Flüchtlinge in Deutschland und Berlin: Michael Müller: "Wir können nicht allen helfen"
Der Regierende Bürgermeister hat sich in die Diskussion um Flüchtlingszahlen eingeschaltet. Zudem kündigte er Neues zum Thema Tempelhof an.
Der Flughafen Tempelhof wird Großeinrichtung zur Rundum-Betreuung von Flüchtlingen: Das hat der Regierende Bürgermeister von Berlin am Donnerstag im Abgeordnetenhaus angekündigt. Er führe dazu Gespräche mit allen Beteiligten, so mit der Bundesanstalt für Arbeit, sagte er in seiner Regierungserklärung zum Thema Flüchtlinge. Außerdem soll das Ausstellungsgelände der Internationalen Luftfahrtausstellung ILA am BER in Selchow für die Unterbringung von Menschen genutzt werden.
"Wir werden alles nutzen müssen, die großen und die kleinen Hallen, das ICC, die Messe und Selchow nach der ILA 2016“, sagte Müller. Täglich kämen rund 600 Menschen in die Stadt, insgesamt in den letzten Monaten 58.000. Pro Monat kämen so viele wie in den letzten Jahren zusammen. Müller kündigte an, mit Mitte und Wilmersdorf-Charlottenburg eine Art überregionales Bürgeramt für Flüchtlinge einzurichten. Von der „Spitze der Verwaltung“, also von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), forderte er eine Veränderung an der „Spitze des Lageso“.
"Integration aufgrund unserer Werte"
Der Regierende weiter: „Wir sind in einer schwierigen Situation. Aber ich bin nicht bereit, alles aufzugeben, wofür ich jahrelang gekämpft habe wie offene Grenzen in Europa oder das universelle Asylrecht.“ Er wolle auch weiterhin helfen. Aber: "Wir können nicht allen helfen." Es sei ferner nicht hinzunehmen, dass EU-Staaten sich das Positive aus Europa raussuchen würden, aber bei Schwierigkeiten nicht zusammenstehen würden. Nötig seien jetzt schnelle Verfahren. „Nur derjenige, der bereit ist, sich registrieren zu lassen, erhält auch Leistungen“, sagte Müller. Er forderte zudem "Integration aufgrund unserer Werte."
Müller sagte zudem, dass er die Augen nicht verschließen wolle vor den Problemen. Aber es werde von Tag zu Tag schwieriger. „Ich finde es beinahe unerträglich, wenn Politiker den Eindruck erwecken, sie hätte schnelle Lösungen. Und diejenigen, die dann nach 48 Stunden sagen, es könne nicht umgesetzt werden.“ Das führe zu Politikverdrossenheit.
Opposition will Müller unterstützen
Fraktionschefin Ramona Pop sagte Müller in ihrer Rede Unterstützung zu. Sie erinnerte an ihre eigene Lebensgeschichte: Sie sei 1988 von Rumänien nach Deutschland gekommen - in ein Land, was in Sachen Integration nicht besonders geübt gewesen sei. Deshalb sollten "alle miteinander klug genug sein, nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Nicht zu versäumen, frühzeitig mit Integration, mit Teilhabe und Partizipation zu beginnen". Heute heiße die größte Herausforderung, aber auch Chance "Integration". Dabei seien alle gefordert: Politik, Gesellschaft, Migranten. Sie forderte Sprachförderung an Kitas, Willkommensklassen in Schulen und frühzeitige Beschulung der unbegleiteten Minderjährigen.
"Das war eine sehr bemerkenswerte Regierungserklärung. Dafür möchte ich Ihnen danken", begann der Fraktionschef der Linken, Udo Wolf, seine Rede. Vor einem Monat habe er noch den Innensenator Henkel sprechen lassen, der genau das Gegenteil erzählt habe. Die CDU setze voll und ganz auf die Linie "abschrecken, abschotten". Inhaltlich habe Müller die Koalition mit der CDU heute gekündigt. "Das ist sehr bemerkenswert." Auch eine indirekte Rücktrittsaufforderung habe Müller gemacht - offenbar bezog sich das auf Müllers Satz, dass derjenige Platz mache solle, der "sich dieser Sache nicht gewachsen fühle - auch im Interesse anderer Flüchtlinge und der Berliner“. Auf diese Bemerkung spielte auch Martin Delius von den Piraten an: "Es gibt den Senat der Überforderung, der Kapazitätsgrenzen." Diese Anzeichen seien nur zu einem gut: "Platz zu machen", sagte Delius und richtete sich direkt an Czaja, der dies beim Regierenden beantragen könne.
CDU verweigerte Müller den Beifall
Für Verärgerung in den Reihen der SPD verursachte, dass die CDU-Abgeordneten Müller zu Beginn seiner Erklärung den Beifall verweigerten. Deren Fraktionschef Florian Graf wies dagegen die Kritik an Sozialsenator Mario Czaja zurück. Dieser habe frühzeitig auf die Probleme der Unterbringung aufmerksam gemacht. Die Situation aber sei so nicht vorhersehbar gewesen. Graf betonte, dass er sich schnellere Verfahren für die West-Balkan-Flüchtlinge wünsche. Ein solches Zentrum für die West-Balkan-Flüchtlinge einzurichten, sei notwendig, um die Rückführung zu gewährleisten.