Howard Carpendale: „Ich warte auf ein Zeichen“
Der Schlagersänger ist mittlerweile 61 und plant sein neuerliches Comeback. Im Frühjahr will er noch einmal auf Tour gehen. In den USA kennt ihn keiner, das kann ein gutes Gefühl sein.
„Zu dem was man liebt, will man immer wieder zurück“, singt Howard Carpendale in „Na und“, einem seiner neuen Lieder. „Selbst, wenn man weiß, dass es vielleicht misslingt.“ Bisher scheint das „Mach Dich rar und Du bis der Star“-Prinzip bei ihm zu funktionieren. Howard Carpendales Comeback Album „20 Uhr 10“ platzierte sich in der ersten Woche auf den vierten Platz der Charts, erreichte Goldstatus. Im Frühjahr möchte der 61-Jährige auf Tour gehen.
Fans waren fassungslos, als Carpendale 2003 in der Sendung von Johannes B. Kerner seinen Abschied vom Showgeschäft verkündete. Es wurde spekuliert, er sei sehr krank. Und er wolle mehr Zeit für seine Freundin Donnice haben.
Carpendale sagt heute: „Ich wollte aufhören, wenn es am schönsten ist. Ich hatte alles erreicht.“ 25 Millionen Platten soll er verkauft haben, zu seinem letzten Konzert in der Kölnarena kamen 20 000 Menschen, der „Spiegel“ schrieb „Deutschland nimmt Abschied“.
Carpendale zog sich in Jupiter, einer kleinen Stadt in Florida zurück. Die Sängerin Celine Dion hat um die Ecke gelebt, mit „Bon Jovi“ Schlagzeuger Tico Torres spielt er Golf. Nur ab und zu hörte man etwas von ihm, etwa wenn er sich bei einem Radwetttrennen mit Sohn Cass beide Arme brach. Seine vierjährige Schaffenspause nennt er im Gespräch „Zeit des Reflektierens“. „Meine Plattenfirma lässt mich jetzt machen, was ich will. Ich stehe nicht mehr unter dem Druck, ständig Hits produzieren zu müssen“, sagt der Sänger mit dem britischen Akzent.
Als Carpendale im September, wieder bei Kerner, bekannt gab, dass er es noch mal wissen möchte, ging ein Aufschrei des Glücks durch das Publikum. Das ältere Publikum, muss man sagen. Denn wer heute den Namen Carpendale hört, denkt eher an Sohn Wayne, der sich als Schauspieler in Vorabendserien, mit Tanzshows und Schlagzeilen über seine Beziehung mit Ivonne Catterfeld im Gespräch hielt.
Wenn aber der jetzt wiedergekehrte ältere blonde Mann mit der berühmten älteren Frisur auftaucht, gucken viele Frauen seiner Generation verträumt, sie nicken seine Sätze ab, singen jede Liedzeile mit, halten ihm Plakate mit Botschaften entgegen, die Buchstaben sorgfältig ausgemalt. Carpendale hält sich seit über 45 Jahren im Showgeschäft. 1946 in der Hafenstadt Durban geboren, verbrachte seine Kindheit in Südafrika, 1966 verschlug es ihn nach London, wo er Profi-Cricket-Spieler werden wollte. Als das nicht klappte, meldete er sich auf eine Anzeige in einem Musikmagazin, eine Rockband suchte einen Sänger. Es folgte eine Europa-Tour, kurz darauf zog Carpendale nach Köln, ergatterte dort einen Plattenvertrag.
Besonders erfolgreich war er Mitte und Ende der siebziger Jahre, mit „Das schöne Mädchen von Seite 1“ belegte Carpendale1970 den ersten Platz beim Deutschen Schlagerfestival. Wer damals noch nicht geboren war, braucht Zeitzeugen mit einem besonderen Faible für Carpendale, um seinen Erfolg zu verstehen. Wer seinen Vater fragt, bekommt möglicherweise keine Antwort, wenn dieser noch die Beatles feierte, die Rolling Stones, oder Janis Joplin. Die Mutter tanzte wohl eher zu Aretha Franklin, Weather Report, Earth Wind and Fire und fand damals: „Jeder, der Deutsch singt, ist furchtbar.“ Für diese Leute war Carpendale der „Schlagerfuzzi“, für andere aber ein „romantischer Poet“.
Es gibt Videos im Internet: Carpendale steht, wahlweise mit bunter Krawatte oder Riesenfliege am Satinhemd, inmitten junger, mitwippender Schlaghosenträger und singt „Schubidammdamm“. Die, die ihn mögen, sagen: „Der hat Charisma“, „Der ist fesch“ oder: „Der ist mir nicht unangenehm“. Howard Carpendale ist unanstrengend. „Ich bin authentisch, gebe den Menschen ein Gefühl der Sicherheit“, erklärt er seinen Erfolg.
Carpendale ist weniger Sexsymbol, eher verständnisvoller Freund, der die Wärmflasche auffüllt und dazu „Du bedeutescht mir alles“ raunt. Die Heiratsanträge, die er bekam, kann er nicht mehr zählen, sagt er. In seinen Liedern, die "Ich warte auf ein Zeichen", "Du fehlst", „Deine Spuren im Sand" oder „Du fängst den Wind niemals ein“ heißen, geht es immer um die Liebe, wie bei seinen Helden Frank Sinatra und Elvis eben auch.
Carpendale mag es nicht, Schlagersänger genannt zu werden. „Ich glaube nicht, dass ich Schlager-Musik mache. Bei Schlager klingt schnell alles gleich, das ist so ein Einheitsbrei. Ich habe meinen eigenen Stil. Genau wie Grönemeyer, Westernhagen und Lindenberg.“ Mit ihnen vergleicht er sich.
In Amerika wohnt Carpendale seit 1991, Deutschland wurde dem Sänger zu viel, wie er erzählt. „Ich konnte nicht mehr aus dem Haus gehen, ohne sofort erkannt zu werden“, sagt er. In die USA auszuwandern, ist aber auch eine Möglichkeit, sich von der Vergangenheit zu lösen. Carpendale wurde in Deutschland gerne „Schnulzenheini“ genannt. „In den USA kennt mich keiner“, sagt er. Heimat nennt er das Land trotzdem nicht. „Die Politik hier gefällt mir nicht. Amerika war mal das freieste Land der Welt. So soll es wieder werden.“ Wie geht einer mit dem Altern um, wenn so viele dabei zusehen können? „Als plötzlich die Sechs davor stand, fand ich das nicht toll“, sagt er. Er brettere aber noch immer mit viel zu lauter Musik im Auto durch die Gegend. Wollte er je andere Musik machen? Jazz? Klassik? „Nein, nie!“ Er könne ja nicht mal richtig Gitarre spielen. Aber er weiß: „Das Publikum zu spüren gibt Dir unvergleichbare Energie.“ Howard Carpendale wird nicht mehr gehen, egal, was wer sagt. Wie hieß doch seine erste Platte? „Lebenslänglich.“
Yoko Rückerl
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