Müller soll's machen: Was auf den neuen Berliner Bürgermeister wartet
An diesem Samstag wird Michael Müller von der Berliner SPD als Regierender Bürgermeister nominiert. Was kommt auf das künftige Senatsoberhaupt zu?
Es ist ein historischer Parteitag für die Berliner SPD. Die Sozialdemokraten verabschieden sich an diesem 8. November im Berliner Congress Centrum vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, der Anfang Dezember zurücktreten wird. Sein Nachfolger steht bereit: Stadtentwicklungssenator Michael Müller, der viele Jahre SPD-Landes- und Fraktionschef war. Er setzte sich in einer Befragung der Parteibasis gegen die Kontrahenten Jan Stöß (Landesvorsitzender) und Raed Saleh (Fraktionschef) durch und wird am Samstag per Akklamation nominiert.
Welche drängenden Probleme kommen auf Michael Müller zu?
Der Flughafen BER wird auch Müller wie ein Klotz am Bein hängen. Einen Tag nach seiner Amtseinführung tagt der Aufsichtsrat und wird den neuen Regierungschef in das Kontrollgremium wählen. Ob er im nächsten Jahr den Vorsitz übernimmt, ist offen. Ein zweites großes Thema ist die Reform des Länderfinanzausgleichs, die Verhandlungen sind in der Endphase, und sollte Berlin bei der Neuverteilung der Gelder schlecht wegkommen, wird der finanzielle Spielraum für den Stadtstaat wieder eng, wenn auch erst ab 2020. Aber die politische Stimmung dürfte dies schon viel früher eintrüben. Das dritte Mega-Problem sind fehlende Wohnungen, steigende Mieten und Preise für Wohnungseigentum. Ein sozialer Sprengstoff erster Güte. Wenn Müller es nicht schafft, daran spürbar und relativ schnell etwas zu ändern, muss er schon 2016 um sein Amt bangen.
Was sind seine Lieblingsthemen?
Müllers Agenda ist schnell beschrieben: bezahlbare Wohnungen, Investitionen in Bildung (vor allem Schulen und Kitas), Stärkung des Mittelstands und mehr Arbeitsplätze, ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst und solide Finanzen. Seit dem Volksentscheid zu Tempelhof hat er auch die Beteiligung der Bürger und eine möglichst transparente Regierungspolitik für sich entdeckt.
Wie reagiert die CDU auf ihn?
Ambivalent. Einerseits ist der Union ein Regierungschef Müller lieber als die unterlegenen Mitbewerber Stöß und Saleh, weil er als verlässlicher, kompetenter und pragmatischer Politiker gilt. Andererseits müssen die Christdemokraten aufpassen, dass sich Müller als neuer Anführer von Rot-Schwarz nicht allzu positiv profiliert, schließlich wird er die SPD im übernächsten Jahr in den Wahlkampf führen. Den will zur Abwechslung mal die CDU gewinnen. Das miteinander Regieren dürfte deshalb schwierig werden. Und die Union wird versuchen, die drei Ex-Kontrahenten Müller, Stöß und Saleh gegeneinander auszuspielen.
Wie steht die eigene Partei zu Müller?
Sie steht derzeit voll hinter ihm. Das Ergebnis des Mitgliedervotums, 59,1 Prozent im ersten Wahlgang, war so überzeugend, dass sein Führungsanspruch nicht anfechtbar ist. Wollte Müller jetzt auch noch Parteichef werden, hätte er sicher eine Mehrheit. Aber er will vorerst nicht. So wird er auf dem Landesparteitag per Handaufheben für das Amt des Regierenden Bürgermeisters nominiert, und er kann bei der geheimen Wahl im Abgeordnetenhaus Anfang Dezember auf die Loyalität der SPD-Fraktion rechnen. Es sind keine Heckenschützen in Sicht.
Und die Opposition?
Es ist zu erwarten, dass Grüne und Linke nach der Amtseinführung Müllers eine kritische, aber konstruktive Oppositionspolitik betreiben. Denn beide Parteien hoffen, nach der Berliner Wahl 2016 wieder mitregieren zu können. Zwar werden die Grünen auch von der CDU diskret umworben, aber die Sozialdemokraten bleiben der klare Favorit. Das gilt erst recht für die Linke, die keine Alternative zur SPD hat. Müller ist in beiden Oppositionsparteien wohlgelitten – als solider Handwerker, fairer Partner und umsichtiger Moderator. Bis 2011 war er ein überzeugter Verfechter der rot-roten Koalition in Berlin. Dafür wäre er künftig ebenfalls zu haben. Aber auch zu den Grünen hat er den Gesprächsfaden nie abreißen lassen, trotz Differenzen vor allem in der Stadtentwicklungspolitik.
Bei Klaus Wowereit war das anders, er mag die Grünen nicht besonders und hatte in seiner Regierungszeit immer die Tendenz, dem jeweiligen Regierungspartner notfalls brutal zu zeigen, wo der Hammer hängt. Allerdings strebt Müller keine rot-rot-grüne Dreierkonstellation an, die immer schwierig ist, weil die beiden kleineren Partner dazu neigen, sich auf Kosten des jeweils anderen zu profilieren. Das führt zur Opposition in der Regierung. Ein Zweierbündnis setzte aber voraus, dass die Sozialdemokratie bei der Wahl 2016 deutlich über 30 Prozent der Stimmen bekommt und Grüne beziehungsweise Linke mehr als 15 Prozent erreichen.
Wie sehen die Berliner den neuen Regierungschef?
Nach dem Mitgliedervotum der SPD konnte Müller gleich die ersten Vorschusslorbeeren ernten. Laut einer Umfrage des Instituts Forsa sprang der künftige Regierungschef in der Beliebtheitsskala auf den zweiten Platz – hinter dem scheidenden Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Ihm bescheinigten Zweidrittel der befragten Berliner, dass er „etwas von den Problemen und Belangen Berlins versteht“. Und die Mehrheit der Bürger ist der Ansicht, dass Müller kompetent, geradlinig und sympathisch sei. Laut Infratest dimap sehen 40 Prozent der Berliner der Amtszeit Müllers optimistisch entgegen, nur 15 Prozent äußern sich skeptisch. Die Nominierung des Regierenden Bürgermeisters durch die Parteibasis hat der Berliner SPD genützt. Seit Ende Oktober steht sie bei der Sonntagsfrage mit 26 beziehungsweise 27 Prozent wieder knapp vor dem Koalitionspartner CDU. Entscheidend für die Wahl 2016 wird aber sein, wie sich die politische Stimmungslage im nächsten Jahr entwickelt, wenn Müller die Stadt regiert.
Kann Müller auch Wahlen gewinnen?
Sein direkter Gegenspieler ist der Innensenator und CDU-Landeschef Frank Henkel, der für 2016 als Spitzenkandidat der Union gesetzt ist. Würde der Regierende Bürgermeister in Berlin direkt gewählt, läge der künftige SPD-Spitzenkandidat Müller derzeit weit vorn. Laut Forsa mit 43 zu 16 Prozent. Allerdings wollen sich 41 Prozent der Bürger momentan für keinen der beiden entscheiden.
Seit 2001 haben die Berliner Sozialdemokraten drei Wahlkämpfe auf den profilierten und viele Jahre auch populären Regierungschef und SPD-Spitzenkandidaten Klaus Wowereit zugeschnitten. Für den soliden, aber wenig charismatischen Müller werden sich die Wahlkampfmanager etwas anderes ausdenken müssen. In der Sitzung des SPD-Landesvorstands am vergangenen Montag hat Müller bereits erste Pflöcke eingerammt. Er forderte ausreichende finanzielle Mittel für den Wahlkampf ein, und dem Vernehmen nach soll er 2016 genauso viel ausgeben dürfen wie sein Vorgänger Wowereit 2011. Das wären 1,7 Millionen Euro.
Müller will zudem maßgeblichen Einfluss auf das Wahlprogramm der SPD nehmen. Erste Vorbereitungen wird die Partei auf einer Vorstandsklausur im März 2015 treffen. Allerdings ist geplant, dass die Mitglieder an der Erarbeitung des Wahlprogramms direkt beteiligt werden. Das macht die Sache kompliziert. Voraussichtlich wird der künftige SPD-Spitzenkandidat den Parteifreund Robert Drewnicki, der ihm in der Stadtentwicklungsbehörde als Kommunikationsberater diente, als persönlichen Wahlkampfmanager einsetzen. Drewnicki hat 18 Jahre bei der Werbeagentur Runze & Casper gearbeitet. Der künftige Regierende behält sich auch vor, dass er bestimmen darf, welche Agentur den SPD-Wahlkampf 2016 werberisch begleitet. Momentan heißt der Chef im Ring Michael Müller.