Coronavirus und Verschwörungstheorien: Linker Gegenprotest gegen „Hygiene-Demonstration“ in Berlin
Seit vier Wochen demonstriert eine Querfront in Mitte gegen die Corona-Restriktionen. Sie nutzen den Namen der Volksbühne dafür. Jetzt regt sich Protest.
Jetzt regt sich Gegenprotest. Seit vier Wochen hatten im Zentrum Berlins Verschwörungstheoretiker linker Sozialisation bis hin zu Rechtsextremen gegen die Eindämmungsmaßnahmen gegen das Coronavirus demonstriert. In der vergangenen Woche waren rund 500 Menschen gekommen, Mitglieder der Identitären Bewegung und andere Rechtsextremisten wie der selbsternannte „Volkslehrer“ Nicolai Nehrling.
Auch an diesem Samstag wollen die Initiatoren der sogenannten „Hygiene-Demonstration“ wieder gegen die Eindämmungsmaßnahmen, eine „gleichgeschaltete Presse“ und „Panikattacken überalterter Eliten“ demonstrieren. Von Rechtsextremisten distanzieren sie sich, demonstrierten mit ihnen aber Schulter an Schulter. Diesmal werden sie wohl nicht nur von der Polizei und einigen Anwohnern gestört werden.
Am Freitag haben sich mehr als zehn linksalternative Gruppierungen, Zusammenschlüsse und Studierendengruppen in einem Aufruf zusammengetan, um gegen diese wilde Querfront zu protestieren. Die Studierendenvertretung der Technischen Universität hat unterschrieben, die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V., die Antifaschistische Linke Jugend Berlin, aber auch das Kollektiv der ehemaligen Besetzer der Volksbühne „Staub zu Glitzer“.
Sie schreiben in einer Mitteilung, dass die Verhältnismäßigkeit von Infektionsschutzverordnungen und der Einschränkung der Grundrechte zu kritisieren sei. Aber weiter: „Kein Verständnis haben wir für Menschen und Gruppierungen, die ihre Kritik mit Rechtsextremen, Faschist*innen und Neurechten auf die Straße tragen und die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz für ihre rechtspopulistischen Zwecke missbrauchen.“
Weiter heißt es in dem Schreiben, man werde den „Rosa-Luxemburg-Platz und seine angrenzenden Gebäude“ verteidigen. Sie Unterzeichner fordern die Initiatoren der Demonstration auf, ihren Protest „sofort zu beenden“.
Der Aufruf ist wohl auch vor dem Hintergrund zu verstehen, dass einige der Initiatoren der sogenannten „Hygiene-Demonstration“ selbst aus linken Kontexten stammen und als Sitz ihres noch zu gründenden Vereins „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ die Volksbühne angeben.
Linker Kontext, rechte Gesinnung?
Hinter dem Verein stehen unter anderem der Autor und Journalist (u.a. „taz“ und „Welt“) Anselm Lenz, der Autor und ehemalige Volksbühnenbesetzer Hendrik Sodenkamp und die Aktivistin Batseba N’Diaye. Die drei gehörten zum sogenannten „Haus Bartleby“.
Dieser lose Zusammenschluss von Künstlern und Autoren wurde 2014 als kapitalismuskritisches Projekt gegründet, sie veranstalteten Kunstaktionen wie ein Tribunal gegen den Kapitalismus. „Haus Bartleby“ distanzierte sich nach dem Start der Demonstration von seinen ehemaligen Mitgliedern.
Die Leitung der Volksbühne distanzierte sich schnell von der Demonstration vor ihrem Haus und erklärte, rechtliche Schritte gegen die Verwendung ihres Namens einlegen zu wollen. Dieser wird allerdings weiterhin verwendet, auf eine Presse-Anfrage des Tagespiegel zu ihrem Bezug zur Volksbühne antworteten die Initiatoren der Demonstration nicht. Mit der jetzt veröffentlichen Mitteilung hat sich auch das Kollektiv der ehemaligen Besetzer des Theaters von seinen damaligen Mitgliedern distanziert.
Mehrere GegendemonInstrationen sind geplant
In den vergangenen Tagen tauchten nun rote Plakate in der Stadt auf. Sie rufen zu einem „kreativen kontaktlosen Gegenprotest“ gegen die Querfront-Demonstration vor der Volksbühne auf, das Motto: „Kein Platz für Nazis“. Die Gegendemonstration soll am Samstag ab 15 Uhr vor dem Karl-Liebknecht-Haus stattfinden, der Parteizentrale der Linkspartei direkt am Rosa-Luxemburg-Platz. Nach Tagesspiegel-Informationen ist eine weitere linke Gegendemonstration am Platz vor der Volksbühne angemeldet.
Seit einer Senatssitzung am vergangenen Mittwoch lassen die Berliner Versammlungsbehörden wieder vermehrt Demonstrationen mit bis zu 20 Teilnehmern zu – damit reagierte die rot-rot-grüne Koalition auf die Kritik am stark eingeschränkten Grundrecht der Versammlungsfreiheit.
Demonstrationen waren in Berlin zwar schon zuvor unter Bedingungen erlaubt, wurden aber kaum bewilligt. Ab dem 4. Mai werden auch wieder „ortsfeste Demonstrationen“ mit bis zu 50 Menschen in Berlin wieder stattfinden können. Die Abstands- und Hygieneregeln im öffentlichen Raum müssen aber auch in diesen Fällen eingehalten werden.