Herbst in Berlin: Laubbläser sind eine Plage! Aber ohne...
Laubbläser haben einen schlechten Ruf – aus guten Gründen. Aber BSR und Bezirke sind sich einig, dass es ohne die Krachmacher nicht geht.
Jetzt klebt zusammen, was zusammen stört: Der Dauerregen vom Wochenende hat das zuvor luftig auf Straßen und Wegen liegende Laub komprimiert. Nun wird es zu dem üblichen Schlick, der den berüchtigten Berliner Novemberschmuddel von normalem Regenwetter unterscheidet und nebenbei ein Risiko für alle Verkehrsteilnehmer bedeutet. Denn auf nassem Laub rutscht praktisch alles vom Auto- oder Fahrradreifen bis zur Schuhsohle.
Wohl dem, auf dessen täglichen Wegen die BSR das Laub schon beseitigt hat. Denn wo es noch liegt, verstopft es oft auch die Gullys, was in Kombination mit dem üblichen Berliner Straßenzustand teils riesige Pfützen ergibt. Wenn die Stadtreinigung dann kommt, ist es allerdings oft auch wieder nicht recht, denn die Männer (und erst wenigen Frauen) in Orange rücken den Blättern vor allem mit Laubbläsern zu Leibe.
Besser als drei BSR-Reiniger
Das sei „regelmäßig Gegenstand von Beschwerden“, teilt Umweltstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) seinem Parteifreund Ole Kreins mit, der den Senat als Abgeordneter nach Lärm- und Feinstaubbelastung durch die Geräte gefragt hat. Wesentliches Fazit aus elf Seiten: Die Dinger sind durchweg höllisch laut und haben unangenehme Nebenwirkungen für Mensch und Natur, aber sowohl die BSR als auch die Bezirke halten sie für unentbehrlich.
Hauptgrund ist demnach die Effizienz der Geräte: Ein Laubbläser schaffe nach Einschätzung von Fachleuten die „Flächenleistung“ von drei bis zehn Reinigern mit Rechen oder Besen – je nach Untergrund, Feuchtigkeit und Art des Laubes. Für die BSR kommt als praktischer Mehrwert hinzu, dass mit den Bläsern auch das Laub unter parkenden Autos hervorgeholt werden kann. Dasselbe gilt für zugewachsene Bereiche von Grünanlagen, in denen die Bezirksämter zuständig sind. Der Anspruch der BSR, die Stadt bis Weihnachten vom Laub zu befreien, sei ohne Laubbläser nicht zu erfüllen.
Unterm Laub schimmelt der Rasen
Zu den Problemen bei Ästhetik und Verkehrssicherheit käme der Schaden vor allem für Rasen: Wo das Laub monatelang liegt, schimmelt und fault das Gras. Die BSR schätzt, dass sie dank der Laubbläser pro Jahr etwa eine Million Euro spart. Auch die vom Senat befragten Bezirksämter erklären ausnahmslos, dass sie ohne die Geräte ihre Arbeit nicht schaffen könnten.
Der Bezirk Reinickendorf macht die Überschlagsrechnung auf, dass ohne die 28 vorhandenen Laubbläser etwas mehr als doppelt so viele Arbeitsstunden zu leisten wären, was die Personalkosten von 224.000 auf eine halbe Million Euro erhöhen würde. Dem gegenüber stünde nur eine Ersparnis von 13.000 Euro Spritgeld und 1400 Euro Wartungskosten. Andere Bezirke schätzen den zusätzlichen Personalaufwand teils noch deutlich höher ein. Gegen den Gestank werden die Geräte mit benzolfreiem Benzin betankt. Umweltfreundlich sind sie deshalb trotzdem nicht, zumal es bisher keine akkubetriebenen, also elektrischen Geräte mit vergleichbarer Leistung gebe.
Hundekot und Pilsporen fliegen durch die Luft
Manche Bezirke testen die Akku-Variante allerdings, obwohl sie bisher mehr als sechs Mal so teuer und ineffektiver ist. Zum Abgas- und Lärmproblem der Benziner kommt der mit dem Laub aufgewirbelte Dreck, vor allem in Form von Feinstaub, Keimen aus Hundekot und Pilzsporen. Laut Umweltbundesamt (UBA) kann sich die Schimmelpilzkonzentration um den Laubbläser verhundertfachen. Ein Grund von vielen, dass das UBA für die Geräte keinen „Blauen Engel“ vergibt.
Da allerdings außer dem Reiniger selbst niemand ständig dem Lärm und Dreck ausgesetzt sei, hält der Senat die Belästigung der Bürger für vertretbar, weil lokal und zeitlich eng begrenzt. Eine Empfehlung gibt die Umweltverwaltung allerdings: „Im privaten Bereich sollte der Einsatz von Laubbläsern gänzlich unterbleiben.“
Den Einsatz der Geräte etwa auf kleinen Flächen zu verbieten, wäre rechtlich allerdings bedenklich: Der Einsatz von Maschinen, die die Anforderungen der entsprechenden EU-Richtlinie erfüllen, dürfe nicht behindert werden. Sonst drohe ein Vertragsverletzungsverfahren. Außerdem existiere bereits eine Beschränkung auf Bundesebene: In Wohngebieten und „schutzwürdigeren Gebieten“ dürfen die Laubbläser nur werktags von 9 bis 13 und von 15 bis 17 Uhr betrieben werden.