Organisierte Kriminalität: Mehr Menschenhandel, weniger Einbrüche - Staatsanwaltschaft stellt Lagebericht vor
Erfreut zeigt sich der Justizsenator über Ermittlungserfolge. Doch die Mühlen mahlten oft zu langsam, kritisiert wiederum der Leiter der Staatsanwaltschaft.
Der Justizsenator war zufrieden. „Wir haben teilweise sehr erfreuliche Erfolge erzielt und Täter abgeschreckt. Wir haben eine Menge erreicht“, sagte Dirk Behrendt (Grüne) am Montag. Da stellte er, zusammen mit Jörg Raupach, dem Leiter der Berliner Staatsanwaltschaft, und Nina Thom, Leiterin der Abteilung Vermögensabschöpfung bei der Staatsanwaltschaft, den Lagebericht 2018 bis 2020 zur Organisierten Kriminalität (OK) vor.
Behrendt dachte dabei auch ans Geld. 121,677 Millionen Euro hat die Staatsanwaltschaft 2020 rechtskräftig von Kriminellen einziehen lassen. 7,165 Millionen Euro kamen allein von der Abteilung, die für Vermögensabschöpfung zuständig ist. Unabhängig davon haben alle vier Abteilungen, die in Berlin Organisierte Kriminalität bearbeiten, 5,45 Millionen Euro eingezogen. Das Geld wurde zunächst nur sichergestellt, bei späteren Strafverfahren wird entschieden, was damit passiert. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 24,55 Millionen Euro. Die Abteilung von Nina Thom sicherte 1,182 Millionen Euro, die vier OK-Abteilungen separat davon 1,16 Millionen.
Zu den sichergestellten Vermögenswerten gehören auch 75 Immobilien, die einer arabischen Großfamilie, dem berüchtigten Remmo-Clan, zugeordnet werden. 2018 wurden sogar insgesamt 77 Immobilien im Wert von rund zehn Millionen Euro sichergestellt; die Familie ist damit von den Mieteinnahmen abgeschnitten. Zwei der Immobilien sind inzwischen rechtskräftig in den Besitz des Landes Berlin übergegangen. Wann über die restlichen Immobilien entschieden wird, konnte Thom nicht sagen.
Aber dass „es Eindruck gemacht hat, dass wir ihnen den Geldhahn zugedreht haben“, verkündete die Abteilungsleiterin mit sichtlichem Stolz. „Denn Strafe schreckt solche Menschen nicht ab.“ Ihre Abteilung besteht seit Ende 2018, in ihr arbeiten sechs Rechtspflegerinnen und vier Staatsanwältinnen. Ihre Arbeit ist die Reaktion auf die komplexe rechtliche Lage bei dieser Art von Delikten. „Wegen dieser Komplexität war es klar, dass die Ermittlungen und Verfahren nicht bei der Abteilung für Geldwäsche bleiben konnten“, sagte Thom. „Und die Zahlen geben uns recht.“
Die Clankriminalität ist zwar ein spektakulärer und über lange Zeit aus politischen Gründen vernachlässigter Bereich, weil Clankriminalität vorwiegend auch mit Ausländerkriminalität zu tun hat, doch die OK-Abteilungen haben daneben auch noch viele andere Kriminal-Gebiete zu bearbeiten.
[Lesen Sie auch das Interview mit einem Berliner Staatsanwalt über Clan-Kriminalität :„Wir können Straftäter anklagen, aber sie nicht aus Deutschland hinausbringen“. Bei Tagesspiegel Plus.]
Seit einiger Zeit gehört verstärkt Arbeitsausbeutung dazu. Für Raupach „ein neues Phänomen“, und zugleich ein bedenkliches. Viele Menschen werden als billige Arbeitskräfte mit minimalen Löhnen, ohne Festanstellung, ohne ausreichend soziale Absicherung, ohne Rücksicht auf gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeiten beschäftigt. Meist sind sie illegal in Deutschland, fühlen sich dadurch auch rechtlos und müssen von ihrem kargen Lohn auch noch die angeblichen Kosten ihrer Einschleusung durch gut organisierte Banden zurückzahlen. „Wir arbeiten sehr gut mit dem Zoll zusammen“, sagte Raupach.
Das Bundeskriminalamt (BKA) etwa hatte Berlin kürzlich als „Dreh- und Angelpunkt“ vietnamesischer Menschenhändler in Westeuropa bezeichnet und dabei besonders das Dong Xuan Center in Lichtenberg genannt. Strafverfahren wegen illegalen Menschenhandels seien sehr aufwendig, sagte Behrendt ebenso solche wegen Drogenhandels. Hier hätten die Ermittlungen oft einen jahrelangen Vorlauf.
36 Staatsanwälte und Staatsanwältinnen arbeiten in den vier OK-Abteilungen, mehr als zehn Prozent des gesamten Mitarbeiterstamms der Staatsanwaltschaft. 100 Prozent bei der gesamten Staatsanwaltschaft bedeuten übersetzt 421 Stellen, ihre Zahl ist erheblich gestiegen. „Als ich 2016 begonnen habe, waren es 354 Stellen“, sagte Behrendt. Die OK-Abteilungen haben auch den organisierten Fahrraddiebstahl „als belastendes Feld“, sagte Raupach. Und natürlich Wohnungseinbrüche. Durch die Pandemie ist die Zahl hier aber erheblich zurück gegangen.
„Wir wollen Druck aufbauen“
Fünf Personen umfasst zudem die neue Task Force, die prüfen soll, ob Notare es melden, wenn sie bei Immobiliengeschäften Hinweise auf Geldwäsche haben. „Wir haben eine recht hohe Beanstandungsquote“, sagte Behrendt, „es ist sinnvoll, da genauer hinzuschauen“. Eine hohe Beanstandungsquote hat auch Raupach, allerdings bei einem ganz anderen Problem. Die Auswertung von DNA-Spuren und beschlagnahmten Computerdateien dauert ihm viel zu lange, oft verstreichen mehrere Monate. Damit gehe wertvolle Zeit verloren. Die Gegenmaßnahmen der Staatsanwaltschaft sind deutliche Briefe an das Landeskriminalamt (LKA). „Wir wollen Druck aufbauen“, sagte Raupach.
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Doch das LKA ist die falsche Adresse, Wer tatsächlich unter Druck gesetzt werden müsste, erklärte Behrendt: Sein Kabinettskollege Andreas Geisel (SPD). Der leitet die Senatsinnenverwaltung und ist für die Personalausstattung der Polizei zuständig. „Wir sind seit langem in Gesprächen mit der Innenverwaltung“, sagt Behrendt. „Wir sind zwingend darauf angewiesen, dass wir eine schnelle Auswertung dieser Spuren und Dateien haben. Da ist Luft nach oben.“
Ein anderes Problem von Raupach lässt sich allerdings auch mit noch so viel Personal nicht lösen. „Es gibt keine Hoffnung“, sagt der Behördenleiter, „dass wir die Kriminalität ganz beseitigen können. Wir können sie nur eindämmen.“ (mit dpa)
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