Landesparteitag der Berliner CDU: Monika Grütters muss zeigen, was sie will
Unter dem Eindruck von Helmut Kohls Tod trifft sich die Berliner CDU - um über ihre Zukunft zu entscheiden. Die Vorsitzende sollte sich dafür auf eine alte Tugend besinnen: Mut. Ein Kommentar
Um Zukunft und den Weg zurück zu alter Größe soll es auf dem Wahlparteitag der Berliner CDU an diesem Sonnabend gehen, und von alter Größe zeugt wie wenige andere Christdemokraten Helmut Kohl, der langjährige Bundeskanzler, dessen Tod am Vortag dem Treffen im Wilmersdorfer Hotel Ellington einen veränderten Ton verleihen dürfte. Vielleicht einen ernsteren.
Für die Landesvorsitzende Monika Grütters geht es um die Reform, die sie ihrer Partei verordnet hat. Mit der sie die Berliner CDU aus der Piefigkeit holen und zur echten Großstadtpartei machen will. Dafür muss Grütters, die zur Landeschefin mit neuem Landesvorstand gewählt werden soll, einen klaren Führungsanspruch zeigen. Sie muss Parteichefin sein wollen.
Dreimal stellte sich die Staatsministerin für Kultur in den vergangenen sechs Monaten zur Wahl. Zweimal als Parteichefin, einmal als Spitzenkandidatin. Nach dem Rücktritt von Frank Henkel als Parteichef erhielt sie bei der ersten Wahl zur Landesvorsitzenden nur 78,4 Prozent. Ihr Generalsekretär Stefan Evers brauchte sogar zwei Wahlgänge. Der fehlende Rückhalt hat Grütters alarmiert, sie führte viele Gespräche an der Basis. Die Berliner CDU erwartet eine Parteivorsitzende, die sich um die Mitglieder kümmert, die sich auf Parteifesten oder Bürgerforen blicken lässt – statt als Staatsministerin durch die Welt zu reisen. Grütters muss zeigen, dass sie keine Interimschefin ist und den Einfluss der machtbewussten Kreisfürsten ihres Landesverbands in Grenzen halten kann. In die Schlammschlacht von zwei konkurrierenden Bezirkspolitikern in Steglitz-Zehlendorf vor ein paar Monaten hat sie sich viel zu spät eingemischt, und dass allein eine ehrgeizige Frauenquote für den Vorstand schon ein Politikwechsel ist, darf bezweifelt werden.
Berlin ist divers und bunt, wie ist die CDU?
Grütters verkörpert als Staatsministerin Bildung, Stilbewusstsein, Großbürgerlichkeit auf gewandte und charmante Art – und ist damit genau so, wie der liberale Flügel die ganz Berliner CDU gernhätte. Aber es gibt da auch noch den konservativen Flügel: die älteren Mitglieder, die bei der Mitgliederumfrage überwiegend gegen die Ehe für alle gestimmt haben, die weniger modernen Kleinbürger und Besitzstandswahrer, vor denen sich viele Berliner abwenden. Das historisch schlechteste Wahlergebnis von 17,6 Prozent im September war eine deutliche Warnung.
Die große Klammer zwischen beiden Flügeln ist keine gesellschaftspolitisch gemeinsame Linie, sondern als Markenkern die innere Sicherheit, eins der entscheidenden Themen im Bundestagswahlkampf. Aber das reicht nicht aus für eine Großstadtpartei. Berlin ist bunt, divers und braucht eine tragfähige Zukunftspolitik. Statt weniger fruchtbare Wildschweine zu fordern, muss die CDU Konzepte für Bildung, Wohnungsbau, Verkehrspolitik oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf entwickeln. Ein Verkehrskonzept will sie bald erarbeiten. Mal sehen, ob die CDU sie sich nicht wieder reflexartig als Autofahrer- Partei geriert, sondern für einen vernünftigen Verkehrsmix eintritt. Völlig verstummt ist die Partei in der Energiepolitik. Wo bleiben Ideen für Klimaneutralität, Umweltpolitik oder Energieeinsparung in der Metropole?
Grütters muss Reformen in der Partei durchsetzen. Dafür muss sie eine Tugend wiederentdecken: Sie braucht Mut.