Steuergeld für Krisen-Genossenschaft: Landeszuschüsse und Darlehen sollen „Diese eG“ retten
Kreuzbergs Baustadtrat nutzt sie für seine Immobilienpolitik. Doch die Genossenschaft stand finanziell auf der Kippe. Ist die Zitterpartie jetzt vorbei?
Die umstrittene Wohnungsgenossenschaft „Diese eG“ hat Landeszuschüsse und Darlehen der landeseigenen Förderbank IBB in Aussicht gestellt bekommen, um Mietshäuser zu erwerben, für die Bezirke das Vorkaufsrecht ausgeübt haben. Das teilte die Genossenschaft am Dienstag mit. „Ein definitiver Bescheid der IBB liegt der Genossenschaft seit gestern vor“, erklärt die „Diese eG“ in einer Mitteilung.
Die Investitionsbank Berlin (IBB) zeigte sich am Dienstag allerdings noch skeptisch. Bevor die Auszahlung der Darlehen erfolgen könne, müssten von den Genossen zunächst noch umfangreiche Nachweise etwa über das vorhandene Eigenkapital der Genossenschaftler erbracht werden. In Senatskreisen hieß es Ende vergangener Woche, das die erforderliche Eigenkapitalquote von zehn Prozent bislang noch nicht gesichert sei.
Die Genossenschaft widersprach am Dienstag: „Das benötigte Eigenkapital der Genoss*innen der Diese eG wurde bereits gezeichnet. Weitere Zeichnungen erreichen die Genossenschaft täglich. Die Genossenschaft ist zuversichtlich, dass alle Auflagen seitens der IBB zur Auszahlung der Mittel innerhalb der nächsten Tage ausgearbeitet sein werden. Die Nachweise darüber folgen in Kürze“, hieß es in der Mitteilung.
Die Nachweise sind dabei nicht nur für die von der IBB ausgereichten Darlehen notwendig, sondern auch für die vom Senat vergebenen Förderzuschüsse.
Insgesamt wurde mittlerweile für sieben Häuser von den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg das Vorkaufsrecht zu Gunsten der „Diese eG“ gezogen. In sogenannten Milieuschutzgebieten haben die Bezirke ein Vorkaufsrecht, wenn private Eigentümer Wohnhäuser veräußern. Die Bezirke üben dieses bisher zugunsten der kommunalen Wohnungsgesellschaften aus mit dem Ziel, die Mieten stabil zu halten und die soziale Mischung im Kiez zu bewahren.
Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt sieht sich als Vorreiter
Nun – so das Ziel des rot-rot-grünen Senats – sollen verstärkt auch Genossenschaften zum Zuge kommen. Der Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), sieht sich dabei als Vorreiter, ist aber womöglich über das Ziel hinausgeschossen. Denn er übte Vorkaufsrechte zugunsten der „Diese eG“ aus, noch ehe ein vom Senat angekündigtes neues Förderinstrument vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde.
Wegen zweier Vorkaufsfällen drohen der Genossenschaft mittlerweile rechtliche Konsequenzen. Der Verkäufer eines Hauses in der Rigaer Straße hat die „Diese eG“ verklagt, nachdem sie mit Verweis auf hohen Sanierungsbedarf den Vorkauf rückabwickeln wollte. Unter Juristen ist allerdings umstritten, ob eine solche Rückabwicklung überhaupt möglich ist. Die Genossenschaft sieht in jedem Fall Baustadtrat Florian Schmidt in der Pflicht: „Die Rückabwicklung ist nicht mehr unser Problem, sondern das des Bezirks“, sagte Elena Poeschl, Vorstandsmitglied der Genossenschaft, dem Tagesspiegel am Mittwoch.
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Ein Makler hat die Genossenschaft in diesem Fall zudem zur Zahlung ausstehender Provisionen verklagt. Streitwert: 354.000 Euro.
Der Verkäufer eines anderen Hauses hat der Genossenschaft die Zwangsvollstreckung angedroht, nachdem die Genossenschaft ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachgekommen ist. Eine entsprechende Frist ist am Montag abgelaufen. Eine Tagesspiegel-Anfrage, ob die „Diese eG“ den offenen Betrag mittlerweile überwiesen hat, wollte die Genossenschaft am Dienstag nicht beantworten.
FDP: Genossenschaft noch lange nicht gerettet
Sibylle Meister, Sprecherin für Haushalt und Finanzen der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, kommentierte die Entwicklung am Dienstag skeptisch: „Die ’Diese eG’ ist noch lange nicht gerettet“, sagte sie.
„Nach wie vor fehlen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sowie langfristige und nachhaltige Finanzierungskonzepte. Der Senat und die IBB gehen mit ihren in Aussicht gestellten Darlehen ein extrem hohes Risiko ein, dass sie die bewilligten Gelder nie wiedersehen."