Drogen im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg: Monika Herrmann: „Wir haben nichts verharmlost“
Die Polizei alleine kann das Drogen-Problem im Görlitzer Park nicht lösen. Der Modellversuch zur Cannabisfreigabe ist nötig. Ein Kommentar der Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg.
Chaos plus grün regierter Bezirk gleich Görlitzer Park. Diese banale Gleichung, verbunden mit dem Ruf nach schärferen Gesetzen und härterem polizeilichen Eingreifen, liest man dieser Tage oft. Die Lösung der Dealer- und Drogenproblematik in Kreuzberg scheint einfach. Ist sie in der Realität aber nicht. Massive Polizeipräsenz gibt es im Park seit fast zwei Jahren. Allerdings ohne nennenswerten Erfolg, wie eine Antwort von Innensenator Frank Henkel an das Abgeordnetenhaus belegt. Vor genau einem Jahr hatte Henkel gestanden, dass trotz Einsatzes von Hundertschaften und Zivilbeamten in den ersten neun Monaten 2013 keine Erfolge gegen den Drogenhandel im Park zu erzielen waren. Das klägliche Fazit des obersten Dienstherren der Berliner Polizei: der Rückzug seiner Sondertruppen.
Der Drogenverkauf vom Kottbusser Tor über den Park bis hin zum RAW-Gelände in Friedrichshain zeigt, dass kriminelle Banden das schlichte Prinzip von Angebot und Nachfrage begriffen haben und ihre Kundschaft umfassend bedienen. Egal, ob diese aus dem Kiez, anderen Berliner Bezirken oder Ländern stammt, aus denen heraus die deutsche Hauptstadt per Billig-Bomber angeflogen wird. Manch einer der Leserinnen und Leser mag die von Friedrichshain-Kreuzberg angestoßene Debatte um den überbordenden Party-Tourismus noch im Ohr haben. Das Problem betrifft auch den Görlitzer Park. Und bei diesem Thema wurde von meiner Seite aus nichts verharmlost oder verschwiegen. Mit Überraschung hören wir in Friedrichshain-Kreuzberg dieser Tage Stimmen, die die angeblich mangelnde Zusammenarbeit mit den lokal verantwortlichen Politikern und der Polizei-Spitze kritisieren. Oder Vorwürfe, das Problem sei verharmlost worden. Nichts davon stimmt!
Es braucht eine ganzheitliche Strategie für Berlin
Bezirksamt und lokale Polizei haben in den letzten Monaten bei der Suche nach Lösungen eng kooperiert, etwa bei gemeinsamen Streifen von Polizei und Mitarbeitern des Ordnungsamts, dem Einsatz von Drogenhunden, der Begehung des Parks mit der Polizei-Architektin Ingrid Hermannsdörfer oder bei Treffen von Anwohnerinnen des Parks. Die Forderungen des Bezirks nach einer gemeinsam abgestimmten Linie Land-Bezirk und einem drogenpolitischen Konzept des Landes verhallten ungerührt im Senats-Nirvana. Jetzt ist der Innensenator endlich aufgewacht – ob allerdings mehr Polizei ausreicht, der Situation wieder Herr zu werden, ist fraglich. Es braucht eine ganzheitliche Strategie für Berlin. Kein kurzfristiges Vertreiben eines Drogen-Marktplatzes an einen anderen Ort.
Daher hat das Bezirksamt, getragen durch die Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung, Fachtagungen zum Thema Cannabis-Freigabe veranstaltet. Ziel ist es, den Verkauf von Cannabis zu legalisieren, um dem illegalen Markt die Grundlage zu entziehen. Das Thema bearbeitet der Bezirk nicht exklusiv, ähnliche Überlegungen gibt es in Frankfurt, in Schweizer Kommunen, anderen europäischen Ländern sowie in den USA und Lateinamerika. Eine breite Phalanx von deutschen Strafrechts-Professoren und anderen Juristen favorisieren ebenfalls die kontrollierte Freigabe von Cannabis durch staatliche Stellen.
Scheitern eingestehen wäre Stärke
Natürlich darf jeder so einen Modellversuch kritisieren. Und es gibt sicher zahlreiche Fragen, ob und wie Coffee-Shops bei uns in Deutschland funktionieren. Aber es dürfte nach Jahrzehnten erfolgloser staatlicher Repressionspolitik gegen den Cannabis-Konsum auch harten Gegnern auffallen, dass die Strafverfolgung keine Wirkung zeigt. Im Gegenteil: Hier werden viele Millionen an Geld verschleudert, Polizeibeamte in ganzen Hundertschaften verschlissen und Polit-Aktionismus für nichts betrieben.
Es würde von Stärke zeugen, ein Scheitern einzugestehen. Mehr Polizei bedeutet weniger Drogen? Diese Gleichung geht nicht auf. Wer eine andere intelligente Lösung kennt, möge sich melden. Oder sich endlich für einen Modellversuch starkmachen.
Die Autorin ist Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg.
Monika Herrmann