Vivantes-Kliniken und Charité in Berlin: Matthias Platzeck wird „Moderator“ im Tarifstreit der Vivantes-Tochterfirmen
Franziska Giffey hilft, dass Brandenburgs Ex-Ministerpräsident im Lohnkampf vermittelt. Die Berliner Wahlsiegerin will den Pflegestreik noch mit aktuellem Senat lösen.
Im Streik an Berlins landeseigenen Krankenhäusern zeichnet sich vage eine Lösung ab. Die Gespräche mit der Charité seien gut vorangeschritten, teilten die Verdi-Verhandler am Dienstag mit, in den Vivantes-Kliniken liege man noch deutlich auseinander. Genau dort, im Tarifkonflikt um die Vivantes-Tochterfirmen, soll nun Matthias Platzeck als „Moderator“ helfen.
Der Brandenburger Ex-Ministerpräsident und SPD-Politiker wird zwar offiziell kein Schlichter. Das will die Gewerkschaft nicht, weil Streiks während einer Schlichtung üblicherweise ausgesetzt werden müssen. Verdi-Verhandler Ivo Garbe bestätigte jedoch, dass man Platzeck als Vermittler akzeptiere, der die Gespräche zwischen Streikenden und Klinikvorstand moderiere.
Die Streikenden fordern höhere Löhne für Küchen-, Reinigungs- und Transportkräfte in den Vivantes-Tochterfirmen. Platzeck hatte schon 2021 erfolgreich im monatelangen Arbeitskampf an der CFM vermittelt, der entsprechenden Tochterfirma der Charité.
Giffey: Platzeck bringt Verhandlungsgeschick mit
Platzecks neuer Einsatz geht auf Initiative der sozialdemokratischen Wahlsiegerin in Berlin, Franziska Giffey, zurück. „Er bringt viel Erfahrung und Verhandlungsgeschick mit. Verhandeln heißt aufeinander zugehen“, sagte Giffey dem Tagesspiegel. „Ich bin daher froh, dass sowohl Verdi als auch Vivantes Matthias Platzeck als Vermittler akzeptieren.“
Die in Verdi organisierten Beschäftigten an den landeseigenen Kliniken, also den Vivantes-Häusern und der Charité-Hochschulmedizin, kämpfen an zwei Tariffronten: Sie fordern in beiden Klinikkonzernen neue Personalquoten in der Pflege sowie für die Vivantes-Töchter den vollen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD).
Giffey sprach am Dienstag mit den Streikenden. Die SPD-Politikerin hatte sich schon zuvor mit Pflegekräften getroffen. Nun, mit dem Nimbus der designierten Senatschefin, wurde es konkreter. Nach einem nichtöffentlichen Gespräch traten Giffey, der für die Vivantes-Töchter zuständige Verdi-Verhandler Garbe und die im Streik maßgebliche Charité-Intensivpflegerin Dana Lützkendorf gemeinsam auf.
Giffey will Finanzierung der Krankenhäuser in Koalitionsverhandlungen besprechen
Giffey sagte, der Tarifkonflikt müsse noch unter dem amtierenden Senat gelöst werden, schon weil eine neue Landesregierung vielleicht erst im Dezember vereidigt werde. Möglich sei, dass der rot-rot-grüne Senat doch noch Investitionsmittel freigebe, um insbesondere dem klammen Vivantes-Konzern aktuelle Sanierungen zu erleichtern – und so dort benötigtes Geld für Personal reserviert werden könne.
Hintergrund ist die „duale Finanzierung“, wonach gesetzlich gilt, dass die Krankenkassen für Personal und Arzneimittel zahlen, die Bundesländer für Bauten und Technik. Berlins Senate aber haben über viele Jahre weniger gezahlt, als die Kliniken für Sanierungen brauchten, weshalb – grob vereinfacht – Personalmittel in Bauten investiert wurden.
SPD-Wahlsiegerin Giffey kündigte an, Grundsätzliches zur Klinikfinanzierung in den Koalitionsgesprächen mit Grünen, Linken, FDP und CDU zu erörtern. Der neue, von ihr selbst geführte Senat werde sich auf Bundesebene dafür einsetzen, die Fallpauschalen abzuschaffen. Bislang erhalten Kliniken von den Krankenkassen fixe Pauschalen pro Diagnose, also für jede Behandlung eine bestimmte Summe.
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Verdi hatte im Mai öffentlich verbindliche Personalquoten in einem „Entlastungstarifvertrag“ gefordert. Immer wieder berichteten Pflegekräfte, Hebammen und medizinisch-technische Assistenten von der Personalnot im Stationsalltag. Der auch für die Patienten gefährliche Stress sei durch den Ausstand kaum noch heftiger geworden. Nach einem 100-Tage-Ultimatum rief Verdi zum unbefristeten Ausstand auf. Der Pflegestreik läuft seit dem 9. September.
In jedem der acht Vivantes-Krankenhäuser und an den drei Charité-Hauptstandorten mussten Betten gesperrt werden. Tausende Behandlungen wurden verschoben, in einigen Fällen hatten sich Patienten für ihre planbaren Operationen andere Krankenhäuser gesucht. Bislang wurde geschätzt, die Gewerkschaftsforderung bedeute letztlich, dass Charité und Vivantes bis zu 15 Prozent mehr Pflegepersonal, also jeweils mehr als 600 Fachkräfte neu anstellen müssen.
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Wie berichtet, veröffentlichten die Krankenhausleiter kürzlich andere Zahlen: Demnach zöge der Verdi-Wunsch an der Universitätsklinik in drei Jahren 1200 zusätzliche Vollzeit-Pflegekräfte nach sich, im größeren Vivantes-Konzern sogar 2800. Die Charité teilte vor einigen Tagen mit, trotz bundesweiten Fachkräftemangels habe man 700 neue Stellen angeboten und sei „an die Grenze des Machbaren gegangen“.
Politische Dimension des Pflegestreiks
Bei Vivantes geht es neben der Pflege um die Tochterfirmen. Für das dortige Reinigungs- und Küchenpersonal fordert Verdi den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD). Der Vivantes-Vorstand teilte mit, man habe erfolglos ein 47-Millionen-Euro-Paket angeboten, um die 1250 Beschäftigten, die ohne TVÖD arbeiten, in den höheren Tarif zu führen. Vivantes betreibt Kliniken, Heime und einen Pflegedienst und hat 2020 mit 30 Millionen Euro Verlust abgeschlossen.
Der Arbeitskampf gehört zu den längsten im deutschen Gesundheitswesen. Nicht nur die Dauer des Ausstandes ist ungewöhnlich, der Streik hat auch eine immense politische Dimension. Vertreter aller Parteien suchten Kontakt, die rot-rot-grüne Koalition solidarisierte sich mit den Pflegekräften. Dennoch blieb der Senat hart; ob es neue finanzielle Zusagen für die Kliniken gibt, wird sich zeigen.
Verdi und die Klinikleiter konnten sich auch nicht auf die sonst üblichen Notdienstvereinbarungen einigen. Die Streikenden kündigten an, dass Akutfälle versorgt würden. Leitende Ärzte hatten Druck auf Verdi gemacht, der Vivantes-Vorstand sogar versucht, per Gerichtsbeschluss gegen einen Streik in den Tochterfirmen vorzugehen.