zum Hauptinhalt
Ohne Moss nix los, verkündete die GEW auf einem Banner bei der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor beim Streik im Mai..
© Susanne Vieth-Entus
Update

Streik an Berliner Schulen: Lehrer demonstrierten und drohen mit weiterem Streik

Rund 3800 Lehrkräfte blockierten die Innenstadt. Nun drohen sie mit neuen Arbeitsniederlegungen - zwei Tage lang.

Bei bestem Streikwetter gingen am Donnerstag rund 3800 Lehrer und Unterstützer von 480 Schulen auf die Straße um „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ zu fordern. Rund 3000 von ihnen waren von ihren Schulen offiziell als Streikteilnehmer gemeldet worden. Das entspricht etwa der Resonanz des letzten Streiks im März. Die gleichzeitig stattfindenden Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss seien „nach bisherigem Kenntnisstand“ trotz des Streiks reibungslos verlaufen, hieß es aus der Bildungsverwaltung.

Die Innenstadt zwischen Alexanderplatz und Straße des 17. Juni war am Vormittag weiträumig gesperrt, während der Demonstrationszug zum Platz des 18. März marschierte. Bei der Abschlusskundgebung kündigten die GEW-Vorsitzende Doreen Siebernik sowie GEW-Tarifexperte Udo Mertens an, beim nächsten Mal gleich zwei Tage zu streiken, wenn die Finanzverwaltung "sich nicht bewegt". Damit könnten im Mai oder Juni die mündlichen Prüfungen betroffen sein.

Die Lehrer waren von ihren Streikcafés überall in der Stadt vormittags in großen und kleinen Gruppen zum Alexanderplatz gefahren. Dort füllte sich der Platz vor der Bildungsverwaltung gegen 10 Uhr. Am Ende wurden von der Polizei 3800 Demonstranten gezählt - und damit mehr als beim letzten Protesttag im März, als sich 3500 Lehrer auf dem Potsdamer Platz zur Kundgebung getroffen hatten.

Lehrer beklagen "Ungerechtigkeit"

Die Ungerechtigkeit muss ausgeglichen werden“, forderte auch Matthias Schwartz, 34, der schon früh ab acht Uhr im Steglitzer Streikcafé dabei war. „Die verbeamteten Lehrer verdienen im Laufe ihres Berufslebens viel mehr. Der Unterschied entspricht etwa einem Einfamilienhaus“, ärgert sich der Pädagoge, der an der Kopernikus-Sekundarschule Französisch und Deutsch unterrichtet.

"Wir sind kampfbereit und freuen uns über die Sonne“, beschrieb Ryan Plocher, 31, die Stimmung, während er mit seinen Kollegen vom Neuköllner Streikcafé über die Karl-Marx-Straße zur U-Bahn zog.

"Schulleiter müssen verbeamtet werden", fordert Andreas Steiner. Denn wenn sie streikten, seien Schulen in Prüfungszeiten kaum handlungsfähig. Steiner leitet das Steglitzer Fichtenberg-Gymnasium und machte bereits als kämpferischer Leiter des Friedrichshainer Andreas-Gymnasiums von sich reden.
"Schulleiter müssen verbeamtet werden", fordert Andreas Steiner. Denn wenn sie streikten, seien Schulen in Prüfungszeiten kaum handlungsfähig. Steiner leitet das Steglitzer Fichtenberg-Gymnasium und machte bereits als kämpferischer Leiter des Friedrichshainer Andreas-Gymnasiums von sich reden.
© Susanne Vieth-Entus

Es waren aber auch Nicht-GEW-Mitglieder unter den Demonstranten, darunter Andreas Steiner vom Steglitzer Fichtenberg-Gymnasium. Er findet, dass zumindest die Schulleiter verbeamtet werden müssten – auch deshalb, weil bei Streiks sonst niemand da sei, der zentrale Prüfungsaufgaben in Empfang nehmen könne. Die Verwaltung sei unter diesen Bedingungen "erpressbar".

Schulleiter werden ebenfalls nicht verbeamtet

Das verneinte die Bildungsverwaltung. Wenn tatsächlich die gesamte Schulleitung streike, müsse eben "in solch einem Fall eine Schule Vorsorge treffen, wer an dem Tag die Leitung der Schule übernimmt".

Auf die Frage des Tagesspiegels, ob es auch künftig Schulleiter im Angestelltenstatus geben solle, hieß es, "sofern in Auswahlverfahren angestellte Dienstkräfte für die Aufgabe der Schulleitung ausgewählt werden, werden diese Dienstkräfte nicht verbeamtet".  Steiner ärgert sich darüber, dass er Monat für Monat hunderte Euro weniger verdient als seine verbeamteten Kollegen: Da die meisten Berliner Schulleiter älter sind als er, verfügen sie fast alle noch über einen Beamtenstatus.

In den West-Bezirken streiken mehr Lehrer

Eine Auswertung über die Streikbereitschaft in den einzelnen Bezirken lag am Abend noch nicht vor. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie sich nicht stark vom März unterscheiden. Unter den damals rund 3000 Streikende kamen die meisten aus den Westbezirken: Sie machten etwa zwei Drittel der Streikenden aus. Besonders deutlich ist der Unterschied zwischen Marzahn-Hellersdorf und Tempelhof-Schöneberg: Der West-Bezirk hatte im März rund achtmal mehr Streikende, obwohl er nicht so viel mehr Lehrer hat: 366 Streikenden standen nur 47 aus Marzahn-Hellersdorf gegenüber. Insgesamt beteiligten sich Lehrer aus 440 der rund  700 allgemeinbildenden Schulen.

13.000 Lehrer sind streikberechtigt

In Berlin haben 44 Prozent der Lehrer einen Angestelltenstatus, mithin sind knapp 13.000 streikberechtigt. Von ihnen streikte fast jeder vierte: Sie wollen eine tarifliche Eingruppierung, die ihnen nach einigen Berufsjahren ein vergleichbares Gehalt wie den Beamten garantiert. Dazu müssten die Angestellten grob gerechnet 300 bis 600 Euro brutto mehr im Monat haben. Die Gehaltsanhebung würde sich deutlich im Landeshaushalt bemerkbar machen, was im Doppelhaushalt 2016/17 noch nicht berücksichtigt ist. Dem Vernehmen nach will der Senat das Thema wegen der Wahlen möglichst geräuschlos abräumen. Der GEW ging das aber nicht schnell genug.

Wie berichtet, will die GEW durch den neuerlichen – seit 2013 genau 24. Streiktag – nochmals Druck aufbauen und hat daher auch in Kauf genommen, dass heute die zentralen Englisch- und Französischarbeiten zum Mittleren Schulabschluss geschrieben werden. Diese schriftlichen Prüfungen konnten aber offenbar von nicht streikenden Lehrern beaufsichtigt werden.  

100.000 Unterrichtsstunden fielen schon aus

Insgesamt dürften bisher weit mehr als 100.000 Unterrichtsstunden dem Tarifkonflikt zum Opfer gefallen sein. Besonders schwierig ist es für die Eltern von Grundschulkindern: In manchen Schulen gibt es nur eine Notbetreuung.

Zur Startseite