Senatoren zurückgetreten: 1976 Hermann Oxfort (CDU) nach einem spektakulären Ausbruch von vier RAF-Terroristinnen und 1978 Jürgen Baumann (FDP) nach der Befreiung des Terroristen Till Meyer mit vorgehaltener Waffe aus Moabit.

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