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Flüchtlingsregistrierung in Berlin-Wilmersdorf
© Soeren Stache/dpa
Update

Streit um Bamf in Berlin: Migrationsamt bestreitet verspätete Terminvergaben

Der Flüchtlingsrat Berlin hat dem Bundesamt für Migration unterstellt, Flüchtlinge würden systematisch zu spät zur Anhörung eingeladen. Die Behörde bestreitet das entschieden.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat Kritik des Berliner Flüchtlingsrates, Termine für Anhörungen für "systematisch verspätet" abgeschickt, mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Der Zeitraum zwischen der Ladung zur Anhörung und dem Termin der Anhörung betrage mindestens eine Woche, in der Regel rund zehn Tage, erklärte die Sprecherin der Nürnberger Behörde, Andrea Brinkmann, am Montag nach Klärung des Sachverhalts.

Der Flüchtlingsrat hatte am Freitagabend auf Facebook berichtet, das Bamf würde Briefe zum Teil so spät absenden, dass Asylsuchende keine Chance hätten, zum angegeben Termin zu erscheinen. Der gemeinnützige Verein sprach von einem "ganz üblen Trick" der Berliner Bamf-Außenstelle, es gebe deshalb "massenweise Beschwerden". Am Samstag veröffentlichte der Flüchtlingsrat ergänzend Hinweise "zu den aktuellen Problemen mit den Bamf-Schreiben" auf englisch, farsi und arabisch. Das Bamf erklärte am Wochenende zunächst nur: "Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst und gehen ihnen nach."

Bamf: Keine negativen Folgen für Antragsteller

Am Montag sagte Bamf-Sprecherin Brinkmann: "Es ist nicht im Sinne des Bundesamtes, wenn Antragsteller nicht zur ihrer Anhörung erscheinen. Vielmehr haben wir ein großes Interesse daran, das bereitgestellte Personal und auch die Dolmetscher effektiv auszulasten und so den Menschen, die noch keinen Termin für die Anhörung bekommen haben, schnell die Möglichkeit dazu zu geben." Sie versicherte: "Das verspätete Zustellen hat keine negativen Auswirkungen für den Antragsteller." Brinkmann sagte weiter: "Warum in Einzelfällen ein Schriftstück den Antragsteller binnen einer Woche nicht erreicht, ist uns unerklärlich."

Dass das Bamf kein Interesse an Leerlauf hat, kann auch eine ehemalige Mitarbeiterin bestätigen. Allerdings kritisiert sie diesen Punkt gerade. Denn teilweise werden die bis zu zehn Antragsteller zu einem Termin geladen - je nach "statistischer Erscheinungsquote" des Herkunftslandes. Diese Praxis führe dazu, dass einzelne Antragsteller nach acht Stunden Wartezeit ohne Anhörung weggeschickt werden oder zu einem anderen Termin erneut geladen werden. "Irgendwie überlegt man sich dann doch schon, wie genau man nachfragt, wenn man weiß dass noch weitere fünf Antragsteller draußen warten", räumt die ehemalige Mitarbeiterin ein.

Laut Bamf konnten in Berlin allein im Juni mehr als 3.300 Anhörungen erfolgreich durchgeführt werden. Das seien über 50 Prozent mehr als im Vormonat und rund 150 Anhörungen pro Werktag. Die Behörde versicherte, sie orientiere sich am "Gebot eines fairen Verfahrens", dies sei "für uns selbstverständlich".

Flüchtlingsrat erneuert Vorwürfe

Der Flüchtlingsrat Berlin blieb auch nach der Bamf-Erklärung bei seinem Vorwurf, der Versand der Ladungen würde "extrem kurzfristig" erfolgen. "Behördeninterner Vorlauf, Postlaufzeiten ,dicker' Umschläge und das förmliche Postzustellverfahren sowie die Zustellverfahren in den Unterkünften selbst führen geradezu zwangsläufig zum Problem extrem knapper oder verfristeter Zustellungen", erklärte Vereinssprecher Georg Classen. Zudem seien die Geflüchteten und ihre oft nur ehrenamtlichen Helfer "regelmäßig überfordert", die nötigen Wiedereinsetzungsanträge form- und fristgerecht zu stellen. Der Flüchtlingsrat nannte es zwingend notwendig, die Ladungen zu den Anhörungen zwei Wochen vor dem Termin zuzustellen. Wie viele Asylsuchende von verspäteten Ladungen in Berlin betroffen sind, konnte Classen nicht sagen.

Kritik der Opposition

Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus hatte am Wochenende nach Bekanntwerden der Vorwürfe des Flüchtlingsrats rasche Aufklärung gefordert. Grünen-Chefin Bettina Jarasch sagte: "Der Senat muss schleunigst mit dem Bamf klären, was an den Vorwürfen dran ist." Der Linken-Landesvorsitzende Klaus Lederer erklärte: "Das ist ein Skandal, wenn das tatsächlich systematisch erfolgt. Wenn nicht, ist das zumindest ein grober Missstand." Katina Schubert, Landesgeschäftsführerin der Linkspartei, meinte: "So kann man Grundrechte auch aushebeln."

Missverständnisse um Dolmetscher

Unabhängig von den Vorwürfen des Flüchtlingsrates wurde am Montag auch Kritik an der Qualität der Übersetzungen im Asylverfahren laut. Ein Dolmetscher, der in der Bamf-Außenstelle in Berlin im Einsatz ist, berichtete dem Tagesspiegel, dass viele seiner Kollegen nicht einmal richtig Deutsch sprechen. So komme es in der Anhörung schnell zu Missverständnissen, Ungenauigkeiten und wichtige Details würden häufig falsch übersetzt. Wie gravierend Übersetzungsfehler sein können, zeigt das Beispiel eines Flüchtlings, der in der Anhörung angab, für den afghanischen Staatshelden Ahmad Schah Massoud gekämpft zu haben. Er werde deshalb in seiner Heimat verfolgt. Die Dolmetscherin übersetzte, der Antragsteller sei Anhänger eines "Sportlers oder so" gewesen. Der Fehler wurde nur durch Zufall aufgedeckt.

Der Personalrat des Bamf hatte die Schwachstelle Dolmetscher in einem Brief kritisiert, über den die "Welt" berichtete. "Letztlich wird diesen Dolmetschern alleine die Prüfung des Asylgesuchs ... überlassen." Auch Pro Asyl sprach von einem "Abgrund an Dilettantismus, was den Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern beim Bamf betrifft". Die sprachliche Eignung werde nur im Rahmen der Honorarvereinbarung und der ersten Einsätze vor Ort geprüft.

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