Offensive gegen Judenfeindlichkeit: Lorenz Korgel wird Berlins Beauftragter gegen Antisemitismus
Weil die antisemitischen Straftaten zunehmen, ernennt der Justizsenator einen hauptamtlichen Beauftragten. Geld dafür gibt es aber erst 2020.
Erstmals überhaupt hat das Land Berlin einen Beauftragten gegen Antisemitismus. Das teilte der auch für den Bereich Antidiskriminierung zuständige Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Mittwoch mit. Ernannt wurde Lorenz Korgel, Referatsleiter für Demokratieförderung und Prävention in der Senatsverwaltung. Er soll das Amt zunächst bis ins kommende Jahr hinein besetzen. Dann soll „auf der Basis bis dahin gesammelter Erfahrungen das endgültige Profil festgelegt“ und die Stelle neu besetzt werden, erklärte Behrendt. Da im laufenden Haushalt keine Mittel für die erst kürzlich geschaffene Stelle veranschlagt worden sind, übernimmt Korgel den Posten parallel zu seiner Tätigkeit als Referatsleiter.
Behrendt, der das Landeskonzept zur Weiterentwicklung der Antisemitismus Prävention im März unterzeichnet und damit die Grundlage für die neue Stelle gelegt hatte, dankte Korgel für die Bereitschaft, diese Aufgabe übergangsweise zu übernehmen. „Lorenz Korgel kennt wie kaum ein anderer Berlins zivilgesellschaftliche Träger im Kampf gegen Antisemitismus. Er ist bestens vernetzt zwischen Bundes-, Landes- und Bezirksebene und wird so die Projektförderung gegen Antisemitismus weiter an ihren Bedürfnissen ausrichten“, erklärte Behrendt.
Sawsan Chebli (SPD), die als Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement den Arbeitskreis gegen Antisemitismus gegründet und das Landeskonzept mit vorbereitet hatte, nannte Korgel „eine hervorragende Wahl“ und ergänzte: „Ich schätze an Lorenz Korgel seine Sensibilität für den alltäglichen Antisemitismus in unserer Gesellschaft, aber auch für andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.“
Hauptamt kommt mit Doppelhaushalt 2020/2021
Korgel selbst nannte den Kampf gegen Antisemitismus in Berlin anlässlich seiner Ernennung eine „große Herausforderung“. Er wolle sich „für eine dauerhafte Auseinandersetzung mit Antisemitismus einsetzen, die von der gesamten Stadtgesellschaft getragen wird“, erklärte Korgel und kündigte an, die Perspektive der Berliner Jüdinnen und Juden in den Mittelpunkt rücken zu wollen. Ein erstes Treffen mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde soll zeitnah stattfinden, wie ein Sprecher Behrendts erklärte.
Korgel wird den Job bis ins kommende Jahr hinein ausüben. Sollte das Abgeordnetenhaus die für den Doppelhaushalt 2020/2021 vorgesehenen Mittel beschließen, wird dann eine eigene hauptamtliche Stelle für den Antisemitismus-Beauftragten geschaffen. Damit rückt Berlin auf in die Reihe der Bundesländer, die bereits ähnliche Stellen geschaffen haben – wenn auch ehrenamtlich. In einzelnen Ländern, darunter die Stadtstaaten Bremen und Hamburg, gibt es bislang überhaupt keinen vergleichbaren Posten.
Zuletzt hatte in Berlin ein Vorfall an einer Schule im Stadtteil Charlottenburg Aufsehen erregt. Dort war am Montag ein 17-jähriger Schüler jüdischen Glaubens geschlagen worden. Weil ein antisemitisches Tatmotiv nicht ausgeschlossen werden konnte, ermittelt der Staatsschutz. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel hatte der Leiter der Schule erklärt, der Vorfall habe seiner Ansicht nach "latent" mit Antisemitismus zu tun.
Demonstration gegen islamistischen Judenhass
Angesichts einer Zunahme der registrierten Straftaten mit judenfeindlichen Motiven hat der Antisemitismus-Beauftrage der Bundesregierung, Felix Klein, die Bundesbürger dazu aufgerufen, an diesem Sonnabend die Kippa zu tragen, um ein Zeichen der Solidarität zu zeigen. Anlass ist auch der traditionelle "Al-Kuds-Tag", bei dem islamistische Organisationen wie die Hisbollah und die Hamas an diesem Sonnabend in Berlin und anderen Städten europaweit zu Demonstrationen mobilisieren. Alljährlich wird bei diesen Kundgebungen auch zur Vernichtung Israels aufgerufen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat Politik und Behörden dazu aufgerufen, intensiver als bisher gegen die dort verbreiteten Hass-Botschaften vorzugehen. Der Zentralrat ruft für diesen Sonnabend um 15 Uhr am Kurfürstendamm gemeinsam mit anderen Initiativen unter dem Motto "Kein Islamismus und Antisemitismus in Berlin - Gegen den Kuds-Marsch" zum Gegenprotest auf.
Korgel fordert mehr Prävention
Der Antisemitismus-Bundesbeauftragte Klein hatte Ende vergangener Woche eine Debatte ausgelöst, nachdem er sich kritisch zur Sicherheit von Juden in Deutschland geäußert hatte. "Ich kann Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen. Das muss ich leider so sagen", hatte Klein den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt. Sein neuer Berliner Amtskollege Korgel sagt dazu: „Es gehört zur Realität, dass Jüdinnen und Juden in Berlin Anfeindungen und Angriffe im öffentlichen Raum erleben. Sowohl die Zahlen und Statistiken der Polizei als auch der Meldestelle RIAS bezeugen dies eindeutig. Es wäre aber fatal angesichts dieser Situation zu resignieren." Staat und Zivilgesellschaft seien "dazu aufgerufen, sich mit allen demokratischen Mitteln für ein friedliches und demokratisches Zusammenleben und gegen Antisemitismus einzusetzen." Dazu müssten auch die Präventionsangebote in Berlin weiter ausgebaut werden, erklärte Korgel.