Zehn Prozent mehr Cannabis, Heroin und Kokain: Mehr Drogen in Berliner Haftanstalten gefunden
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) kündigt mehr Personal für die JVAs an: Bald sollen 30 neue Wachleute kommen. Vollzugsbedienstete fordern Spürhunde.
In den größten Haftanstalten Berlins sind 2017 mehr Drogen gefunden worden als im Vorjahr. Nach Tagesspiegel-Informationen wurden in den Gefängnissen Moabit, Tegel, Plötzensee, Heidering und der Jugendstrafanstalt 2017 im Schnitt fast zehn Prozent mehr Cannabis, Heroin und Kokain konfisziert als 2016.
„Ja, wir haben ein Drogenproblem in unseren Anstalten“, sagte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) dem Tagesspiegel. „So wie das in Gefängnissen fast überall der Fall ist.“ Man habe die Kontrollen intensiviert, was zur Folge gehabt haben könnte, dass zuletzt mehr Drogen gefunden wurden. In den fünf genannten Anstalten fanden Vollzugsbeamte 2016 zusammen 5004 Gramm Cannabis, 2017 waren es mehr als 5336 Gramm. Zudem wurden 2016 fast 38 Gramm Heroin gefunden, mehr als 52 waren es 2017. Bei Kokain ging es um 61 Gramm, im vergangenen Jahr 68 Gramm.
Wegen Drogen gibt es Schlägereien - und epileptische Anfälle
„In den Anstalten gibt es massive Schwierigkeiten mit Drogen aller Art“, sagte der Landeschef des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Thomas Goiny. „Und das merken wir nicht nur an den Funden.“ Denn die sichergestellten Drogen sagen wenig über die in den Häusern tatsächlich verfügbare Menge aus. Vielmehr bemerkten die Bediensteten gehäuft Schlägereien um Drogen oder durch Betäubungsmittel herbeigeführte epileptische Anfälle. Wie bei sogenannten Kontrolldelikten üblich, fällt die Begehung der Tat erst auf, wenn die Behörden entsprechende Nachforschungen anstellen. Denn sowohl Dealer als auch Konsumenten wollen, dass die Drogen unentdeckt bleiben, weshalb Anzeigen – anders als etwa bei Raub – ausbleiben.
Zudem verteilen sich die Drogenfunde ungleich auf die Gefängnisse. In der Justizvollzugsanstalt Moabit, wo Untersuchungshäftlinge einsitzen, nahm die Menge 2017 leicht ab. In Plötzensee nahm sie hingegen zu. Dort wurden 2016 weniger als ein Gramm Kokain sichergestellt, 2017 mehr als 23 Gramm. In Tegel, wo viele Langzeithäftlinge einsitzen, waren es vergangenes Jahr fast 47 Heroin und 2379 Gramm Cannabis – ebenfalls eine Steigerung zum Vorjahr.
Eigene Spürhunde im Gefängnis?
In den fünf genannten Anstalten sind mehr als 3000 der rund 4000 Berliner Gefangenen untergebracht. Alle genannten Zahlen stammen von der Justizverwaltung. Sie weisen auch aus, dass Hunderte Tabletten des Schmerzmittels Subutex, in den Gefängnissen gefunden wurden. Auch in der Frauenhaftanstalt gab es vereinzelt Drogenfunde. „Es fehlt Geld für Modernisierungen, es fehlen Hunde, es fehlt Personal“, sagte Vollzugsvertreter Goiny. „Nach den Ankündigungen der vergangenen Tage, hoffen wir dass sich der Justizsenator durchsetzt und tatsächlich mehr für den Vollzug geschieht.“
Nach einem spektakulären Ausbruch und nicht zurückgekehrten Freigängern aus der Anstalt in Plötzensee, hatte sich Senator Behrendt rechtfertigen müssen. Nun laufen Disziplinarverfahren gegen Bedienstete, eine externe Kommission prüft die Abläufe.
Immer wieder hatten Vollzugsbeamte eigene Spürhunde gefordert. Die vom Vorgänger-Senat dafür eingeplanten Mittel, hat Behrendt streichen lassen. „Wir nutzen die Drogenspürhunde der Polizei“, sagte der Senator. Er habe mit Innensenator Andreas Geisel (SPD) darüber gesprochen, dass die Polizeihunde regelmäßig in den Anstalten eingesetzt werden sollen. Bis auf die Jugendstrafanstalt wurden die eingangs genannten Gefängnisse 2017 mit Spürhunden besucht, Moabit ein-, Plötzensee drei,- Tegel vier– und Heidering sechsmal.
Noch im Januar 30 neue Bedienstete für Justizvollzug
Weitaus besser sei es, sagte Senator Behrendt, den Schmuggel in die Anstalten zu verhindern: „Wir haben bald mehr Fachkräfte, so dass wir etwa die Wege an den Mauern besser absuchen können.“ Wie berichtet, hatte Behrendt angekündigt, dass in diesem Jahr 120 Frauen und Männer ihre Ausbildung für den Justizvollzug beendeten. Davon werden 30 Azubis Ende Januar fertig sein.
In den Anstalten arbeiten 1900 Bedienstete mit Gefangenen. Rund 200 Stellen sind unbesetzt. Vollzugsgewerkschafter Goiny hält pro Anstalt eine Sicherungsgruppe von bis zu 15 Bediensteten für nötig, die regelmäßig Zellen, Wege und Mauern überprüft. Derzeit seien die Sicherungsgruppen viel kleiner. Für eine fachgerechte Zellenrazzia sind zwei Beamte nötig, damit einer von beiden als Zeuge dienen kann, falls der andere Illegales im Haftraum gefunden hat. Drogen gelangen etwa mit Hilfe von Besuchern sowie durch Würfe über Mauern und Zäune in die Anstalten. Beliebt sind dazu gefüllte Tennisbälle – aber auch Drohnen, die Ladungen über dem Hafthof abwarfen, wurden verwendet.
In einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der CDU im Abgeordnetenhaus vom vergangenen Jahr heißt über die Lage in 2016: 27 Prozent der fast 3800 männlichen Gefangenen in Berlin seien betäubungsmittelsüchtig gewesen.