Rot-Rot-Grün in Berlin: Mieter kritisieren linke Reformpläne für Sozialwohnungen
Berlins Bausenatorin Lompscher verhebt sich an der Novelle für den Sozialen Wohnungsbau. Ihr Vorschlag begünstigt Immobilienhändler - sagt etwa ihr Ex-Staatssekretär Andrej Holm. Doch es gibt auch Lob.
Kaum sind die Pläne für die Reform des Sozialen Wohnungsbaus von Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) auf dem Tisch, da begehrt die Basis auf. Der Berater ihrer eigenen Fraktion, Kurzzeitstaatssekretär Andrej Holm, und Sebastian Jung von der Initiative Mieterstadt.de nennen die Vorschläge einen "Skandal" und dazu noch möglicherweise "europarechtswidrig".
Im Kern geht es darum: Die Mieten von Sozialbauten, die vor Jahrzehnten mit Hunderten von Millionen Euro subventioniert wurden und dazu noch vom Staat steuerlich begünstigt wurden, dürfen nach dem vorgelegten "Vorschaltgesetz" auf Grundlage der seinerzeit bezahlten Baukosten sowie der seinerzeit bezahlten Zinsen berechnet werden – jedenfalls bei Sozialbauten, die schon mal verkauft wurden. Dies betrifft jenen Teil der Sozialbauten, die schon einmal verkauft wurden oder jedenfalls formell einen anderen Eigentümer haben. Für diese Immobilienkäufer ist das ein wunderbares Geschäft, weil viele für die Häuser einen Teil dieser Kosten bezahlt haben und die Zinsen heute viel niedriger sind als damals. Die Reform beschert Spekulanten damit zweistellige Renditen - auf Kosten des Landeshaushaltes, so die Kritik.
Lompscher hatte am Dienstag eine Änderung des Wohnraumgesetzes vorgestellt, das der Senat nun ins Parlament einbringen will. Demnach sollen rückwirkende Mieterhöhungen im sozialen Wohnungsbau abgeschafft werden. Als Bezugsgröße für mögliche Mietzuschüsse wird die Bruttowarmmiete (bis 14 Euro je Quadratmeter) statt wie bisher die Nettokaltmiete (bisher: 10 Euro) berechnet, sodass nach Darstellung Lompschers "mehr Mieter im öffentlich geförderten Wohnungsbestand finanziell entlastet werden". Das loben die Kritiker von links auch – sie greifen aber die investorenfreundliche Regelung scharf an.
Bausenatorin Lompscher gibt "Rückwirkungsverbot" die Schuld
Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) sagte dazu auf Anfrage, sie verstehe die Kritik am "Vorschaltgesetz"- aber: "Wir haben diese Berechnungsgrundlage jetzt für alle künftigen Verkäufe abgeschafft". Nicht zulässig sei das für die bereits einmal verkauften Sozialimmobilien. Hier lasse das "Rückwirkungsverbot" von Gesetzesnovellen den Zugriff nicht zu. Lompscher versprach aber, dass die investorenfreundliche Mietenberechnung mit der nächsten Maßnahme ihrer Verwaltung, mit der Einführung des eigentlichen Gesetzes "abgeschafft wird". Die Reform ziele darauf, die Kostenmiete als Maßstab für die Mietenberechnung vollständig und für alle Berliner Sozialwohnungen abzulösen.
Für die Kritiker aus ihren eigenen Reihen hätte dies aber bereits jetzt geschehen können, und sie berufen sich dabei auf ein Gutachten: „Der Senat hat die Vorschläge der Expertenkommission zur Reform des Sozialen Wohnungsbaus in den Wind geschlagen und legalisiert eine rechtlich umstrittene Praxis“, sagt Jung. Und Holm fügt hinzu: „Es wäre eine absurde Vorstellung, wenn mit der Reform die Zusatzgewinne für Eigentümer auch noch gesetzlich legitimiert werden.“ Der Soziale Wohnungsbau sei in der Vergangenheit ein „System zur Sicherung privater Renditen" gewesen. Die Reform sollte diese doch eigentlich auf die „tatsächlichen Kosten begrenzen“.
Haushalt und Steuerzahler subventionieren Renditen
Der Schaden von diesen Plänen werde nicht nur Spuren im Berliner Landeshaushalt hinterlassen, sondern die Gutschrift der ursprünglichen Kosten an Käufer von Sozialimmobilien, denen selbst diese Kosten gar nicht entstanden sind, gehe zu Lasten des Steuerzahlers, so Jung.
Der Vertreter des Mieter-Vereins weiß genau, wovon er redet: Er wohnt selbst in der umkämpften Fanny-Hensel-Siedlung. Auch bei diesem Spekulationsobjekt rechnet der Käufer der Immobilie die Mieten auf Grundlage der ursprünglichen Erstellungskosten von 8,6 Millionen Euro ab. Dabei hatte der Investor nur 3,1 Millionen Euro für das Gebäude bezahlt. Dieser lockere Umgang der Verwaltung mit Sozialimmobilien bringt dem Investor sagenhafte Gewinne: Renditen von über 30 Prozent ermittelten die Vereinsmitglieder. Dieses Gesetz dürfe so nicht wirksam werden.
Andere Elemente der Reform begrüßen die Aktivisten
Die Kritik entzündet sich an dem zentralen Element der Reform, die von den Aktivisten nicht in Gänze abgelehnt wird. "Im Vorschaltgesetz werden viele Forderungen der Mieterinitiativen aufgegriffen, um die Fehler der Vergangenheit im Sozialen Wohnungsbau zu korrigieren", sagt Holm außerdem. So werde durch die Umstellung der Mietzuschüsse die Belastung der Miete auf 30 Prozent des Einkommens begrenzt.
Sie begrüßen die ebenfalls geplante Abschaffung der Klausel, wonach die Mieten von Sozialbauten bis zu 27 Monate nach dem Stichtag nach Förderungsbedingungen noch erhöht werden dürfen. Lob finden sie außerdem für die Umstellung der Berechnungsgrundlage für den Mietzuschuss von zehn Euro Nettokalt auf 14 Euro bruttowarm. Nur wer noch mehr Miete für eine Sozialwohnung bezahlen muss, bekommt den darüber liegenden Betrag nicht bezuschusst.
In der Senatssitzung ging es am Vormittag hoch her, heißt es hinter den Kulissen.. Die SPD soll dem Vernehmen nach das Gesetz ganz stoppen wollen, allerdings aus anderen Gründen. Bei den Grünen soll es ebenfalls Kritik an der umstrittenen Regelung zu Gunsten von Sozialbau-Käufern geben. Offiziell äußern wollte sich niemand.
Der Chef des Berliner Mietervereins Reiner Wild sagte: Das Vorschaltgesetz erfülle in weiten Teilen die Vorschläge der Expertenrunde. Rückwirkende Mieterhöhungen im Sozialen Wohnungsbau seien nicht mehr möglich. Das beende die Ungleichstellung der Sozialmieter. Zudem könnten Eigentümer von Sozialbauten künftig nicht mehr vorzeitig aus der Bindung aussteigen, so dass die Wohnungen für Haushalte mit Wohnberechtigungsschein gesichert blieben. Problematisch sieht Wild, dass Eigentümer von Sozialbauten weiterhin die teure Kostenmiete verlangen dürfen, die sich die meisten Berliner Haushalte nicht leisten könnten.
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