Diskussion um Hauptstadtportal: Müller will „direkte Zugriffsmöglichkeiten“ des Landes für berlin.de
Berlin will ab 2022 seinen Web-Auftritt selbst organisieren. IT-Experten des Landes sagten ein Treffen mit BerlinOnline-Eigner Holger Friedrich ab.
Die Frage nach einer Fortsetzung der Zusammenarbeit des Landes Berlin mit dem Unternehmen BerlinOnline sorgt für Unstimmigkeiten zwischen Senatskanzlei und IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) – doch die Zeichen stehen wohl endgültig auf Trennung.
Nachdem am Montag sowohl aus den Reihen der Senatskanzlei als auch von IT-Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD) klare Absagen an eine Fortsetzung der Kooperation über das Jahr 2021 hinaus zu vernehmen waren, äußerte sich am Dienstag auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er erklärte, der 1998 zwischen Senat und BerlinOnline für das Stadtportal „berlin.de“ geschlossene Vertrag sei gekündigt worden, weil das Land künftig „direkte Eingriffs- und Zugriffsmöglichkeiten“ wahrnehmen wolle.
Müller sprach von einer „Zukunftsentscheidung“ und betonte, die „jetzigen Diskussionen", ausgelöst durch ein Interview des neuen BerlinOnline-Mehrheitseigners Holger Friedrich, hätten dabei keine Rolle gespielt. In dessen Richtung erklärte Müller: „Irgendeine Form von Datenweitergabe war nie unserer Ansatz.“ Ziel sei es, ab 2022 „einen eigenen Auftritt“ zu organisieren.
Damit tendieren die Aussichten für BerlinOnline, nach Auslaufen des Vertrages weiter Einfluss auf das zentrale Stadt- und Dienstleistungsportal „berlin.de“ nehmen zu können, gegen null. Friedrich hatte erst im September den Berliner Verlag und damit die Zeitungstitel „Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“ sowie die Mehrheit an BerlinOnline gekauft.
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In einem Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) hatte er BerlinOnline als den „eigentlichen Schatz unseres Deals“ bezeichnet. Zugleich hatte er eine Zukunftsvision vom Umgang mit sensiblen Bürgerdaten entworfen, die bei Datenschützern, Politikern und in Verwaltungen für Entsetzen sorgte.
IT-Fachkräfte bedauern die Trennung
Ein für Montagabend vereinbartes Treffen Friedrichs mit Vertretern des ITDZ fiel am Ende den Turbulenzen des Tages zum Opfer. Unter IT-Fachkräften wird die absehbare Trennung von BerlinOnline und der damit einhergehende Verlust von IT-Kompetenz für das Land Berlin bedauert. Gleiches gilt wohl auch für das auf Fachkräfte angewiesene ITDZ.
Wie wichtig deren Kompetenzen in Zeiten wachsender Bedrohungen durch Cyberkriminalität sind, belegen von ITDZ-Chefin Ines Fiedler und Sabine Smentek ebenfalls am Dienstag vorgestellte Zahlen zur IT-Sicherheit in Berlin. Ihren Angaben zufolge wird die Berliner Landesverwaltung immer öfter Ziel von Hackerangriffen. In den vergangenen fünf Jahren habe sich die Zahl der Attacken auf zuletzt sieben Millionen im Jahr 2018 verdoppelt, sagte Fiedler. Darüber hinaus seien rund 33 Millionen Spam-Mails abgefangen worden.
Neben der Quantität habe sich auch die Qualität der Angriffe erhöht, erklärten Smentek und Fiedler. Beide betonten, bisher sei es noch keinem Angreifer gelungen, an Bürgerdaten oder andere sensible Informationen zu gelangen.