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Silke Gebel ist seit 2016 zusammen mit Antje Kapek Co-Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus.
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Berlins Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel: Mit Dank allein ist den Gesundheitsämtern nicht geholfen

Den Kampf gegen die Pandemie wird Berlin nur gewinnen, wenn der öffentliche Gesundheitsdienst deutlich besser ausgestattet wird. Ein Gastbeitrag.

Silke Gebel ist seit 2016 Co-Vorsitzende der Fraktion der Berliner Grünen. Sie führt gemeinsam mit Antje Kapek, ist außerdem europapolitische Sprecherin.

Die Berliner Gesundheitsämter sind die Lagezentren dieser Krise. Ob Kontaktnachverfolgung von Corona-Infizierten, Hygienekonzepte oder die Information der Bevölkerung – die Coronakrise zeigt, welche zentrale Rolle der in der Vergangenheit heruntergesparte öffentliche Gesundheitsdienst hat.

Weitere Lockerungen und damit eine schrittweise Rückkehr zur Normalität kann und darf es nur geben, wenn wir in der Lage sind, Covid-19-Ausbrüche schnell zu erkennen, nachzuverfolgen und Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen.

Dafür brauchen wir eine kluge Teststrategie und starke Gesundheitsämter. Sie können am besten beurteilen, welche Maßnahmen wann sinnvoll sind, und sind eng vernetzt mit anderen bezirklichen Instanzen wie den Schul- und Jugendämtern.

Nur Dank allein reicht nicht aus, um arbeiten zu können

Die empfohlene Eindämmungsstrategie funktioniert in Berlin derzeit, weil Personal aus anderen Fachbereichen mit anpackt. Und weil alle zusammen mit Leidenschaft, Kreativität und Ausdauer arbeiten. Ihnen gebührt unser aller Dank. Nur Dank allein reicht nicht aus, um arbeiten zu können.

Die Rückkehr zur Normalität geht mit einer Rückkehr der ausgeliehenen Kräfte an ihren eigentlichen Arbeitsplatz einher. Verständlicherweise: Baugenehmigungen müssen erteilt, das Stadtgrün in der Dürreperiode gepflegt werden. Und im Gesundheitsamt stehen jetzt die bisher ausgesetzten Einschulungsuntersuchungen an.

Es zeigt sich: Die Gesundheitsämter brauchen mehr Personal und flexiblere Budgets. Ihre chronische Unterausstattung und das langjährige Ignorieren des Mustergesundheitsamtes, also einheitliche Strukturen und eine ausreichende Personalausstattung, rächen sich jetzt.

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In dieser Krise hat sich aber auch gezeigt, wie sehr die technische Ausstattung im öffentlichen Dienst veraltet ist. Was hilft eine Tracing-App, wenn die Gesundheitsämter nach dem Hinweis auf eine Infektion eine zeitnahe Kontaktaufnahme, Testung sowie notwendige Begleitung für die Betroffenen nicht sicherstellen können, weil die Excel-Tabellen zusammenbrechen? Helfen kann hier simple Datenverarbeitungssoftware.

Leistungsfähige Gesundheitsämter können Schlüsselrolle spielen

In der Ebola-Epidemie wurde etwa das Programm Sormas in vielen afrikanischen Ländern eingesetzt – erfolgreich. Das Programm ermöglicht eine deutlich schnellere Rückverfolgung der Corona-Kontakte. Das sollten wir auch in Berlin einführen – und zwar in allen Bezirken. Inklusive der notwendigen Laptops, Tablets und Internetanbindungen.

Neben starken Gesundheitsämtern brauchen wir eine gezielte, finanziell abgesicherte, landesweit einheitliche Teststrategie. Das ist die Grundlage dafür, dass das neue Corona-Frühwarnsystem – die Corona-Ampel – wirklich funktioniert.

Im Zentrum einer anlassbezogenen Teststrategie muss die Testung der Corona-Verdachtsfälle stehen. In einer Phase freier Testkapazitäten auch inklusive asymptomatischer Kontaktpersonen ersten Grades.

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Eine Teststrategie muss aber auch mehr Wissen über das Virus offenbaren. Deshalb sollte sie in eine Forschungsstrategie mit repräsentativen Erhebungen eingebettet sein. Und es bedarf des strategischen Einsatzes von Immunitätstests, zum Beispiel in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen, vor allem wenn es dort bereits mehrere Corona-Fälle gegeben hat.

Aufgrund der Schlüsselrolle der Gesundheitsämter sollte diese Teststrategie auf Basis der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts mit ihnen gemeinsam erarbeitet werden. Die Ämter müssen gestärkt aus der Krise hervorgehen. Ein leistungsfähiger öffentlicher Gesundheitsdienst kann jetzt und auch in Zukunft einen echten Mehrwert für die Berliner bringen.

Silke Gebel

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