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Anwohner demonstrieren am 1. April gegen den Verkauf des Neuen Kreuzberger Zentrums.
© imago/ZUMA Press

Wohnungspolitik: Millionen Euro für die Mieter

Senat und städtische Wohnungsunternehmen treten gemeinsam auf die Mietpreisbremse. Und Rot-Rot-Grün will Häuser kaufen, um die Wohnungsnot zu lindern.

Sie haben es getan, zähneknirschend heißt es hinter den Kulissen, aber die landeseigenen Wohnungsunternehmen sind doch unumkehrbar auf den rot-rot-grünen Sozialkurs eingeschwenkt. Der Chef der Gesobau, Jörg Franzen, den Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) mit aufs Podium gebeten hatte, um die Einigung zu verkünden, ließ es durchblicken: Die „Herausforderung in den nächsten fünf Jahren ist nicht unerheblich, wenn unsere Einnahmen so reduziert sind“. Und er bat vorsorglich darum, „nicht gleich zu schreien und in Ohnmacht zu fallen, wenn eine Wohnung mal mehr als zehn Euro pro Quadratmeter Miete kostet“. Schließlich investiere die Gesobau in dieser Legislaturperiode 1,3 Milliarden Euro in den Wohnungsneubau.

Der neue Mieterschutz auf Wunsch des Senats kostet die städtischen Unternehmen, wie gestern berichtet, knapp 85 Millionen Euro bis 2020: Weil die Mieter maximal zwei Prozent jährlich mehr Miete bezahlen müssen und einmalige Mieterhöhungen maximal vier Prozent betragen dürfen. Außerdem darf die Miete einen Haushalt höchstens 30 Prozent des Nettoeinkommens kosten.

Die Mieter dürfen bei einer Sanierung nicht mehr wie bisher mit neun Prozent der Kosten belastet werden, sondern nur noch mit sechs, und auch dabei darf die ortsübliche Miete um maximal zehn Prozent überschritten werden. Außerdem müssen die Firmen ihre Neubauten zur Hälfte an Haushalte mit geringen Einkommen vermieten und 60 Prozent der wiedervermieteten Wohnungen im Bestand.

Bis 2020 soll viel investiert werden

Bausenatorin Lompscher konterte freundlich, dass die sechs Landesfirmen im vergangenen Jahr 300 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet hätten und der Mieterschutz fünf Prozent desselben koste. Die Vereinbarung sieht aber außerdem vor, dass die Firmen bis 2020 noch 10.000 Mietwohnungen am Immobilienmarkt dazukaufen und viel neu bauen.

Vor allem beim Wohnungskauf ist die Wettbewerbsfähigkeit der landeseigenen Firmen durch die Regelungen zu den „leistbaren Mieten“ eingeschränkt: „Die Deutsche Wohnen kann eine ganz andere Mietenentwicklung darstellen und deshalb andere Preise zahlen“, sagte Gesobau-Chef Franzen. Die Aktiengesellschaft mit dem großen Renditehunger ist auf Shopping-Tour in Berlin.

Lompscher beschwichtigte: Wenn die Preise zu hoch sind, dann müsse der Senat mit einer „Zufuhr von Eigenkapital“ einspringen. Der Senat übernimmt also gleichsam den Wertzuschlag, den sich Spekulanten leisten. Diese bezahlen Wohnungen deshalb teuer, weil sie kräftige Mieterhöhungen fest einplanen, durch die sich der Deal überhaupt erst rechnet.

Die Ausweitung der Kampfzone wird gerade in Friedrichshain-Kreuzberg mit dem Neuen Kreuzberger Zentrum (NKZ) am Kottbusser Tor erprobt. Ein Privatinvestor hatte die landeseigene Gewobag überboten. Der Bezirk will die Sozialbauten unbedingt in städtische Hand bringen. Eine Möglichkeit ist die Ausübung des Vorkaufsrechts zum „Verkehrswert“, der im Rathaus Kreuzberg gerade berechnet wird. Darüber streiten allerdings ein Verkäufer und das Land vor Gericht in einem ähnlichen Fall in Schöneberg. Eine zweite Möglichkeit wäre es, das Vorkaufsrecht zum Höchstgebot auszuüben.

180.000 Wohnungen fehlen in Berlin

„Das NKZ wird zum Modellprojekt für das Vorkaufsrecht“, sagt Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Das Grundstück sei von „stadtweiter Bedeutung“. Der Bezirk, der bereits bei anderen Immobilien-Deals das Vorkaufsrecht nutzt, bereite zudem ein Verfahren zur Auswahl von „acht Akteuren“ vor, mit denen gemeinsam Vorkaufrechte ausgeübt werden: Landesfirmen kämen infrage, aber auch Stiftungen und Genossenschaften.

Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) sagte auf Anfrage: „Wir arbeiten an einer Mittelbereitstellung, damit Vorkäufe gehandhabt werden können.“

Dass die Not groß ist, erklärten Anwohner der Mariannenstraße, die durch Mieterhöhungen der Degewo für Sozialwohnungen an ihre Belastungsgrenze geraten. Und das Maklerhaus Aengevelt hatte am Dienstag erst berichtet, dass die Neubaumieten in Berlin mit 11,31 Euro je Quadratmeter höher seien als in Hamburg. Und sie stiegen weiter, weil in der Stadt 180.000 Wohnungen fehlten.

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