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Ein optisches Highlight der Tour ist der schmale Uferstreifen zwischen Panke und Franzosenbecken in Gesundbrunnen.
© Saara von Alten

Tipp für Ausflüge mit Kindern in Berlin: Mit dem Fahrrad immer die Panke lang

Wenn Vierjährige zur ersten großen Radtour aufbrechen, ist die Aufregung groß. Eine Fahrt vorbei an Spielplätzen und zum Kinderbauernhof Pinke-Panke.

Kurz nach dem Start verpassen wir vor lauter Vorfreude fast den wichtigsten Abzweig. Der Panke-Radweg an der Gerichtsstraße ist so unauffällig schmal und der Fluss fließt hier so dicht zwischen den Häusern hindurch, dass man ihn fast übersieht. Die jüngsten Teilnehmer unserer Tour müssen kräftig in die Bremse treten, weil ich von hinten laut rufe: „Achtung, rechts abbiegen!“ Sie kreischen freudig, und los geht's.

Der Tag beginnt leicht bedeckt, doch die Sonne soll später noch zum Vorschein kommen, heißt es. Wir wollen an der Panke durch Gesundbrunnen bis nach Pankow radeln. Es soll eine kinderfreundliche Tour werden, zehn Kilometer lang. Ganz entspannt mit vielen Stopps. Unterwegs wollen wir herausfinden, was die Viertel für Familien so zu bieten haben. Wir sind zwei Freundinnen mit ihren Kindern. Oder andersherum gesagt: zwei Freundinnen mit ihren Müttern. Es ist das erste Mal, dass Elli und Luisa solch eine lange Strecke mit ihren eigenen Rädern fahren. Sie sind mächtig aufgeregt.

Wir radeln parallel zum Ufer auf einem zunächst asphaltierten, später sandigen Weg. Die Panke, die 29 Kilometer von Bernau bis nach Berlin-Mitte verläuft, ist hier noch sehr ­schmal und fließt mitten durch die Stadt. Die neuen Loft-Wohnungen mit großen Gemeinschaftsgärten am linken Ufer passen nicht so recht zum Schmuddelimage von Gesundbrunnen. Wir überqueren eine kleine Holzbrücke und schon wird es alternativer. Alte Fabriketagen wirken hier noch immer wie Industriebaracken, hinter den Mauern haben sich Kreative mit Yoga-Studios und Ateliers angesiedelt, das linksalternative Panke Café ist für alle geöffnet. Wir schlängeln uns an vielen Spaziergängern vorbei, hauptsächlich junge Eltern, die ihr Baby vor dem Bauch an der Panke entlangtragen oder mit ihrem Kind Laufradfahren üben. Irgendwann müssen wir die mehrspurige Pankstraße überqueren, doch das Schöne an dieser Strecke ist: man muss nicht viel nachdenken, sondern die meiste Zeit einfach dem Uferradweg folgen.

Ab dem Kinderhaus Kunterbunt, einer Kindertagesstätte an der Wiesenstraße, ist der Radweg asphaltiert. Wir fahren vorbei an schmucken Gründerzeithäusern und wenig später an den Backsteingebäuden der Uferstudios, wo früher die BVG ihre Busse reparierte und heute Tanzaufführungen stattfinden. Dahinter überqueren wir die Badstraße an der großen Kreuzung mit Ampel. Autos und große Lastwagen donnern auf der mehrspurigen Allee an uns vorbei.

Architektonisches Juwel. Die Bibliothek am Luisenbad in Gesundbrunnen.
Architektonisches Juwel. Die Bibliothek am Luisenbad in Gesundbrunnen.
© Saara von Alten

Am Pankeufer gegenüber können wir wieder tief durchatmen. Wir kommen zufällig an einem Flohmarkt vorbei. Alte Mäntel, Spiegel, Bilderrahmen und gebrauchte Kleider werden hier verkauft. Zum Rumstöbern bleibt leider keine Zeit. Die Kinder drängeln. Sie wollen schneller fahren. Dennoch stoppen wir ganz kurz, um einen Blick auf die Bibliothek am Luisenbad zu werfen. Während ich die teils mit Mosaik verzierte Neorenaissance-Fassade bestaune, habe ich einen kurzen Flashback in die 80er-Jahre. Zerschlissene Jeans, Irokesenschnitt und eine Tätowierung auf der freigelegten Kopfhaut - vor mir steht ein „echter“ Punk, Mitte vierzig, mit zwei Hunden. Er weicht mir aus, während ich umherrolle und den Eingang der Bibliothek suche. „Ist heute geschlossen“, sagt er freundlich. „Wollte nur gucken, ist schön hier.“ Er versteht mich: „Stimmt. Ist ja auch alt.“ Er verschwindet lächelnd in einer Hofeinfahrt.

Die Mädchen wollen ins Kindermuseum

Die Kinder drängeln wieder, sie wollen ins Labyrinth-Kindermuseum, von dem ich ihnen erzählt habe. Es existiert in der Osloer Straße schon seit 1997 und ist eine Spiellandschaft, in der Kinder ihre Kreativität ausleben können. Es gibt Spielanleitungen, vieles kann aber auch einfach nur ausprobiert werden. Unsere Mädchen verschwinden als Erstes hinter einer der vielen Holzstellwände, die die untere Etage in verschiedene Spielzonen trennen. Sie fangen an zu puzzeln, gehen dann ins obere Geschoss. Dort hören sie Weltmusik aus Duschköpfen und führen uns ein kleines Puppentheaterstück auf. Das Angebot ist groß und eigentlich tagesfüllend. Auf den Stufen der Tribüne – im Zentrum der großen Museumshalle – halten die Kleinen eine kurze Brotzeit ab. Die Mädchen tauschen ihre Stullen, so wie sie es aus der Kita gewohnt sind.

Ali Bulgan, weißes T-Shirt, lange schwarze Haare und Mitarbeiter des Museums, kommt auf uns zu. „Ich bin der beste Geschichtenerzähler der Welt“, sagt er. Er mache jetzt gleich ein Würfelspiel, ob wir Lust hätten, fragt er. Doch wir müssen leider passen, weil wir noch einige Kilometer vor uns haben. Oben in der Bastelstube werden Stofftaschen mit Meerestieren angemalt, um die Kinder auf das Plastikmüllproblem im Ozean aufmerksam zu machen. Ali Bulgan ist in Wedding aufgewachsen, arbeitet als Theaterpädagoge in Sonderschulen und betreut einmal pro Woche Kinder im Museum. „Das nächste Mal bringen wir mehr Zeit mit“, versprechen wir ihm.

Kurze Verschnaufpause im Bürgerpark Pankow.
Kurze Verschnaufpause im Bürgerpark Pankow.
© Michele Galassi

Auf der Straße fängt es an zu nieseln. Wir fahren zurück zur Panke und weiter an ihrem Ufer entlang. Für die Kinder bleibt die Strecke weiterhin interessant. Wir kommen an mehreren Spielplätzen vorbei. Ein optisches Highlight – wegen der schönen Sicht auf viel sattes Grün und den blauen Horizont – ist der schmale asphaltierte Uferweg neben dem Franzosenbecken, einer leicht abschüssigen Wiese, die eigentlich als Rückhaltebecken für die Panke dient. Rechts davon: die Hochhäuser einer Wohnsiedlung, und auf der anderen Uferseite die Dächer einer Laubenkolonie. Wir fahren jetzt sehr nah am Ufer. Bald taucht der nächste Spielplatz auf, der allerschönste bisher, mit großem Klettergerüst. Wir kommen um einen Stopp nicht herum. Elli und Luisa nehmen nicht die Treppe, sondern klettern sofort die große Metallrutsche hinauf, sausen in allen denkbaren Formationen runter.

Das Weiterkommen kostet etwas Überzeugungsarbeit. Bei meiner Tochter machen sich erste Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Sie weint und möchte ihren Helm nicht wieder anziehen. Ich verspreche ihr ein Eis für den nächsten Stopp. Der Weg führt uns jetzt ein wenig bergab. Die Mädchen jauchzen, weil sie endlich richtig Gas geben können. Ihre Lieblingsbeschäftigung: Kunststücke auf dem Fahrrad vorführen. Vor allen Dingen: Fahrrad-Spagat.

Auf dem Bauernhof Pinke-Panke gibt es frischgebackenen Kuchen

Knappe 1,4 Kilometer weiter kommen wir beim Kinderbauernhof Pinke-Panke an. Gleichzeitig kommt endlich die Sonne zum Vorschein. Der Hof ist ein pädagogisch betreuter Spielplatz, außerdem leben hier Esel, Schweine, Gänse und Kaninchen. Es riecht nach Feuer und Gebackenem. Im Fachwerkhaus gibt es Kaffee. Um einen Sandkasten herum tummeln sich Eltern mit ihren Kleinen. Die Mädchen verlangen ihr Eis und verschwinden danach in einer Hütte zum Stockbrote-Rösten. Ich laufe umher und treffe den Betreuer Robert Gerasch, der gerade einen Pflaumenkuchen in den Lehmofen schiebt. Das macht er hier jeden Sonntag, mal Pflaumen-, mal Apfelkuchen. Den Teig hat er gemeinsam mit zwei Mädchen aus der Nachbarschaft zubereitet. „Wir befinden uns am Dreiländereck“, erklärt er. Pankow, Reinickendorf und Gesundbrunnen treffen hier aufeinander. So unterschiedlich die Viertel, so unterschiedlich die Kinder. Dass die verschiedenen Milieus sich auf dem Hof „mittlerweile mehr mischen“, findet er gut.

Ein blonder Junge mit zwei jüngeren Schwestern tritt an Gerasch heran. Wo es „das Werkzeug“ gibt, möchte er wissen. Aus einer anderen Ecke hört man es bereits hämmern und pochen. Auf dem Bauspielplatz am hinteren Ende des Grundstücks können Kinder ihr eigenes Holzhaus zimmern. Das fasziniert auch unsere Mädchen. Sie spielen Fangen und verstecken zwischen den selbstgezimmerten Hütten.

Wieder so ein Ort, von dem man sich nicht so schnell wieder trennen möchte. Aber unsere Tour geht weiter. Es folgt ein kleiner Schlenker durch den Bürgerpark, am Café Rosengarten vorbei. Die Strandkörbe sehen gemütlich aus — hätten wir doch nicht gerade schon Kuchen gegessen! Unweit von hier gibt es auch ein Ziegengehege, doch Tiere haben wir auch gerade gesehen. Wir verirren uns lieber auf dem Friedhof Pankow III, finden das Grab des Schauspielers Ernst Busch, aber nicht den richtigen Ausgang. Also nehmen wir den Mauerweg links am Friedhof entlang und fahren danach durch den Volkspark Schönholzer Heide. Umgekippte Baumstämme, ein Bunker, kleine Hügel, Lichtungen, Kletterbäume. Dieser Wald ist ein richtiges Spielparadies. Hier wäre ich auch gerne noch einmal Kind. Bei uns im Süden der Stadt gibt es nur aufgeräumte Parks. Unser letztes Ziel ist das Sowjetische Ehrenmal.

Imposant. Das Sowjetische Ehrendenkmal in der Schönholzer Heide.
Imposant. Das Sowjetische Ehrendenkmal in der Schönholzer Heide.
© Saara von Alten

Zum Radfahren wird die Strecke zum Ende hin etwas schwieriger. Eine Frau feuert die beiden Mädchen an, mit ihren Rädern nicht im Sand stecken zu bleiben. Es sind viele weitere Radler unterwegs, alle mit dem gleichen Ziel, doch durch den Wald ist der Weg nicht leicht zu finden. Zwei Jungs aus der Nachbarschaft wissen, wo es langgeht. Ist schließlich ihr Kiez.

Angekommen am Denkmal erschlägt uns die gigantische Anlage. „Nicht vergebens waren der Tod und das vergossene Blut“ steht auf einer Gedenktafel. Elli und Luisa möchten wissen, worum es hier geht. Doch auch nach einem kurzen Exkurs über den Zweiten Weltkrieg für Vierjährige verstehen sie den Grund, für ein Land zu sterben, nicht. Aber das Fahrradfahren macht wieder richtig Spaß. Fröhlich ziehen sie Kreise. Danach beschließen sie, mit der Puppe zu picknicken, breiten ihre Decken auf der Wiese aus, essen Kekse und die letzten Apfelschnitten. Zu guter Letzt kommen die Seifenblasen. Euphorisch pusten die Mädchen die schillernden Kugeln über die Wiese und springen fröhlich umher.

Diese und 26 weitere Touren für Familien, Kulturfreunde, Genießer und Entdecker finden Sie im neuen Magazin "Tagesspiegel Radfahren 2019/2020", erhältlich am Kiosk oder direkt im Tagesspiegel Shop. Dazu gibt es Reportagen, unter anderem zu einem Familienausflug auf den Spuren von Astrid Lindgren in Südschweden.
Karte und Wegbeschreibung zur Panke-Tour finden Sie unter diesem Link.

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