Eine Lösung für den Görlitzer Park?: Linke fordert staatliche Ausgabe von Heroin und Kokain
Die Gewalt im Görlitzer Park kriegt die Polizei seit Jahren nicht in den Griff. Suchtforscher und linke Politiker raten nun zu einer neuen Drogenpolitik.
Wer die Probleme im Görlitzer Park lösen will, kam bislang meist mit Blaulicht. Ex-Innensenator Frank Henkel (CDU) hat es mit Null-Toleranz versucht, nun will Innensenator Andreas Geisel (SPD) dem Drogen- und Gewaltproblem wieder mit mehr Polizei zu Leibe rücken. Kann das klappen? Nein, meinen Experten wie der Suchtforscher Heino Stöver. „Die Polizei ist mit der komplexen Drogenproblematik überfordert“, sagt er dem Tagesspiegel. Die Dealer hätten sich längst auf die Kontrollen eingestellt und trügen nur Kleinstmengen bei sich.
Lösung gegen Schwarzmarkt: Kontrollierte Drogen
Jetzt reagiert auch die Berliner Landespolitik. Die sicherheitspolitische Debatte wird zu einer gesundheitspolitischen. Niklas Schrader, Experte für Innenpolitik und drogenpolitischer Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, sagte dem Tagesspiegel: „Wer den Schwarzmarkt im Görli austrocknen will, muss auch über die kontrollierte Abgabe von härteren Drogen nachdenken.“
Schrader greift damit eine Debatte auf, die die gesundheits- und drogenpolitische Sprecherin der Grünen, Catherina Pieroth, am Dienstag neu angestoßen hatte. Sie forderte, für härtere Drogen wie Kokain und Heroin einen Eigenbedarf von bis zu drei Gramm zu bestimmen. So sollten Suchtkranke entkriminalisiert und Polizei und Justiz entlastet werden. Bereits im Juni hatte der Chef der Berliner Drogenfahndung im Landeskriminalamt dem Tagesspiegel gesagt: „Wir sollten einen neuen Umgang mit Kleinstmengen Kokain finden.“
Schrader will nun sogar einen Schritt weitergehen. Er plädiert für Ausgabestellen, an denen auch härtere Drogen wie Kokain oder Heroin zu erhalten sind. „Das heißt nicht, ständige Verfügbarkeit, sondern strengere Kontrolle“, sagte Schrader dem Tagesspiegel. Als Ausgabestellen seien etwa Apotheken denkbar.
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Der Schwarzmarkt führt auch im Görlitzer Park zu Beschaffungskriminalität und Gebietsstreitigkeiten unter den Dealer-Gruppen. Zuletzt war die Gewalt dort um 50 Prozent gestiegen – was vor allem auf Konflikte zwischen Dealern zurückgeführt wurde. Schrader sagt dazu: „Die Verbotsstrategie ist gescheitert.“ Die kontrollierte Abgabe wäre von Vorteil für alle. „Einen Nachteil hätten nur die Hintermänner des Drogenhandels, die wirklich viel Geld damit verdienen.“
Görlitzer Park: Entkriminalisierung nur mit Präventionsarbeit
Schrader betonte, dass eine solche Entkriminalisierung mit mehr Präventionsarbeit einhergehen müsse. In den aktuellen Haushaltsverhandlungen wurde deshalb etwa der niedrigschwelligen Drogenhilfe eine Million Euro mehr zugeschlagen. „Wir geben bald deutlich mehr Geld für Präventionsangebote aus“, sagte Schrader.
Die Debatte, auch den Konsum härterer Drogen zu entkriminalisieren, ist in Deutschland noch recht neu. Im Ausland laufen ähnliche Modelle bereits: In Zürich etwa hatte man große Probleme mit Heroin, auch dort war die Politik lange hilflos. Heute gibt es in der Stadt sogenannte „Fixerstübli“ –Drogenabgabestellen, wo Süchtige Heroin legal erhalten, ohne von Dealern abhängig zu sein.
An ungewöhnliche Lösungen denken
In Berlin drehte sich die Debatte bislang vor allem um weiche Drogen wie Cannabis. Bereits im Jahr 2014 hatte ein geplantes Modell-Projekt am Görlitzer Park für Aufregung gesorgt. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte damals einen Antrag für einen „Coffee-Shop“ gestellt, war aber gescheitert. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) sagte schon damals: „Wir müssen jetzt an ungewöhnliche Lösungen denken.“ Zurzeit plant der rot-rot-grüne Senat einen neuen Antrag für bis zu drei Cannabis-Ausgabestellen. Im März 2020 solle die Umsetzung beginnen.
Traditionell kritisch steht die Berliner CDU solchen Projekten gegenüber. Sie fordert weiterhin „Null Toleranz“. Solange Berlin in Einzelfällen bis zu 15 Gramm Cannabis als Eigenbedarf zulasse, sei jeder Versuch zum Scheitern verurteilt, den Drogenhandel wirksam zu bekämpfen, sagte CDU-Fraktionschef Burkard Dregger. Er bezeichnete den Vorstoß, härtere Drogen zu entkriminalisieren als „drogenpolitischen Amoklauf.“