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Wowereit geht, Müller übernimmt, Stöß bleibt. Parteitag der Berliner SPD.
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Update

Parteitag der Berliner SPD: "Michael Müller ist nicht Klaus Wowereit. Und das ist auch gut so"

Klaus Wowereit hält seine letzte Rede als Regierender Bürgermeister auf einem Parteitag der Berliner SPD und sagt: "Es war nicht immer angenehm, auf einen Parteitag zu kommen".

Ohne weiteres konnten die SPD-Delegierten zu ihrem  Parteitag im Berliner Congress Centrum nicht kommen. Vor der Eingangstür bildeten Verdi-Leute ein Spalier und verteilten Flugblätter. Sie demonstrierten gegen das "Kaputtsparen" des Vivantes-Konzerns. Es gebe Tochterunternehmen bei Vivantes, die in einem tariflosen Zustand seien. Das könne die SPD als Partei nicht mitverantworten.
Und innen drin, im BCC, wabert die Gerüchteküche. Wer wird Finanzsenator, wer wird Chef der Senatskanzlei. Ein Name taucht heute auf: Björn Böhning, jetzt Chef der Senatskanzlei, könnte das Finanzressort übernehmen. Und der jetzige Staatssekretär in der Stadtentwicklungsverwaltung, Christian Gaebler, könnte die Nachfolge von Böhning antreten. "Alles Spekulation", raunen SPD-Spitzenpolitiker. "Keine Ahnung, das muss Michael Müller entscheiden", sagt ein hoher SPD-Staatsbeamter. Ein anderer SPD-Mann winkt ab. "Eher unwahrscheinlich." Er verweist auf Sachsen-Anhalt, wo demnächst gewählt wird. Dort könnten vielleicht Finanzexperten sitzen wie die Staatssekretäre Jörg Felgner oder Michael Richter. Aber keiner außer Müller selbst weiß, welche Gespräche bisher geführt wurden.
Der Parteitag beginnt. Die Delegierten applaudieren bei der Begrüßung dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, seinem designierten Nachfolger Michael Müller. Auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh erhält ebenso wie Parteichef Jan Stöß Beifall.

Wowereit bekommt Standglobus geschenkt

Parteichef Jan Stöß beginnt seine Rede mit den Worten "Das ist ein besonderer Parteitag der Berliner SPD." Man verabschiede Klaus Wowereit, der seit 2001 "klare Wahlsiege" für die SPD gewonnen habe. Und Stöß kam auf Michael Müller zu sprechen. Er wünsche ihm eine "glückliche Hand". Und die Genossen applaudieren. Eine Spitzenpolitikerin amüsierte sich vorher: "Wir brauchen uns heute gar nicht hinzusetzen, sondern klatschen durch."
In ein paar Wochen werde ein "Ära" zu Ende gehen, sagt Stöß und schaut zu Wowereit. Berlin sei die "coolste Hauptstadt der Welt", zitiert Stöß einen "Stern"-Titel. Und das liege auch am "Klaus". Berlin sei die Hauptstadt der IT, der Start-up-Unternehmen. "Un das liegt auch an der harten Arbeit von Dir." Wowereit grinst. "Wir sind stolz auf Dich", legt Stöß nach. Und wieder Beifall. Wowereit ist gerührt, es sieht so aus, als ob ihm ein paar Tränen in die Augen schießen. Die Genossen stehen auf und klatschen. Man sieht, dass Wowereit vor lauter Rührung fast einen Kloß im Hals hat. Und dann wird ein Film gezeigt - über Wowereit.

Wie der "Junge aus Lichtenrade" seine politische Laufbahn begann: mit 30 jüngster Bezirksverordneter in Berlin, 1999 SPD-Fraktionschef, der Bruch der großen Koalition, am 16.6.2001 die Wahl zum Regierenden Bürgermeister. Während die Bilder gezeigt werden, schauen alle Delegierten gebannt auf die Leinwand. Jede Sequenz in dem Film zeigt Wowereit in vielen unterschiedlichen Situationen. Der Film endet mit den Worten: Danke, Klaus, für 13 gute Jahre." Wowereit steht auf und geht zu Stöß. Jetzt kommen die Geschenke. Er erhält einen riesigen Standglobus, hält ihn hoch. Und er bekommt ein Originalgemälde des Künstlers Rainer Fetting. Und nun spricht Klaus Wowereit.

Wowereit: "Es war nicht immer angenehm, auf einen Parteitag zu kommen

Es ist Wowereits letzte Rede als Regierender Bürgermeister vor SPD-Genossen. "Es war nicht immer angenehm, auf einen Parteitag zu kommen", beginnt Klaus Wowereit seine Rede. Er spricht von der "Emotionalität", die gerade kurz vor dem 25. Jahrestag des Mauerfalls in dieser Stadt zu spüren sei. "Es macht mich richtig stolz auf die Menschen, die das geschaffen haben", spricht Wowereit über den Mauerfall. Dieser Ort, Berlin, habe eine "Erfolgsgeschichte" geschrieben. Wesentlichen Anteil daran habe die SPD gehabt, sagt Wowereit. Die Genossen klatschen. Und es gebe keine Diskussion darüber, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei.
Wowereit spricht von 2001. Die SPD habe sich in einer "babylonischen Gefangenschaft" zur CDU befunden. Vielen, auch ihm, sei es so gegangen, dass man sich "bedrückt" gefühlt habe. "Es war furchtbar, es war nicht produktiv." Er erwähnt "Landowsky, die PDS". Es sei "nicht einfach gewesen, überhaupt nicht einfach" 2001 gewesen. Er sei dankbar, dass Peter Strieder, Klaus Böger und andere dazu gestanden hätten, die Koalition zu beenden. Heftiger Applaus der Genossen.
Er spricht von der Bildung der ersten rot-roten Koalition 2001. "Es war nicht ohne", sagt er. Die Koalition habe dazu geführt, "die Einheit in der Stadt wirklich herbeizuführen", sagt er und erinnert an die vielen Wählerstimmen, die die damalige PDS für sich gewinnen konnte. Wowereit spricht über den Konsolidierungskurs, den Rot-Rot herbeigeführt habe. Vieles sei richtig gewesen, aber auch einige Fehler wie Privatisierungen habe man gemacht.
"Nicht die Opposition kann uns gefährlich werden, nur wir selbst", sagt er. Die Opposition habe nichts wesentliches beizutragen für die Zukunftsfragen der Stadt. Er habe aus freien Stücken sein Amt zur Verfügung gestellt. Und er freue sich, dass auch die, die ihn kritisiert hätten, nun auch "einige Tränen in den Augen haben". Er habe versucht, die Stadt mit einer "klaren sozialdemokratischen Handschrift nach vorne zu bringen". Die Stadt stehe für Offenheit, dafür sei die Sozialdemokratie der Garant. "Und das wird immer so bleiben." Die Delegierten leisten begeisterten Beifall.

Wowereit: "Michael Müller ist nicht Klaus Wowereit. Und das ist auch gut so"

Er lobt "ausdrücklich die Fraktion". Die würde schon die Exekutive auf Trab halten. "Michael, du kennst das ja. Ich wünsche Dir viel Spaß dabei", wendet sich Wowereit an seinen designierten Nachfolger, der viele Jahre lang auch Fraktionschef war. Die Genossen. Und er lobt auch Jan Stöß. Die Partei habe die Aufgabe "hervorragend" gelöst, einen Nachfolger zu finden. "Das war stilbildend. Und es ist eine Rückenstärkung für Michael Müller", sagt Wowereit und meint den Mitgliederentscheid. Und dann kommt: der Glamourfaktor. Wowereit lacht: "Habt ihr vergessen, dass der mir immer um die Ohren gehauen wurde?" Die Genossen lachen und klatschen. Und eines sei auch klar: Michael Müller sei nicht Klaus Wowereit. "Und das ist auch gut so. Ich wünsche Dir viel Erfolg", wendet sich Wowereit an Müller. Das Amt mache viel Spaß. Er wünsche ihm "viel Glück dabei". Das erste Mal sei er 1974 SPD-Parteitagsdelegierter gewesen. Und es gebe in dem Saal noch einige Zeitzeugen. Eine Partei habe die Aufgabe, auch ideologisch zu sein und über den Tag hinaus zu denken, sagt Wowereit. Er nehme heute auch Abschied als Delegierter. Er hoffe, dass die Nachfolger "Mut" hätten, auch schwierige Themen anzupacken. "Eines der Themen ist Olympia." Er könne sich nicht verkneifen zu sagen, dass "komischerweise" alle Städte der Welt sich darum reißen würden. "Diese Stadt braucht eine Erfolgsgeschichte", wirbt er für eine Bewerbung von Berlin. "Ich ziehe mich zurück", sagt er. Und grinst, als die Genossen "ooooohhhhh" sagen. Aber wenn ihn jemand anrufe, werde er rangehen. "It's time to say good bye. I did it my way. Ich bereue nichts", endet er. Die Delegierten stehen alle auf, klatschen. Wowereit erhält einen Strauß mit roten Gerbera. Er ist sichtlich gerührt, bedankt sich und geht von der Bühne. Er überreicht Christine Bergmann eine Blume. Die Genossen klatschen weiter. Rhythmisches Klatschen. Wowereit sendet Luftküsse ins Publikum. Und sie hören nicht auf, klatschen weiter. Dann geht Wowereit wieder von der Bühne, umarmt einige Genossen. Er verneigt sich wieder vor den Delegierten. Und langsam ebbt der Applaus nach etwa fünf Minuten ab.

Müller: "Respekt gegenüber den Berlinern"

Michael Müller trägt Anzug mit Schlips - im Gegensatz zu Wowereit, der heute ein weißes Hemd trägt, ohne Krawatte. "Es gab etwas ganz besonderes, in den 35 Jahren, dass wir beide so vertraut miteinander arbeiten konnten", wendet sich Müller an Wowereit. Er habe einen "persönlichen Wunsch. Alles was Du, auch Jörn, erlebt, soll Spaß machen. Habt eine tolle Zeit. Und ein großes Dankeschön für alles, was Du für die Berliner SPD und für die Stadt gemacht hast".

Es ist Müllers Antrittsrede als designierter Regierender Bürgermeister vor den SPD-Delegierten. Er wolle die sozialdemokratische Politik auch über 2016 hinaus fortsetzen. Dafür bitte er die Partei um Unterstützung. Er habe sich über das Ergebnis des Mitgliedervotums gefreut. In der Partei habe man diskutiert, auch kontrovers. All das habe der Partei nicht geschadet. Im Gegenteil. "Ich bedanke mich bei Raed und Jan. Wir sind gut miteinander umgegangen besonders in den letzten Wochen."

Müller: "Die größte Herausforderung ist der BER"
Jeden Tag müsse die SPD unter Beweis stellen, wie es noch besser gehe in der Stadt. Das nennt Müller "gutes Regieren". Dies sei ein Auftrag für alle. In den nächsten zwei Jahren wolle er deutlich machen, dass wir die "Ansprechpartner für die Berliner sind". Partei und Fraktion müssten solidarisch und kritisch die Arbeit des Senats begleiten. "Die Betonung liegt auf solidarisch." Die SPD habe aber eine "ausgeprägte Kritikkompetenz", sagt er und die Genossen lachen. "Aber lasst uns diese dem politischen Gegner gegenüber darstellen", betont er. "Die Berliner SPD ist die Berlin-Partei. Und keine andere in der Stadt."
Er freue sich auf die spannende Aufgabe, die ihn erwarte. Auch bei den großen bundespolitischen Themen - Finanz-, Arbeitsmarktpolitik und Flüchtlingspolitik - werde er nicht ausklammern. "Ich werde mich für unsere Stadt darin einbringen", sagt Müller. Er appelliert an seine Partei, "Respekt" den Berlinern gegenüberzubringen, auch den "kleinen Leuten". Er wolle der SPD-Regierende Bürgermeister für alle Berliner werden.
Die Stadt habe große Baustellen. "Die größte Herausforderungen ist ohne Frage der BER. Ich werde in den Aufsichtsrat gehen und Verantwortung übernehmen", sagt Müller. Es könne doch nicht sein, dass man auf der Baustelle nichts sehe, keine Bauleute sichtbar seien. "Die Berliner erwarten Glaubwürdigkeit und Aussagen, wie es langgeht mit dem Flughafen", ruft er. Müllers Stimme wird lauter. Man hört seinen Ärger über das BER-Chaos deutlich heraus. "Ein funktionierender Flughafen ist der Schlüssel des Erfolges für eine Metropole des 21. Jahrhunderts."

Er kommt auf Olympia zu sprechen. "Seriös regieren, heißt nicht kleinmütig werden. Lasst uns gemeinsam mal Mut haben", fordert er und meint Selbstbewusstsein. Der "Funke" müsse doch in Berlin überspringen für eine Bewerbung, eine Olympia-Begeisterung. Natürlich müsse das IOC Reformen einleiten. Das sei der Anfang der Diskussion. Er wolle "Workshops" in Berlin organisieren und mit den Berlinern ein Konzept erarbeiten. "Die Stadt muss davon profitieren." Auch für die "Zeit danach" müsse etwas Positives dabei herauskommen. Eine politische Inventur sei während des Mitgliederentscheids erfolgt. Das Wort "solidarisch" kommt erneut bei Müller vor. Er erinnert an die Geschichte der Stadt. Das, was in den 25 Jahren in der Stadt geleistet wurde, sei eine "unglaubliche Erfolgsgeschichte, die uns niemand mehr nehmen kann". Solidarität - dieses Wort kenne man in der Stadt auch aus Zeiten der Blockade. Veränderungen hätten hier nach der Wende auch stattgefunden. Das soziale Umfeld sei für viele von einem Tag auf den anderen weggefallen. Aber: "Die zehn Jahre Rot-Rot waren gute Jahre für die Stadt", betont Müller. Sie hätten dazu beigetragen, die "Mauer in den Köpfen" abzubauen. Und erneut spricht Müller von der "solidarischen Stadt". Er wolle eine "aktive Bürgergesellschaft, jeder soll sich einbringen". Solidarität bedeute für ihn auch, den Schwachen zu helfen. Flüchtlinge würden nach Berlin kommen, die traumatisiert seien. "Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass sie hier eine Unterkunft haben, dass sie hier Bildung und Chancen erhalten", sagt Müller. Und die Genossen klatschen heftig. Auch in der Flüchtlingspolitik müsse klar werden, dass die Stadt "sozialdemokratisch geführt ist". Solidarität beginne darin, "unvoreingenommen zuzuhören". Das sei in der Integrationspolitik manchmal nicht passiert. Müller sagte, man müsse auch den Stadtteilmüttern "finanzielle Sicherheit" geben.

Müller: "Ich will, dass wir alle an einem Strang ziehen"

Rechtspopulisten dürften in Berlin keine Chance haben, fordert Mülller und erwähnt die AfD. "Wir lassen uns die Toleranz der Stadt nicht kaputtmachen." Und die Genossen klatschen erneut. Müller spricht von einem Ziel, das er habe: Er will Berlin wieder zu einer "wirtschaftlich führenden Stadt in Europa" machen. Arbeit zu haben, sei "mehr als Geld zu verdienen".  Gute Arbeit müsse "zukunftsfest, gut bezahlt und nachhaltig sein". Berlin müsse weiter reindustrialisiert werden. "Made in Berlin" müsse wieder eine Marke werden. Jeder werde hier die Chance zu einem beruflichen Aufstieg haben. Die neue "Berliner Mischung Bildung, Arbeit, Wohnen", betont Müller, werde in Tegel zu sehen sein, wenn dort 4000 Wohnungen entstehen. Als Regierender Bürgermeister werde er sich weiter mit der Mietenpolitik auseinandersetzen. "Ich schlucke manchmal, ich war richtig gerne Stadtentwicklungssenator", sagt Müller und lacht. Berlin müsse bezahlbar bleiben mit einer lebendigen Innenstadt. "Berlin war und ist die Stadt der Mieter. Und das soll auch so bleiben. Dafür werden wir kämpfen." Auch Künstler würden ihre Räume, die sie bräuchten, erhalten. "Ich freue mich auf das Amt als Kultursenator. Mein Ziel wird es sein, die Vielfalt zu fördern - im Kiez oder Unter den Linden", sagt Müller. Berlin müsse ein "Ort des Dialogs" sein. "Gutes Regieren heißt Dialog, Partizipation und Offenheit." Und erneut spricht Müller von der "solidarischen Stadt". Er verstehe sein künftiges Amt auch so, dass er den "Kompromiss suchen muss", um "Gutes für möglichst viele zu organisieren".

Und er kritisiert den Koalitionspartner. Er werde nicht mehr akzeptieren, dass es in der Innenverwaltung auch nach drei Jahren Regierungsverantwortung noch kein richtiges Personalentwicklungskonzept gebe. "Ich will keinen Innensenator, der durch die Stadt geht mit der Haltung, wer nichts macht, macht nichts verkehrt." Das ist ein deutliches Wort an Frank Henkel. "Ich will jeden Tag dafür arbeiten, dass wir ein bisschen mehr Vertrauen zurückbekommen. Ich will, dass wir alle an einem Strang ziehen", appelliert er an die Genossen. Aber er warnt auch vor innerparteilichen Querschüssen. "Ich werde auch über 2016 darüber hinaus für unseren Erfolg arbeiten. Ich habe richtig Lust darauf", sagt Müller. "Gemeinsam werden wir das schaffen", sind Müllers letzte Worte in der Rede. Die Genossen stehen auf uns applaudieren. Wowereit steht neben ihm. Er freut sich über den Applaus für seinen Wunsch-Nachfolger. Man sieht, dass zwischen den beiden eine tiefe Vertrautheit, ein politisches Vertrauen in all den Jahren ihrer Zusammenarbeit entstanden ist. Der Weg für den Nachfolger ist geebnet.

Welche Erwartungen von diesem Parteitag ausgehen und was auf Michael Müller zukommt, können Sie hier nachlesen.

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