Schinkels Baudenkmal: Luxusbau gefährdet historische Kirche in Berlin
Die Friedrichswerdersche Kirche wurde bei einem Luxusbau beschädigt. Jetzt gibt es weitere Buddeleien.
Vom Sofa aus sollen die Anwohner auf Schinkel schauen können – so warben die Immobilienfirmen Bauwert Investment Group und Frankonia Eurobau für die Luxusapartments, die sie am Schinkelplatz bauen. Doch würde die evangelische Kirche nicht verfolgen, was sich auf den Baustellen tut, wäre von Karl Friedrich Schinkels Friedrichswerderscher Kirche wohl nicht mehr viel übrig.
Als vor drei Jahren auf dem westlichen Nachbargrundstück 3,50 Meter von der Kirche entfernt eine Baugrube für die Tiefgarage ausgehoben wurde, fielen in der Kirche Quadratmeter große Teil des Putzes von den Wänden, vom Fundament bis zu den Gewölbedecken bildeten sich mehrere Zentimeter breite Risse, eine Seite der Kirche neigte sich. Das Gebäude drohte einzustürzen. Die Kirche einigte sich mit der Bauwert Investment Group, der Fortgang der Arbeiten wurde genau beobachtet, der Bauherr trug die Kosten für die Sanierung.
Kirche schlägt Alarm
Nun schlägt die Kirche erneut Alarm: Auf der Ostseite will die Frankonia in diesen Tagen in zehn Metern Entfernung mit den Baggerarbeiten für Luxuswohnungen beginnen. Auch hier sind zweigeschossige Tiefgaragen geplant.
„Die Kirche wird nicht einstürzen“, sagt Matthias Hoffmann-Tauschwitz, der Leiter des Bauamts der evangelischen Landeskirche. „Aber es ist zu befürchten, dass sich in der Mitte des Gebäudes ähnlich gravierende Schäden auftun wie bei der Bebauung des westlichen Nachbargrundstücks.“ Das prophezeit ein Gutachten, das die Kirche in Auftrag gegeben hat und das die Frankonia akzeptiert.
Der Sakralbau könnte sich diesmal auf die andere Seite neigen, fürchtet Pfarrer Stephan Frielinghaus, zu dessen Gemeinde in der Friedrichstadt die Kirche gehört. Und das, obwohl der Bauherr bereits versucht hat, mit einem „besonderen Baugrubenkonzept mit einem fein ausgeklügeltem Alarmierungs- und Präventionsablauf“ Lehren aus der Katastrophe auf der anderen Seite zu ziehen. Die geplanten Bauarbeiten werden „deutlich erschütterungsärmer und die Wände zur Sicherung des Untergrunds deutlich stabiler“ ausfallen als auf der Westseite, verspricht Frankonia.
Die Kirchenleitung will sich nicht auf Versprechungen verlassen. Sie dringt auf eine Nachbarschaftsvereinbarung, wie sie sie auch mit der Bauwert Investment Group geschlossen hat. Sie soll regeln, wer für Schäden aufkommt und dass vor Baubeginn an der Kirche Sensoren und Messgeräte angebracht werden – Sensoren, die bereits kleinste Veränderungen im Bauwerk registrieren können.
Unterschrieben ist noch nichts
Doch das Vertrauen zwischen Kirche und Bauherr ist nicht sonderlich ausgeprägt. Man habe ein Jahr lang vergeblich versucht, mit der Frankonia ins Gespräch zu kommen, klagt Pfarrer Frielinghaus. Jetzt verhandle man, unterschrieben sei aber noch nichts. Die Frankonia wiederum ließ am Freitag mitteilen, man habe bereits vor zwei Wochen eine Vereinbarung mit der Kirche unterzeichnet.
„Die Friedrichswerdersche Kirche ist die einzige innen wie außen komplett erhaltene Schinkel-Kirche, schwärmt Kirchenoberbaurat Hoffmann-Tauschwitz, „ein Schlüsselbau für das Verständnis der vorindustriellen Zeit“. Als Senat und Bezirk die Bebauungspläne für das Areal erstellten, stieß die Kirche jedoch auf taube Ohren mit ihrem Einwand, dass Schinkels Baudenkmal nicht geschützt und gewürdigt werde. Besonders ärgerlich findet Hoffmann-Tauschwitz, dass die Bauvorhaben in direkter Nachbarschaft der Kirche von der Baugenehmigungspflicht befreit sind.
Es geht um Schadensbegrenzung
Der Bezirk wollte sich am Freitag genauso wenig äußern wie das Landesdenkmalamt. Man sei „in Abstimmung“, wie man weiter vorgehen wolle, hieß es. Immerhin hat die Bauaufsicht die Frankonia vergangene Woche darauf hingewiesen, dass die Arbeiten erst beginnen dürfen, wenn die Messgeräte an der Kirche angebracht sind und funktionieren.
Die Bebauungspläne können wir nicht ändern, sagt Hoffmann-Tauschwitz, es gehe um Schadensbegrenzung. Aber man habe aus der Erfahrung mit Senat und Bezirk gelernt – auch für zukünftige Projekte, etwa die Bebauung des Kulturforums in Tiergarten. Dort drohe der St. Matthäus-Kirche ähnliches Ungemach.
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