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Hat gut lachen: Howard Carpendale nahm sein neues Album in Berlin auf. Am 26. Oktober erscheint "Viel zu lang gewartet".
© dpa

Howard Carpendale in Berlin: Mit 67 hat man noch Träume

Howard Carpendale hat ein neues Album produziert. In Berlin, in Kollektivarbeit, mit jungen Kreativen. Klingt das jetzt anders? Nein. Fühlt er sich besser? Ja. Ein Besuch zwischen Schlager und Pop.

Howard Carpendale hat sich ganz neu erfunden. Das sagt er und das sagt sein Promoter. Aber auf dem Sofa im Hyatt Hotel sitzt der Barde wie immer: Jackett, Faltenschal, übereinandergeschlagene Beine, Carpendale-Frisur. Ziemlich schick, ziemlich lächelnd. Ein lebendiges Plattencoverfoto. „Haben Sie mein Album gehört?“, fragt er zu Beginn und wenn man, natürlich, hat, zur Vorbereitung, dann wird über Musik geredet – über in Berlin entstandene Musik. Für „Viel zu lang gewartet“, die neue Produktion, wurde eine Herberge an der Stralauer Allee angemietet, Howard Carpendale zog ein und mit ihm junge Männer und Frauen, Kreative, Künstler, Musiker, Songwriter – „sehr kosmopolitisch“, sagt Carpendale. Er, 67 Jahre alt, wollte sich verjüngen. Dieses ach so verrückte Berlin anzapfen.

Mehr Hauptstadt, weniger Schlager? „Wir trafen uns um elf, haben dann zwei Stunden lang geredet, danach haben sich Gruppen gebildet, die zu einem Team wurden, und um vier oder fünf trafen wir uns wieder und ließen uns die Arbeiten vorstellen.“ Klingt tatsächlich sehr nach Hauptstadt. Berlin konnte es also nicht nur, Berlin musste es sogar sein. Nach der letzten LP fühlte sich der ewig gutgelaunte Carpendale leer, nicht involviert genug, er hatte, deshalb der Albumtitel, zu lange auf die kreative Einmischung gewartet. Er wollte anders klingen. „Edgy und livig“, sagt er im Plauderton des abertausendfach Interviewten. Sein Deutsch klingt manchmal noch immer sehr südafrikanisch.

Berlin, das sei eine riesige, pulsierende, eine exiting Stadt, ein bisschen wie London früher. Diese Weiten. Diese Szenen. Erst, als Carpendale so vor sich hin schwelgt, fallen seine Nike Air Max auf. The artist as a hip man. Deshalb jetzt: Zielgruppendiskussion. Wen erreichen Sie eigentlich, Herr Carpendale? „Das sehe ich von der Bühne ja nicht so gut. Ich wollte aber vermeiden, dass die Jungen sagen: Ach, der alte Sack, der singt nur seine alten Schlager.“ Gute Popmusik sei das, was man auf dem Album höre, und er selbst verstehe sich sowieso eher als Entertainer. Bevor er seine Konzerte beginnt, sagt Carpendale darum oft: „Leute, ihr habt hart gearbeitet, nun lehnt euch zurück und geht nachher mit einem geilen Gefühl nach Hause.“ Howard, dieser Trostspender, 45 Jahre Dienst am Herzen. Auch das neue Werk wird wieder die Kritiker munitionieren. Denn es ist und bleibt, trotz Berlin, trotz mehr Takttempo, Carpendale. Hier mal eine Ballade, dort mal eine Gitarre, ansonsten: sanfte Unverbindlichkeiten. In Zentrum des jungen Berlin hat sich der Hohepriester des Ti Amo vielleicht grundrenoviert - aber seine Wohnung dann doch wieder konventionell eingerichtet. Egal, Carpendale fühlt sich besser als vorher, involvierter. Vielleicht war die Produktion mehr Selbsttherapie als Neuerfindung. Vielleicht geht es ihm jetzt anders, aber seinen Hörern wie immer. Ihr Album in fünf starken Begriffen zusammengefasst, Herr Carpendale? „Lässig. Positiv. Melancholisch. Ehrlich. Der Hammer!“ Beim letzten Begriff muss Carpendale lachen, der Hammer, das war gut. Und dass er das Etikettieren nicht den Kritikern überlassen muss, das fand er jetzt auch gar nicht so schlecht. Noch zwei Minuten mit Howard Carpendale. Welche Frage wird ihm zu oft gestellt? „Warum ich Schlager mache.“ Und welche nie? „Warum ich Pop mache.“

Moritz Herrmann

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