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Los geht's: Am Montag beginnt nach den Sommerferien für mehr als 340.000 Schüler wieder der Unterricht.
© Marijan Murat/dpa

Schulanfang in Berlin: Lehrer stehen vor etlichen Herausforderungen

Für mehr als 342.000 Schüler beginnt am Montag der Unterricht. Das fordert vor allem die Lehrer. Statten wir unsere Kinder mit dem nötigen Rüstzeug aus? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Das wird eine Herausforderung für die Lehrer, wieder einmal. Aber dieses Jahr ganz besonders. Die Nicht nur, weil die Schülerzahlen steigt weiter steigen. Mehr als 342.000 Schüler werden ab Montag in Berlin unterrichtet. Mehr als 12.000 Flüchtlingskinder sitzen in den Willkommensklassen. Da kommt es auf die Lehrer an. Lehrer, die durch die vielen Reformen atemlos geworden sind. Die unter zuweilen beschämenden Bedingungen einen immer anspruchsvolleren Dienst zu leisten haben. Pädagogen, die Kindern die Lust am lebenslangen Lernen einpflanzen und Wissbegier wecken müssen, und im besten Falle Vorbilder sind, während sie sich gleichzeitig sorgen, ob die Toiletten funktionieren.

In den vergangenen Jahren schien es zuweilen, als seien die Berliner Lehrer eine Notgemeinschaft auf einem sinkenden Dampfer namens Bildung. Das hat sich geändert. In Berlin, als Zuzugsort so attraktiv wie nie, werden Kinder als Zukunftsressource für eine erfolgreiche Stadtgesellschaft erkannt. Alle Parteien betonen Bildung als zentralen Baustein, um Chancengleichheit für Kinder aus allen gesellschaftlichen Schichten zu gewährleisten. Auch zeigt der teilweise einem Kulturkampf gleichende Streit in anderen Bundesländern um die Rückkehr zum Abitur nach 13 Schuljahren, wie gut Berlin aufgestellt ist: hier können Eltern sich für beide Geschwindigkeiten entscheiden, nach zwölf oder 13 Jahren, für jeden nach seinen Fähigkeiten. Außerdem ist der Verdacht ausgeräumt, die SPD wolle die Gymnasien abschaffen.

Von Lebenserfahrung profitieren

Auch die Investitionen in die Berliner Schulen zeigen bei aller noch berechtigten Kritik an unübersehbaren Mängeln langsam Ergebnisse. Die Sanierung der lange vernachlässigten Gebäude und der in der wachsenden Stadt notwendige Bau von neuen Schulen aber wird den Senat noch lange fordern. Der Schulverwaltung ist es gelungen, zum neuen Schuljahr 1900 neue Lehrer einzustellen.

Dass die Lehrkräfte, die in Willkommensklassen unterrichten, wo die Herausforderungen sehr spezielle sind, deutlich schlechter bezahlt werden, bleibt nicht nur diesen Lehrern unverständlich. Kritisiert wird auch, dass jeder dritte neue Lehrer Quereinsteiger mit abgeschlossenem Studium, aber ohne Lehrerstudium ist. Doch es kann sich zeigen, dass die Schule profitiert von Menschen mit Lebenserfahrung aus anderen Bereichen.

Grundfragen des Lernens

Genau das berührt die Grundfragen eines Lernens, das den Herausforderungen einer sich rapide verändernden Gesellschaft gerecht wird. Der Unterricht hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert, weder durch den Abschied von Kreidetafeln hin zu Smartboards noch durch eine Vielzahl pädagogischer Reformen. Die verkürzte Schulzeit zum Abitur erzwang, dass Lehrpläne entschlackt wurden und manches wegfiel, was bei Älteren noch zum unabdingbaren Wissenskanon gehörte. Trotz iPad- Einsatz und Informatikunterricht aber darf man fragen, ob dort das Richtige gelehrt und auch: wie gelernt wird. Statten wir Kinder wirklich mit dem Rüstzeug fürs Leben aus, damit sie erfolgreich sein können – kreativ, mutig und weltoffen?

Es zeigt sich, dass gute Schulen im angelsächsischen Raum viel mehr für die Persönlichkeitsbildung der Kinder tun als bei uns, mit sehr viel mehr Einübung von Arbeitstechniken, freier Rede, fächerübergreifenden Projekten und selbst erarbeiteten Essays. In den Jahren des absoluten Mangels, als Berliner Rektoren schon froh waren, überhaupt ausfallfreien Unterricht zu gewährleisten, war kein Raum für solche Fragen. Aber ist es weiterhin zu akzeptieren, dass ein wirtschaftlich erfolgreiches Berlin bei Schulvergleichen immer noch hintere Plätze belegt, trotz einer in Deutschland unvergleichbar entwickelten Wissenschafts- und Forschungslandschaft? Ja, noch eine Herausforderung für Lehrer.

Aber welch eine Vision: Nicht am Ende der Rankings stehen, sondern ganz vorn mit Schulen, wo nicht nur Mangel verwaltet wird, sondern Neues gewagt wird. Nach furchtbaren Jahren, in denen man als Lehrer innerlich verzweifeln konnte an Berlins Bildungswesen, sich nicht um bröckelnden Putz sorgen, sondern für jene Aufgabe brennen, für die Lehrer mal Lehrer werden wollten.

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