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Tempo-30-Schild an der Leipziger Straße in Berlin-Mitte.
© Jörg Carstensen/dpa
Update

Berlin-Mitte: Leipziger Straße: Umweltsenatorin Günther prüft sogar Fahrverbot

Für bessere Luft gilt auf der Leipziger Straße in Berlin nun Tempo 30. Sollten die Schadstoffwerte binnen Jahresfrist nicht sinken, erwägt der Senat härtere Maßnahmen.

Seit Montag ist die Leipziger Straße in Berlin Mitte eine Tempo-30-Zone. Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos) eröffnete pünktlich zum Ende der Ferien das Pilotprojekt an einer mobilen Messstation für die Luftqualität an der Ecke Leipziger Straße / Mauerstraße. „Berlin ist schwer belastet durch Stickstoffdioxid“, sagte Günther. „Ab sofort gilt hier deshalb Tempo 30. Wir haben auch die Ampelschaltung angepasst, damit der Verkehr besser fließt.“ Denn beim Stop-and-go im Berufsverkehr würde besonders viel Schadstoffe ausgestoßen.

Auf ein Jahr ist das Pilotprojekt angelegt, wenn es nicht wirkt, sollen Fahrverbote kommen: „Wenn die Maßnahme nicht hilft, wird es Fahrverbote geben. Keiner möchte das, aber wir müssen die Gesundheit der Menschen schützen“, sagt Senatorin Günther. Ihr Ressort entwickle bereits entsprechende Modelle.

Am Montag waren allerdings noch keine positiven Effekte durch die neue Regelung zu beobachten, stattdessen gewohnte Bilder: stockender Berufsverkehr ab acht Uhr am Morgen, laute Lastwagen und schnell beschleunige Autos. „Ich habe nicht das Gefühl, dass sich die Autofahrer an das neue Tempolimit halten“, sagte Thomas Seidel, Gewerbetreibender an der Leipziger Straße.  „Das ist doch Symbolpolitik. Heute Morgen waren hier dieselben Staus wie immer. Es hat sich doch überhaupt nichts verändert.“

Anwohnerin Annette Bönisch, die sich in der Interessengemeinschaft Leipziger Straße engagiert, ist optimistischer: „Das ist ein erster Schritt, und ich finde es gut, dass man sich der Belastung und des Lärms hier annimmt“, sagt sie. „Wenn man ständig in diesem Mief wohnt, kann man nachts die Fenster nicht mehr öffnen. Wir wollen das nicht mehr.“

Dass das neue Tempolimit auch eingehalten wird, dafür sollen mobile Blitzeranlagen und Verkehrskontrollen sorgen. „Ich werde aber nicht sagen, wann und wo wir kontrollieren“, sagte Senatorin Günther. Sie setze auch auf die Einsicht der Verkehrsteilnehmer: Unter den neuen 30er-Schildern sind jeweils Plaketten mit der Aufschrift „Luftreinhaltung“ angebracht. „Ich glaube an die Vernunft der Berliner“, sagte Günther.

Ausstoß von Stickoxid soll um zehn Prozent gesenkt werden

Die Tempo-30-Schilder hingen am Wochenende schon, waren aber noch verhüllt - und auch noch am Montagmorgen. Tagesspiegel-Reporter entdeckten am Morgen auf der Strecke nur ein 30er-Verkehrsschild, das nicht verhüllt war.

Wie berichtet will der Senat ein Jahr lang messen, ob dadurch die Luftqualität verbessert wird. Tempo 30 gilt dann zwischen Markgrafenstraße und Potsdamer Platz. Mit der Maßnahme will der Berlin die hohe Belastung mit Stickoxid (NO2) um etwa zehn Prozent verringern. In Berlin wird an bestimmten Straßenabschnitten wie in etwa 70 anderen Städten der zulässigen EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid je Kubikmeter im Jahresdurchschnitt überschritten.

Der Senat will mit dem Modellversuch einer Tempo-30-Zone in der Leipziger Straße auch intelligente Ampelschaltungen einführen. Die Senatsumweltverwaltung beruft sich bei der Entscheidung für die Tempo-30-Zone auch auf Erfahrungen in der Schildhornstraße in Steglitz und in der Beusselstraße in Moabit. Dort sei seit Einführung von Tempo 30 im Jahr 2005 die Belastung mit Stickoxid und Feinstaub im Vergleich zu anderen Hauptverkehrsstraßen mit Tempo 50 deutlich gesunken.

Senat beruft sich auf Messungen: Stop and Go führt zu mehr Schadstoffen

Das geht aus einer Antwort der Senatsumweltverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage des CDU-Abgeordneten Oliver Friederici hervor. In beiden Straßen seien 2014 Messfahrten durchgeführt worden. Die Emissionsfaktoren für die Schildhornstraße für und die Beusselstraße seien um 20 Prozent niedriger ausgefallen als an vergleichbaren innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen.

Der Grund für den Rückgang war den Angaben zufolge zweierlei. Zum einen gebe es bei Tempo 30 eine andere Fahrweise mit kürzerer Beschleunigung. Zum anderen würden die Fahrzeuge häufiger konstant fahren, ohne zu beschleunigen. Daneben würde die so sogenannte „Grüne Welle“ bei den Ampelschaltungen den Schadstoffausstoß der Fahrzeuge mindern.

Messfahrten und daraus berechnete Emissionsfaktoren für einzelne Streckenabschnitte hätten gezeigt, dass die Emissionen besonders hoch sind, wo die Fahrzeuge nach dem Abbremsen wieder beschleunigen müssen. Im Klartext: Häufiges „Stop and Go“ führt zu einem höheren Schadstoffausstoß.

Neue Tempo-30-Strecken in Berlin. Klick auf das rote Kreuz für volle Ansicht.
Neue Tempo-30-Strecken in Berlin. Klick auf das rote Kreuz für volle Ansicht.
© Tsp/Bartel

Bis zum Beginn der Sommerferien folgen vier weitere Hauptstraßen, auf denen der Senat eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Stundenkilometern einführen will. Potsdamer Straße und Hauptstraße in Schöneberg, Tempelhofer Damm (zwischen Alt-Tempelhof und Ordensmeisterstraße) und Kantstraße (Charlottenburg, zwischen Amtsgerichts- und Savignyplatz) mit zusammen sechs Kilometern Länge.

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