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Blick auf den Roboterarm, an dessen Ende die Cyberknife-Technik montiert ist.
© Wiebke Peitz/Charité Universitätsmedizin

Tumore bestrahlen mit Cyberknife: Manchmal besser als das Messer

Die neue Cyberknife-Technik bestrahlt Tumore mit der Präzision eines Roboters. Deshalb kooperieren dazu nun die Universitätsklinik Charité und die Barmer GEK.

Cyberknife – das Wort klingt ziemlich futuristisch. Dabei ist dieses medizinische Großgerät längst auf Erden angekommen. Inzwischen wurden weltweit mehr als 200 000 Patienten damit behandelt, ungefähr 750 davon an der Charité. Erste Stadt in Deutschland war München, inzwischen gibt es dort schon elf Standorte. Das Cyberknife ist höchst gegenwärtig.

Streng genommen ist es kein Messer, sondern ein System zur Strahlenbehandlung. Man kann es allerdings mit Fug und Recht als messerscharf bezeichnen, weil mit ihm gut- und bösartige Tumore und deren Absiedlungen besonders präzise bestrahlt werden können. Denn der dafür benötigte Linearbeschleuniger ist auf den flexiblen Arm eines Roboters montiert. Das macht den Strahl beweglich. Bekommt das Cyberknife über Röntgenaufnahmen und einen Bildverarbeitungsrechner während der Behandlung Informationen, dass sich die Lage des Patienten gegenüber der Ausgangsposition minimal verändert hat – etwa durch unvermeidliche Bewegungen beim Atmen –, passt es sich sofort an. Der Patient muss nicht, wie bei anderen Strahlenbehandlungen, fixiert oder in einen künstlichen Atemstillstand versetzt werden.

Prinzipiell kommt das Cyberknife für gutartige und bösartige Tumore im Gehirn und an Kopf und Wirbelsäule oder für Metastasen im Gehirn und in anderen Organen infrage, im Einzelfall auch für Tumore von Lunge, Leber und neuerdings auch Niere. Voraussetzung ist, dass sie nicht zu groß sind und klare Abgrenzungen haben, wie der Neurochirurg Markus Kufeld erklärt. Er konnte seit 2007 in München Erfahrungen mit dem robotergeführten Bestrahlungsgerät sammeln und ist heute einer der Leiter des 2011 gegründeten Charité CyberKnife Center, dessen Direktorium Volker Budach, Direktor der Klinik für Radioonkologie, und Peter Vajkoczy, Direktor der Klinik für Neurochirurgie, bilden.

Cyberknife gehört zur Radiochirurgie, also zum "Operieren mit Strahlen"

Ein sinnvolles Teamwork: Denn als „Messer“, das mit Strahlen schneidet, gehört das Cyberknife zum Instrumentarium des Fachgrenzen überschreitenden Gebietes der Radiochirurgie, also des „Operierens“ mit Strahlen. Einigen Patienten kann die präzise Bestrahlung eine echte Operation ersparen, anderen etwa eine Bestrahlung des gesamten Kopfes, die neben dem Verlust der Haare bei vielen Menschen auch Gedächtnisprobleme und andere Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit zur Folge haben kann – zumindest vorübergehend.

Sina Baumann blieb das erspart. „Ich bin froh und glücklich, dass es die Therapie mit dem Cyberknife gibt“, sagt die 40-jährige Berlinerin. Vor fünf Jahren wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert, mitten in der Schwangerschaft. Sie wurde operiert, bekam Chemotherapien und Bestrahlungen – und glücklicherweise auch ein gesundes Kind. Leider meldete sich danach der Krebs in Form von Metastasen immer wieder. Zuletzt wurden mehrere kleine Metastasen in ihrem Gehirn mit dem Cyberknife bestrahlt. Vor ein paar Tagen war sie wieder zur Kontrolle in der Klinik: Erleichterung, nichts zu sehen.

„Ich gehe aber ohnehin nicht mehr mit Angst zu diesen Untersuchungen“, versichert die junge Frau mit der positiven Ausstrahlung. Dazu trägt sicher bei, dass sie weiß: Wenn ich doch noch einmal in den sauren Apfel der Bestrahlung beißen muss, geht das mit Cyberknife wenigstens an einem Vormittag über die Bühne. Während die Kleine in der Kita ist. Und außer Kopfschmerzen hat sie bisher keine Nebenwirkungen verspürt. Zu ihrer Entspannung trägt auch bei, dass die Barmer GEK, bei der sie versichert ist, vor Kurzem einen Integrierten Versorgungsvertrag mit der Charité abgeschlossen hat. Seither muss nicht mehr im Einzelfall entschieden werden, ob die Kasse die Behandlung mit Cyberknife – keine reguläre Kassenleistung – bezahlt. Man habe in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse darüber gewonnen, in welchen Fällen diese Form der Bestrahlung sinnvoll sei, in Zukunft könne man die Indikationsliste der Charité auch an anderen Standorten anwenden, sagt die Anästhesistin Ursula Marschall, Abteilungsleiterin für Medizin und Versorgungsforschung bei der Barmer GEK. Die Versicherung beabsichtigt, die Behandlung jetzt auch wissenschaftlich zu evaluieren. Dabei geht es etwa um die Frage, ob durch eine einmalige Bestrahlung mit der gesamten Dosis ein höherer biologischer Effekt erzielt wird – und so die Gefahr abgesenkt werden kann, dass Krebsgeschwulste erneut wachsen.

Manchmal sind konventionelle Geräte sinnvoller

Grundsätzlich unterscheidet sich die Art der Strahlung des Cyberknife von der konventioneller Linearbeschleuniger. Das Gerät mit dem futuristischen Namen ist kein Allheilmittel. Für die Präzisionsbestrahlung größerer Tumore kommt zum Beispiel auch das „Novalis“- System infrage, das auf dem Campus Virchow-Klinikum in unmittelbarer Nachbarschaft des Cyberknife steht und ebenfalls über integrierte Bildgebung verfügt. In anderen Fällen ist eine Behandlungsphase von sechs Wochen mit konventionellen Geräten sinnvoller.

In einer gemeinsamen Konferenz müssen die behandelnden Ärzte im Vorfeld darüber beraten, ob überhaupt eine Strahlenbehandlung möglich ist – und wenn ja, dann welche. Geht es um Tumoren und Metastasen im Gehirn und Rückenmark, dann setzen sich dafür die Experten des neuroonkologischen Tumorboards zusammen. „Bei Metastasen ist für die Frage, ob bestrahlt werden kann, weniger deren Anzahl als das Gesamtvolumen und der zeitliche Abstand zur Ersterkrankung maßgeblich“, präzisiert Neurochirurg Kufeld. In diesen Punkten hatte Sina Baumann Glück im Unglück.

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