Zehnpunkte-Programm für Berlin: Michael Müller will "überfällige" Schritte einleiten
Der SPD-Landeschef und Regierende Bürgermeister hat Fehler in Sachen Verwaltung eingeräumt. Insbesondere den Personalmangel will er beheben – nach der Wahl.
Angesichts des schlechten Zustands der Berliner Verwaltung hat der Regierende Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidat Michael Müller am Freitag ein Zehnpunkte-Programm für die Modernisierung des öffentlichen Dienstes vorgelegt. Dabei räumte er Fehler ein. Vor allem der Personalmangel in den Ämtern und Behörden sei „ein Riesenthema“. Leider habe in den vergangenen Jahren eine zielstrebige Personalentwicklung nicht die Rolle gespielt, die sie hätte spielen müssen. „Es wurde zu spät umgeschaltet.“ Müller räumte ein, dass Reformen nicht von heute auf morgen umzusetzen seien, nahm aber für sich in Anspruch, dass mit der „Umsteuerung“ begonnen worden sei, als er Regierungschef wurde. Weitere „überfällige“ Schritte würden nach der Abgeordnetenhauswahl eingeleitet. Müller geht davon aus, „dass die SPD gewinnt“. Es sei dann eine Selbstverständlichkeit, dass die Sozialdemokraten wieder das Finanzressort übernähmen. Dort solle die Zuständigkeit für das Personal zusammengefasst werden. Die Aufteilung der Verantwortung auf die Innen- und die Finanzverwaltung habe zu viele Reibungsverluste verursacht.
Müller will mehr Landesbedienstete schneller einstellen
Müller kündigte an, dass die Zahl der Landesbediensteten an das Wachstum Berlins – jährlich kommen 45.000 Menschen hinzu – ohne Obergrenzen angepasst werde. In den kommenden Jahren würden jährlich 5.000 bis 6.000 Mitarbeiter neu eingestellt. Stellenbesetzungen müssten beschleunigt werden. Aktuell dauert es neun bis zwölf Monate, bis ein neuer Mitarbeiter einsatzfähig ist. Der Regierende Bürgermeister versprach, „die Neuen persönlich zu begrüßen“ und sie zu ermutigen, „die Strukturen positiv zu verändern“. Für eine bessere Ausbildung des Führungspersonals schlug er vor, die Berliner Verwaltungsakademie entsprechend auszubauen.
Außerdem solle sich der öffentliche Dienst in der Hauptstadt „an den jeweils besten Verwaltungen in Deutschland“ orientieren, forderte der SPD-Landes- und -Regierungschef. Und bis 2023 solle die elektronische Akte in Berlin flächendeckend eingeführt werden. Zusätzlich sollten die fünf wichtigsten kommunalen Dienstleistungen für die Bürger „digital abgewickelt“ werden, also von zu Hause am PC oder mit der Handy-App. Wann es soweit ist, konnte Müller nicht sagen. Derzeit gehören die Beantragung eines Personalausweises bzw. Reisepasses, die Anmeldung einer Wohnung und eines Gewerbes zu den Top-Leistungen der bezirklichen Bürgerämter.
Digitalisierung der Verwaltung
In diesem Zusammenhang bekannte sich Müller zu einer „starken Bezirksverwaltung“. Die schon eingeleiteten Bemühungen, bestimmte Aufgaben für die gesamte Stadt bei einzelnen Bezirksämtern zu konzentrieren, sollten fortgesetzt werden. Die Einrichtung neuer Landesämter sei aber kein Königsweg, sagte Müller auch mit Blick auf die Forderung, die Schulsanierung einer neuen Landesbehörde zu überlassen. Es müsse „im Einzelfall ausgehandelt werden, was zentral und was dezentral organisiert wird“.
Das Konzept, das Müller in seiner Eigenschaft als SPD-Landeschef und Spitzenkandidat der Berliner Sozialdemokraten in der Parteizentrale vorstellte, fasst Beschlüsse der SPD-Fraktion und des Senats, die großenteils schon Anfang des Jahres gefasst wurden, zusammen. Das gilt auch für die Ankündigung, Auszubildende unbefristet in den Verwaltungsdienst zu übernehmen, duale Studiengänge „Öffentliche Verwaltung“ und „Bauingenieurwesen“ einzurichten und die Rekrutierung neuer Mitarbeiter auf Mangelberufe zu konzentrieren.
Berlin als verlässlicher und familienfreundlicher Arbeitgeber
Auch die Ankündigung, deutlich mehr auszubilden, digitale Bewerbungen einzuführen und den „Wissenstransfer“ von ausscheidenden auf neue Bedienstete finanziell zu fördern, ist nicht neu. Ein ungelöstes Problem für den Senat und die Bezirke ist die Rekrutierung qualifizierter Nachwuchskräfte und Quereinsteiger – wegen der starken Konkurrenz durch Brandenburg und den Bund, die deutlich besser bezahlen. Das Land Berlin werde und könne trotzdem nicht „in den Wettlauf über maximale Bezahlung“ einsteigen, sagte Müller. Stattdessen wolle Berlin als verlässlicher und familienfreundlicher Arbeitgeber punkten, außerdem schaffe der Landesdienst „Arbeit, die inhaltlich überzeugt, denn sie gestaltet die Metropole Berlin mit“.
Einem Wettbewerb der Ideen mit anderen Städten, aber auch mit anderen Parteien für eine bessere Berliner Verwaltung will sich Müller nicht verschließen. „Da bricht uns kein Zacken aus der Krone.“ Die Grünen nehmen ihn beim Wort und stellen am Dienstag einen „Zukunftspakt für den öffentlichen Dienst Berlins“ vor. Die Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop kritisierte Müllers Papier. „Es ist unglaubwürdig, wenn er nach den Versäumnissen der letzten Jahre und zum Ende seiner Amtszeit das Blaue vom Himmel verspricht.“ Der Linken-Landeschef Klaus Lederer sprach von „spätem Erwachen“ und „Wahlkampfschminke“.