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Baschar al Assads Aussagen aus einem Interview wurden fälschlicherweise vom Bundesamt für Migration für einen Ablehnungsbescheid benutzt.
© dpa

Fehlerhafter Asylbescheid: Bundesamt vertraute Syriens Diktator Baschar al Assad

In der Ablehnung des Asylantrags eines schwulen Syrers bezieht sich das Bundesamt für Migration auch auf Angaben Assads. Die Behörde gibt inzwischen einen Fehler zu.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat einen Asylantrag eines Syrers unter Berufung unter anderem auf Angaben von Diktator Baschar al Assad abgelehnt. Die Behörde gibt inzwischen den Fehler zu und kündigte an, den Bescheid aufzuheben.

Laut dem Asylbescheid, der seit Donnerstagabend in den sozialen Netzwerken die Runde macht, heißt es, Staatschef Assad habe Ende November in einem Interview des tschechischen Fernsehens erklärt, "dass es sich bei den Bürgerkriegsflüchtlingen in der Mehrheit um gute Syrer und Patrioten" handele. "Vor diesem Hintergrund ist nicht generell davon auszugehen, dass alle Syrer, die ihre Heimat verlassen haben, als Regimegegner betrachtet werden."

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, seine Behörde mache sich die Einschätzung in dem Asylbescheid "nicht zu eigen".

Der Syrer hatte sich bei seinem Asylantrag auch auf seine Homosexualität bezogen. Auch hier zweifelt das Flüchtlingsamt laut Bescheid aber an einem hinreichenden Fluchtgrund, denn in seiner Heimat habe er seine Sexualität nicht ausgelebt "und kaum jemand wusste von seiner sexuellen Ausrichtung". Weil er seine Homosexualität verborgen habe, fehle es an einer "konkreten Verfolgungshandlung" im Sinne des Asylgesetzes. Im Ergebnis erhielt der Syrer zwar subsidiären Schutzstatus - er darf also vorerst in Deutschland bleiben -, im übrigen wurde der Asylantrag abgelehnt.

An der Authentizität des Bescheides hatte es Freitagvormittag zunächst noch Zweifel gegeben. Zuerst auf Facebook gepostet hat ihn am Donnerstagabend Dirk V. - also jener Flüchtlingsaktivist, der im Januar den toten Syrer vom Lageso erfunden hatte. Das Aktenzeichen des Falles war in dem Facebook-Posting verpixelt, auch alle weiteren personenbezogenen Angaben fehlten.

V. sagte dem Tagesspiegel zur Begründung: "Der junge Mann ist völlig verunsichert und hat Angst, seine Familie in Syrien könnte von seiner Homosexualität erfahren." V. ist seit einiger Zeit wieder in der Flüchtlingsarbeit engagiert, er betreut unter anderem homosexuelle Asylsuchende.

Bamf kündigt Konsequenzen an

Das Bamf konnte aber im Laufe des Freitags Details zu dem Vorgang ermitteln. Der Syrer hatte seinen Antrag im März in der Bamf-Außenstelle in Lebach (Landkreis Saarlouis) gestellt.

Bamf-Sprecherin Andrea Brinkmann sagte dem Tagesspiegel, die Aussage von Assad in einem Fernsehinterview sei für die Entscheidung des Verfahrens nicht hinzuzuziehen und daher irrelevant. Auch eine bestimmte sexuelle Ausrichtung sei ein Verfolgungsgrund, der schwerpunktmäßig im Rahmen des Flüchtlingsschutzes geprüft werde.

Brinkmann versicherte: "Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck an dem Vorfall, da er unseren Qualitätsstandards definitiv nicht entspricht. Wie so etwas passieren konnte, ermitteln wir genau und werden daraus Konsequenzen ziehen. Unser Anliegen ist es, jedem Antragsteller individuell zu betrachten und gerechte Entscheidungen zu treffen."

Assad hatte in dem von der syrischen Nachrichtenagentur Sana dokumentierten Interview mit dem tschechischen Fernsehen über die Bürgerkriegsflüchtlinge gesagt: "Es ist eine Mischung, der Großteil sind gute Syrer, die patriotischen, die normalen Leute. Aber es gibt darunter auch eine terroristische Infiltration." Der syrische Diktator erklärte, er empfinde über die Hunderttausende seiner Landsleute auf der Flucht nach Europa "große Traurigkeit".

Mitte April war bekannt geworden, dass sich die Bundesregierung auf Einschätzungen der radikalislamischen Taliban beruft, um Abschiebungen nach Afghanistan zu rechtfertigen. Das ging aus der Antwort auf eine Bundestagsanfrage der Linksfraktion hervor, über die die "taz" berichtete. Darin schreibt das Innenministerium, dass in Afghanistan vor allem westliche Staatsbürger, Soldaten und örtliche Behörden im Visier von Aufständischen seien. Für Zivilisten sei die Bedrohung dagegen geringer, "da die Talibanführung ihre Kämpfer wiederholt glaubhaft und deutlich angewiesen hat, zivile Opfer zu vermeiden und zivile Infrastruktur zu schonen".

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