Berliner Kleingärten: "Mindestens 300.000 zusätzliche Wohnungen"
Architekt Andreas R. Becher schlägt vor, Wohnen und Gemeinschaftsgärten zu verbinden – und auf Kleingartenflächen Wohnungen zu errichten.
Herr Becher, während sich Politik und Kleingärtner streiten, arbeiten Architekten und Stadtplaner an Modellen für sogenannte Gartenstädte 2.0. Wie sollen die aussehen?
Das Konzept der Gartenstadt ist uralt und in Berlin unter anderem am Falkenberg, in der Hufeisensiedlung oder der Siedlung Onkel Toms Hütte zu besichtigen. Es geht dabei um Wohngebäude mit 3-5 Geschossen und Freiflächen, die als Gartenparzellen genutzt werden. Wohnen und Gemeinschaftsgärten werden so miteinander verbunden.
Wie viele Wohnungen könnten so entstehen?
Unseren Berechnungen zufolge könnten so mindestens 300.000 zusätzliche Wohnungen in Berlin geschaffen werden, selbst wenn wir nur ein Drittel der bestehenden Kleingartenflächen bebauen. Wir plädieren ausschließlich für städtische oder genossenschaftliche Wohnungen auf städtischen Grundstücken. Über umstrittene Gebiete wie die Elisabeth-Aue oder das Tempelhofer Feld oder Innenhöfe von Plattenbausiedlungen bräuchte dann niemand mehr zu diskutieren.
Wo sollen die Wohnungen entstehen?
Dort, wo auch heute schon Kleingärten sind, innerhalb der Anlagen. Wir wollen diese aber nicht zubetonieren. Es geht um ein „sowohl als auch“. Wir könnten durchgrünte, autofreie Gartenstädte mit begrünten Dächern und Fassade errichten. Konzepte für solche Anlagen gibt es bereits.
Bei den Kleingärtnern werden diese Pläne auf wenig Gegenliebe treffen.
Es geht um ein ganzheitliches Konzept und die Frage, wie wir unsere Stadt in der Zukunft gestalten wollen. Stadtentwicklung im besten Sinne des Wortes. Der größte Teil der Kleingartenflächen gehört der Stadt Berlin, also der Allgemeinheit. Ich finde es legitim, darüber zu diskutieren, wie wir diese Flächen nutzen und wem diese Flächen zur Verfügung gestellt werden. Ich finde es auch normal, dass die Kleingärtner ihre Interessen vehement vertreten und nicht weichen wollen.
Kleingärtner argumentieren, sie würden die Lebensqualität einer grünen Stadt sichern. Schließt das einen Wohnungsbau auf ihren Flächen aus?
Aus meiner Sicht geht beides und wir sehen auf Seiten der Kleingärtner durchaus Gesprächsbereitschaft. Die Kleingartenflächen wirken sich objektiv sehr positiv auf das Stadtklima aus. Mit Augenmaß und einer vernünftigen Planung ließen sich die gegenläufigen Interessen miteinander verknüpfen.
Wie beurteilen Sie das Vorhaben des Senats, die Bestandsgarantie bis 2030 auszuweiten?
Zurückstellen, auf Eis legen, nicht entscheiden: Das nenne ich Nichtstadtentwicklung und so können wir nicht die Zukunft von Berlin gestalten. Ich kann verstehen, dass auch die Kleingärtner damit nicht zufrieden sind. Planungssicherheit für sie wäre wichtiger als eine neue Hängepartie. Leider fehlt der Politik seit Jahrzehnten der Mut oder die Phantasie, das Thema endlich anzugehen.
Dabei müssten wir heute schon darüber nachdenken, was in zehn Jahren sein soll. Der Zustand der Unsicherheit ist nicht zufriedenstellend. Wir sind Teil der Stadtgesellschaft und fordern diese Bestandsgarantie nicht wirksam werden zu lassen, sondern sofort mit einem ultimativen Planungskonzept für die Nutzung dieser städtischen Flächen zu beginnen.