Streit nach Eklat im Abgeordnetenhaus: Linke schlägt keine neue Kandidatin für Verfassungsgerichtshof vor
Die Kandidatin der Linken Lena Kreck war bei der Wahl als Richterin für den Verfassungsgerichtshof durchgefallen. Vorerst kommt es zu keiner neuen Abstimmung.
- Sabine Beikler
- Ronja Ringelstein
- Alexander Fröhlich
Nach dem Eklat im Abgeordnetenhaus bei der Wahl neuer Richter für den Verfassungsgerichtshof will die Linke weder mit der durchgefallenen Kandidatin Lena Kreck noch mit einer anderen Kandidatin vorerst wieder antreten. „Solange keiner der maßgeblichen Führungsleute der CDU erklärt, dass die Kandidatin der Linken gewählt wird, werden wir nicht mit einer Kandidatin antreten. Wir werden aber in der Koalition beraten, wie wir im parlamentarischen Raum mit der CDU künftig umgehen. Auch die CDU benötigt Stimmen der Koalition bei der Besetzung mancher Gremien“, sagte Linksfraktionschef Udo Wolf dem Tagesspiegel.
Was war geschehen?
Bei der Wahl zur Verfassungsrichterin war Kreck als Kandidatin der Linken, die das Vorschlagsrecht hatte, durchgefallen. Die neue Präsidentin Ludgera Selting als SPD-Kandidatin und CDU-Kandidat Christian Burholt wurden als weitere Richter gewählt. Die Mitglieder des Berliner Verfassungsgerichtshofs werden vom Berliner Abgeordnetenhaus mit Zweidrittelmehrheit gewählt.
SPD, Grüne und Linke betonten, es habe eine Absprache mit der CDU gegeben, die jeweiligen Kandidaten gegenseitig zu unterstützen. Das ist parlamentarische Gepflogenheit. Über Absprachen wollte CDU-Fraktionschef Burkard Dregger nicht spekulieren. Dregger bezeichnet es als einen „unwürdigen Vorgang, dass die Koalition uns ihre eigene Niederlage bei der Wahl der Verfassungsrichterin in die Schuhe schiebt“.
Es sei nicht ausgemacht, dass alle 86 Ja-Stimmen aus den Reihen der Koalition gekommen seien, er habe auch in den Koalitionskreisen Unmut bezüglich Kreck festgestellt. „Ich gehe davon aus, dass ein großer Teil der Nein-Stimmen aus Koalitionskreisen kommt“, sagte Dregger. Doch das ist Spekulation. Es gilt das Wahlgeheimnis.
Vorbehalte auch aus der SPD
Andererseits, so ist aus der SPD zu hören, hätte der Linksfraktion klar sein können, dass die CDU wenig begeistert sein dürfte über Kreck. Bedenken gegen die Kandidatin der Linken gab es wohl auch in der SPD. Grund soll die Vorstellung von Kreck in der SPD-Fraktion gewesen sein, wo sie offenbar keine gute Vorstellung abgeliefert habe, wie es hieß. Die Kritiker hätten aber wegen der Absprache doch Kreck gewählt.
Die 38-Jährige war jahrelang in den Parteistrukturen eingebunden: Sie trat 2005 in die PDS ein, war in Bundes- und Landesschiedskommission aktiv und fungierte als Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft „Bürgerrechte und Demokratie“ der Linken.
Nach Jurastudium und Promotion arbeitete sie von 2016 bis 2019 bei der Fachstelle für Geflüchtete bei der Berliner Schwulenberatung, ab 2018 halbtags. Die andere halbe Stelle hatte sie ab September 2018 durch eine Vertretungsprofessur für „Recht in der Sozialen Arbeit" an der Hochschule Koblenz. Seit Oktober hat Kreck die Professur „Recht und Gesellschaft“ an der Evangelischen Hochschule Berlin im Studiengang „Soziale Arbeit“ inne.
Linke hält Kandidatin nach wie vor für geeignet
Trotz Vorbehalten über ihre berufliche Eignung bei der Opposition und Teilen der SPD hält die Linke Lena Kreck für „hervorragend geeignet“, sagt Fraktionschef Wolf. Es gebe nicht viele, die bereit seien, „ein hohes Ehrenamt auszuüben, bei dem man lediglich eine Aufwandsentschädigung erhält“. Die Linke hat das Vorschlagsrecht, das die CDU im Übrigen nicht per se infrage stellt. Möglicherweise hätte eine andere Kandidatin der Linken bessere Wahlchancen.
Aus den Reihen der CDU-Fraktion heißt es, der Umgang mit der Linksfraktion habe sich verändert. „Es ist völliger Unsinn, dass wir nach rechts rücken würden. Die Linksfraktion hat weitere Schritte nach links gemacht“, sagte Burkard Dregger. Und für die Linke ist es laut Wolf „offensichtlich, dass die Berliner CDU eine Kurskorrektur nach rechts vollzieht und in eine Rote-Socken-Kampagne der 1990er Jahre verfällt.“
Man habe nicht gedacht, dass die CDU sich so schnell nach der Thüringen-Wahl ins rechtsbürgerliche Lager zurückentwickele. Nach der Landtagswahl ist die Suche nach Regierungsoptionen in vollem Gange. In der Union ist der Streit um Kooperationen mit der Linken entbrannt.
CDU-Mitglieder hüllen sich in Schweigen
Am Donnerstag war die Berliner CDU gleich zweimal mit der Linken aneinandergeraten: bei der gescheiterten Richterwahl und der Weigerung, eine gemeinsame Resolution zum 30-jährigen Jubiläum der Friedlichen Revolution mitzuzeichnen. Die CDU brachte einen eigenen Entwurf ein. Vor zehn Jahren unter Rot-Rot hatte die CDU-Fraktion mit dem Vorsitzenden Frank Henkel die Resolution zum 20-jährigen Jubiläum mitgezeichnet. „Vor zehn Jahren war der politische Diskurs in Berlin ein ganz anderer“, verteidigte Dregger das Abrücken von einer Zusammenarbeit mit der Linken.
In der CDU-Fraktion ist die Stimmung nach der Richterwahl gemischt. Einige Abgeordnete sind nicht glücklich darüber, dass die CDU nun als unzuverlässig dasteht. Auch dass die AfD-Fraktion den Vorgang als gemeinsamen Erfolg von ihr und CDU verkauft, ist manchen zuwider. Öffentlich wollte sich niemand äußern.
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