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Zum "Berliner Verlag" gehört auch BerlinOnline, das berlin.de betreibt.
© Robert Schlesinger/dpa-Zentralbild/dpa

„Berliner Zeitung“-Verleger Friedrich: Wie eine Aussage über „berlin.de“ die Berliner Verwaltung aufschreckte

Mit der „Berliner Zeitung“ hat Holger Friedrich auch Anteile an „berlin.de“ erworben. Er sagt nun, wie er darüber Daten nutzen will – zum Ärger des Senats.

Es war nur ein kurzer Auszug aus einem Interview der „Neuen Züricher Zeitung“ (NZZ) mit Holger Friedrich, dem neuen Eigentümer des Berliner Verlags, doch seine Vision vom künftigen Umgang mit Bürgerdaten hatte es in sich: „Ganz einfach: Man lädt sich die App der Stadt herunter, scannt seinen Ausweis ein, dann wird in wenigen Sekunden verifiziert, ob das Dokument valide ist oder irgendetwas juristisch vorliegt. Als Nächstes wird die Steueridentifikationsnummer abgeglichen, auch die Rückmeldung erfolgt binnen Sekunden. Fertig“, antwortete Friedrich auf die Frage, wie sich Zugezogene künftig in Berlin anmelden sollten. Längst nicht nur Datenschützer reagierten mit Unverständnis.

Berlin.de sei der "eigentliche Schatz" des Deals

Warum die Aussage Friedrichs, der im September gemeinsam mit seiner Ehefrau Silke die „Berliner Zeitung“ und den „Berliner Kurier“ gekauft hatte, überhaupt ins Gewicht fällt? Teil des Deals war auch die BV Deutsche Zeitungsholding GmbH. Sie hält 74,8 Prozent an der BerlinOnline Stadtportal GmbH & Co. KG, verantwortlich für Bereitstellung und Nutzung des Onlineportals der Stadt Berlin, besser bekannt als „berlin.de“.

Auf der Internetseite können derzeit mehr als 70 Onlinedienstleistungen in Anspruch genommen werden, von der Beantragung eines Anwohnerparkausweises bis hin zur Reservierung eines Wunschkennzeichens für das Auto. Nahezu jeder Berliner dürfte sie kennen, die Seite sammelt 30 Millionen Klicks im Monat. In der „NZZ“ bezeichnete Friedrich berlin.de wohl auch deshalb als den „eigentlichen Schatz unseres Deals“.

Krisentreffen in den Berliner Behörden

Nachdem der Tagesspiegel-Newsletter „Checkpoint“ am Montag früh darüber berichtet hatte, gab es große Unruhe in zahlreichen Berliner Behörden, allen voran bei der für die IT-Sicherheit zuständigen Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD). Von spontan einberufenen Krisentreffen ist die Rede, wohl auch in der für die Zusammenarbeit mit BerlinOnline und damit Friedrich verantwortlichen Senatskanzlei.

Aus allen Richtungen das Dementi: Die Vision des erst Ende der vergangenen Woche wegen seiner Stasi-Vergangenheit in die Schlagzeilen geratenen IT-Unternehmers, Zugriff auf die Daten von Millionen Berlinern zu bekommen, wird nie Realität.

Senatskanzlei verschickt Pressemitteilung

In einer am Nachmittag verschickten Pressemitteilung der Senatskanzlei erklärte Smentek: „Wir sind weit davon entfernt, einem privaten Unternehmen tiefere Einblicke in die sensiblen Daten der Berlinerinnen und Berliner zu gewähren.“

Die Innenverwaltung nehme ihre Verantwortung ernst, den digitalen Service sicher zu gestalten und gleichzeitig das Risiko eines möglichen Missbrauchs so gering wie möglich zu halten. „Kommerzielle Interessen dürfen an dieser Stelle überhaupt keine Rolle spielen“, sagte Smentek.

Stadt im Netz. Die Webseite berlin.de ist das offizielle Portal des Landes Berlin.
Stadt im Netz. Die Webseite berlin.de ist das offizielle Portal des Landes Berlin.
© Tsp

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich längst zahlreiche Beobachter zu Wort gemeldet, vor allem online. Der ehemalige Piraten-Politiker Christopher Lauer bezeichnete es als „sehr irritierend, mit welcher Selbstverständlichkeit Holger Friedrich meint, Verwaltungsvorgänge privatwirtschaftlich betreiben zu können.“ Er ergänzte: „Wir brauchen gar nicht darüber reden, das wird so nicht kommen. Dennoch lassen die Gedankenspiele von Herrn Friedrich tief blicken.“

Aussagen von Holger Friedrich stößt auf Ablehnung

In den Parlamentsfraktionen der rot-rot-grünen Koalition stießen die Aussagen Friedrichs auf Ablehnung. Tobias Schulze, stellvertretender Fraktionschef der Linken und deren netzpolitischer Sprecher, twitterte: „Das wichtigste digitale Portal der Stadt gehört nicht in private Hände, auch nicht teilweise.“

Die Aussagen Friedrichs seien „ganz sicher nicht datenschutzkonform“, erklärte Schulze. „Nach dem Ende des Vertrags mit BerlinOnline wird es mit uns keine neue Zusammenarbeit mit privaten Akteuren in dem Bereich geben.“ Schulze kündigte an, der Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten sowie Medien im Abgeordnetenhaus werde sich in der kommenden Woche dem Thema widmen.

Zusammenarbeit mit BerlinOnline werde nicht fortgesetzt

Ähnlich wie Schulze hatten sich dessen Kollegen Sven Kohlmeier (SPD), Stefan Ziller (Grüne) und auch der oppositionelle Bernd Schlömer (FDP) Ende August zum Weiterbetrieb von berlin.de geäußert. Damals war auf Nachfrage Schlömers bekannt geworden, dass die Senatskanzlei den 1998 geschlossenen Vertrag mit BerlinOnline einseitig mit Frist zum 31. Dezember 2021 gekündigt hatte.

Ziel der Koalitionäre sei es, das Portal zu rekommunalisieren, hieß es damals aus den Fraktionen. Die Senatskanzlei teilte am Montag mit, dass die Zusammenarbeit mit BerlinOnline nicht fortgesetzt werde. Friedrich wiederum hatte im Interview noch erklärt, „es lässt sich gut an“.

Sprecherin des IT-Dienstleistungszentrums widerspricht

Deutlich weniger distanziert zeigte sich das für die IT-Infrastruktur der Verwaltungen und für deren Daten zuständige IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ). Eine Sprecherin erklärte, die Zusammenarbeit mit BerlinOnline werde nicht infrage gestellt.

Ein lange vorher auf den Abend datiertes Treffen mit Friedrich werde stattfinden, auch wenn mehrere Verwaltungen auf Absage gedrungen hatten. Hintergrund ist, dass sich unter den Mitarbeitern von BerlinOnline auch Software-Entwickler befinden, die das ITDZ nicht hat aber dringend bräuchte. Eine Sprecherin betonte „die gute Zusammenarbeit“ beider Seiten. Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk sagte mit Bezug auf die Aussagen Friedrichs: „Sollten uns Überlegungen bekannt werden, personenbezogene Daten von Bürgerinnen und Bürgern, die Verwaltungsleistungen in Anspruch nehmen, von berlin.de an private Dritte zu übermitteln, würden wir dies prüfen und notfalls einschreiten.“ Aktuell sehe sie aber keinen Handlungsbedarf.

Ein Satz aus dem Manifest von Silke und Holger Friedrich zum Neustart der „Berliner Zeitung“ erscheint nun aber in neuem Licht: „Wir beide wissen aus beruflicher Erfahrung um die Macht von Daten.“

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